Der deutsche Wohninvestmentmarkt hat das Jahr 2021 mit einem neuen Rekordergebnis abgeschlossen - auch ohne die Großfusion von Vonovia und Deutsche Wohnen. Wie geht es 2022 weiter?
Der deutsche Wohninvestmentmarkt hat das Jahr 2021 mit einem bemerkenswerten Ergebnis abgeschlossen: Laut BNPPRE, Savills und NAI Apollo lag das Transaktionsvolumen bei etwa 51 Milliarden Euro, wovon mehr als 22 Milliarden Euro auf die Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia entfallen. Nach Rechnung von JLL und CBRE wurde die 50-Milliarden-Euro-Schwelle knapp verfehlt. Damit wurde die Prognose (19 Mrd. Euro), der Vorjahreswert (plus 128 Prozent) als auch der Fünf-Jahresdurchschnitt (plus 178 Prozent) dennoch deutlich übertroffen und auch das bisherige Rekordergebnis aus dem Jahr 2015 (25 Mrd. Euro) mit weitem Abstand abgelöst.

„Im Gesamtjahr waren es vor allem die Mega-Deals, die zu dem hohen Transaktionsvolumen führten“, konstatiert Michael Bender, Head of Residential JLL Germany. Vor allem die Großfusion von Vonovia und Deutsche Wohnen war dominant: „Mit einem geschätzten Volumen von 23,5 Milliarden Euro ist die Übernahme nicht nur die größte Transaktion des Jahres, sondern auch die größte Immobilientransaktion auf dem deutschen Wohninvestmentmarkt überhaupt. Als europäischer Immobiliengigant verfügt Vonovia nun über rund 568.000 Wohnungen.“ Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, ergänzt: „Beeinflusst durch diese Übernahme verzeichnete vor allem das vierte Quartal 2021 ein Rekordergebnis. Mit einem Transaktionsvolumen von 28,17 Milliarden Euro lag es deutlich über dem Vorjahreswert und dem Fünf-Jahresdurchschnitt (um 428 Prozent bzw. 565 Prozent). Mit Blick auf den genannten Mega-Deal hat ein Vergleich mit den Vorjahresquartalen allerdings nur sehr beschränkte Aussagekraft.“
Neues Allzeithoch im Bereich bis 100 Millionen Euro
Doch selbst ohne diesen außergewöhnlichen Deal waren die letzten drei Monate überaus lebhaft und hätten das Rekordergebnis gesichert. Zum Rekordumsatz beigetragen haben auch weitere Großabschlüsse, wie die Akelius Übernahme durch Heimstaden für rund fünf Milliarden Euro. Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment von BNPPRE kommentiert: „Dass die neue Bestmarke nicht nur auf Großfusionen und -übernahmen zurückzuführen ist, zeigt sich daran, dass auch im Bereich bis 100 Millionen Euro ein neues Allzeithoch aufgestellt wurde. Mit rund 9,76 Milliarden Euro wurde auch in diesem Marktsegment die bisherige Bestmarke aus dem Jahr 2017 um 20 Prozent übertroffen. Das Vertrauen der Investoren in die deutschen Wohnungsmärkte ist also auf allen Ebenen unverändert groß, woran auch die erneut anziehenden Corona-Fallzahlen nichts ändern. Im Mittelpunkt stehen für die Anleger eindeutig die positiven, langfristigen Perspektiven.“
Projektentwicklungen: Das begehrte Gut
Aufgrund der Übernahme der Deutsche Wohnen sowie weiterer großer Transaktionen tragen Bestandsportfolios mit knapp 81 Prozent erwartungsgemäß mit Abstand am meisten zum Gesamtergebnis bei. Im Fokus vieler Investoren, vor allem von Investment Managern und ihren Spezialfonds, stehen aber in erster Linie Projektentwicklungen. Laut BNPPRE stellt dieses Marktsegment mit einem Investmentvolumen von 6,28 Milliarden Euro eine neue Bestmarke auf und übertrifft sowohl das Vorjahresergebnis als auch den zehnjährigen Durchschnitt um das Doppelte. „Anders als in der Vergangenheit, als nahezu ausschließlich die großen Metropolen im Blickpunkt standen, wurde dieses Jahr 53 Prozent des Volumens außerhalb der A-Städte investiert. Gerade in diesem Marktsegment ist ein großer Angebotsengpass zu verzeichnen, ansonsten wäre das Volumen mit Sicherheit noch höher ausgefallen“, stellt Meszelinsky fest.
Erfreulich sei vor allem, dass in allen Größenklassen sehr hohe Umsätze beobachtet werden konnten. Hier kommt die breite Nachfragebasis zum Ausdruck, die in allen Marktsegmenten vorhanden ist. Das hohe Transaktionsvolumen resultiert demzufolge nicht aus einzelnen Sonderentwicklungen, sondern fußt auf einem breiten Fundament.
Hohe absolute Umsätze vieler Käufergruppen
Auch wenn Immobilien-AGs aufgrund der Großabschlüsse die Käufergruppen mit einem Umsatzanteil von fast 51 Prozent klar dominieren, haben mehrere Anleger sehr hohe absolute Investments getätigt. So verzeichnenlaut den Zahlen von BNPPRE sowohl Investment Manager mit knapp 8,3 Milliarden Euro als auch Versicherungen mit 1,5 Milliarden Euro jeweils neue Rekordumsätze. Auch Spezialfonds kommen auf das zweithöchste je registrierte Volumen (4,75 Mrd. €) und Pensionskassen liefern mit fast 1,6 Milliarden Euro ein Top-3-Ergebnis ab. Auch dieses Resultat unterstreicht noch einmal das sehr große Interesse breiter Käuferschichten an deutschen Wohnimmobilien.
Renditen weiter gesunken
Die aktuelle Angebots-und-Nachfrage-Relation spiegelt sich auch in der Preisentwicklung wider. Gerade im gesuchten Neubausegment hat der in vielen Städten vorhandene Angebotsengpass die Renditen weiter sinken lassen. In den deutschen A-Standorten haben sie im Laufe des Jahres 2021 um zehn bis 25 Basispunkte nachgegeben und liegen mittlerweile in allen Städten bei 2,60 Prozent oder niedriger. Am teuersten ist nach wie vor München (2,35 %) vor Stuttgart (2,40 %) und Berlin (2,45 %). Noch etwas dynamischer fiel die Entwicklung in vielen B-Städten aus, wo sich die Renditerückgänge zwischen 25 und 30 Basispunkten bewegten.
Großdeals treiben Ergebnis in den A-Standorten
Das Transaktionsvolumen einiger A-Standorte klettert durch die großen Übernahmen und Fusionen in bislang nicht gekannte Höhen. Insgesamt erzielen sie einen Umsatz von gut 34,7 Milliarden Euro, was einem Anteil von 68 Prozent am Gesamtvolumen entspricht. Einsam an der Spitze rangiert Berlin, wo 26,4 Milliarden Euro investiert wurden, unter anderem durch die Übernahmen von Deutsche Wohnen und Akelius. Daneben konnten auch Hamburg (knapp 2,7 Mrd. €) und Frankfurt (rund 2,5 Mrd. €) überproportional profitieren. Mehr als eine Milliarde Investmentvolumen entfallen außerdem noch auf München (knapp 1,2 Mrd. €) sowie Leipzig (1,4 Mrd. €). Aber auch in Düsseldorf (780 Mio. €), Köln (791 Mio. €) und Stuttgart (424 Mio. €) hat die starke Nachfrage die Umsätze spürbar beflügelt.
ESG sorgt für Bewegung an den Investmentmärkten
Nachhaltigkeit war 2021 das meistdiskutierte Thema über alle Assetklassen hinweg und auch auf dem institutionellen Wohninvestmentmarkt haben sich ESG-konforme Immobilien sichtbar etabliert. Dies gilt vor allem für das Thema Energieeffizienz. „Die neue EU-Taxonomie wird dieser Entwicklung im weiteren Jahresverlauf zusätzlichen Auftrieb geben und dürfte vor allem auf dem Immobilienmarkt für neue Impulse sorgen“, so Scheunemann. „Wir gehen davon aus, dass Investoren verstärkt nach Immobilien suchen werden, die gemäß Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung taxonomiekonform sind. Für nicht-nachhaltige Immobilien könnte dies bedeuten, dass Verkäufer aufgrund geringerer Nachfrage teilweise Abschläge hinnehmen müssen.“ Dies werde voraussichtlich Bewegung in den Markt bringen, da es einerseits zu Bereinigungseffekten in Bestandsportfolios kommen wird und andererseits die Sanierungsaktivitäten zunehmen werden.
„Die umfangreiche energetische Sanierung dürfte eine Herausforderung für viele Bestandshalterinnen und Bestandshalter werden, insbesondere da Mieterhöhungen im Bestand stark reguliert sind“, kommentiert Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany, und ergänzt: „Um von Skaleneffekten zu profitieren und Ressourcen zu bündeln, könnte es daher zu weiteren Zusammenschlüssen und Übernahmen kommen. Außerdem dürften mehr Verkäufe sanierungsbedürftiger Bestände an Unternehmen mit Fokus auf Bestandsentwicklung stattfinden“.
Neben dem E in ESG wird laut Savills zunehmend das S in den Fokus rücken. „In Wohnimmobilien zielt das S in ESG vielfach auf die Erschwinglichkeit ab, so dass Anteile geförderter Wohnungen im Portfolio an Attraktivität gewinnen könnten“, meint Matti Schenk, Associate Research Germany bei Savills. Im vergangenen Jahr flossen bei Einzelobjektkäufen bereits rund 20 Prozent des Transaktionsvolumens in Immobilien, die zumindest teilweise geförderte Wohnungen beinhalten.
Perspektive: Sehr gute Rahmenbedingungen für 2022
Auch wenn der im vergangenen Jahr aufgestellte Rekord kaum zu toppen ist, kann 2022 von einem hohen Umsatz ausgegangen werden - die Rahmenbedingungen sind weiterhin sehr gut, wie Christoph Meszelinsky die Aussichten zusammenfasst: „Trotz insgesamt etwas langsamer steigender Mieten besteht in den großen Metropolen nach wie vor ein großer Nachfrageüberhang, von dem vor allem moderne Neubauwohnungen profitieren können. Vor diesem Hintergrund dürfte der Angebotsengpass gerade bei Projektentwicklungen und Forward Deals anhalten. Da die Nachfrage aufgrund des attraktiven Risikoprofils kaum nachlassen dürfte, sind weitere leichte Renditekompressionen im laufenden Jahr nicht ganz auszuschließen.“
Optimistisch fällt auch die Prognose von Konstantin Lüttger, Head of Residential Investment bei CBRE in Deutschland, aus: „Für 2022 erwarten wir ein dynamisches Transaktionsgeschehen am deutschen Wohnimmobilieninvestmentmarkt. Für das Gesamtjahr ist ein Investitionsvolumen von bis zu 30 Milliarden Euro realistisch, also auf oder gar über dem Niveau von 2021, ohne Berücksichtigung der Übernahme der Deutschen Wohnen. Ein Treiber des Marktgeschehens dürften unter anderem Portfoliobereinigungen sein – also die Aufteilung bestehender Portfolios zwecks Anpassung an die jeweilige Investmentstrategie.“
Andreas Wende, Geschäftsführer von NAI Apollo, resümiert: „Im Zuge konjunktureller Unsicherheiten, die größtenteils im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stehen, hat sich 2021 das Wohnportfoliosegment als stärkste Assetklasse auf dem deutschen Immobilienmarkt etabliert. 2022 wird sich an dieser Situation wenig ändern. Zu erwarten ist eine unverändert hohe Bedeutung von Forward-Deals. Aus Portfoliobereinigungen unter anderem infolge der letzten Großtransaktionen dürfte aber auch ein höheres Angebot an Bestandsobjekten resultieren. Zusätzliche Unterstützung erfährt der deutsche Wohnportfoliomarkt 2022 durch die Wohnungsbauoffensive der Bundesregierung.“