Inflation, Personalmangel, Baukosten - wo drückt der Schuh bei Investoren am meisten? Wir haben mit Primonial-CEO Peter Finkbeiner gesprochen.
Herr Finkbeiner, Sie sind seit gut einem Jahr bei Primonial REIM Germany. Wie ist Ihr Fazit bisher?
Peter Finkbeiner: Mein Management-Ansatz zielt auf die gesamte Wertschöpfungskette. Das Thema Wertschöpfung gewinnt vor allem durch ESG zunehmend an Bedeutung. Wir haben uns in den letzten zwölf Monaten gemeinschaftlich nicht nur in der Tiefe, sondern auch in der thematischen Breite verstärkt, so haben wir uns bei den Assetklassen breiter aufgestellt. Historisch betrachtet kommen wir aus dem Healthcare-Bereich, investieren aber mittlerweile auch in Wohn- und Büroimmobilien. Daher habe ich das Team auch in dieser Hinsicht aufgebaut.
Sie wollen zu einer der führenden paneuropäischen Immobilieninvestment-Plattformen werden. Wie sieht die Roadmap dahin aus?
Peter Finkbeiner: Da muss man differenzieren. Auf der einen Seite haben wir über 400 Mitarbeiter und 33 Milliarden Euro Assets under Management. In Europa sind wir bereits heute im Healthcare-Bereich der führende Investor. Hier wollen wir unsere Wettbewerbsposition verteidigen.
Beim weiteren Wachstum setzen wir sehr stark auf die Europäisierung unserer Plattform. Unsere Wurzeln liegen im französischen Markt, und wir wollen aus dieser DNA heraus auch in anderen europäischen Ländern stark wachsen. Unser Ziel ist es, für Investoren ein One-Stop-Shop für europäische Investments zu werden.
Investoren ist ein gutes Stichwort: hier sind natürlich die Krise, Inflation, Personalmangel und Baukosten die beherrschenden Themen. Wo drückt ihrer Meinung nach der Schuh aktuell am meisten?
Peter Finkbeiner: Letztlich hängen die Themen alle zusammen. Ich glaube, die Zeit des Überangebots an Kapital ist erstmal vorbei. Wir werden hier auch als Gesellschaft sicher ein wenig bescheidener werden müssen, denn Inflation und höhere Zinsen werden uns noch einige Zeit begleiten.
Wobei die Zinsen historisch gesehen immer noch verhältnismäßig niedrig sind. Das, was wir jetzt als Druck empfinden, ist relativ gesehen nicht wirklich ein Problem. Es ist vielmehr eine Frage, wie die Mathematik dahinter wieder funktionieren kann. In Verbindung mit dem Krieg in Europa und der alternden Gesellschaft sehe ich kurzfristig keine Entspannung auf den Märkten.
Bei Primonial REIM nehmen wir diese Entwicklung als Chance wahr. In der derzeitigen Situation schauen wir uns besonders den Optimierungsbedarf unserer Bestandsobjekte an. Mit Dekarbonisierung im Bestand werden wir künftig auch vermehrt neue Produkte auf den Markt bringen.
Bestandsimmobilien könnte das Thema der Krise werden. Welche Rolle spielen Bestandsobjekte in Ihrer Investmentstrategie?
Peter Finkbeiner: Ich halte es für wichtig, zu erkennen, wie viele Möglichkeiten im Bestand liegen. Man darf nur weder Mieter noch die eigenen Investoren überfordern. Dennoch müssen wir als Branche natürlich ins Handeln kommen. Für uns heißt das, bei unseren Produkten stark darauf zu achten, mit welchem investierten Euro wir welches Maß an CO2 einsparen können.
Bei der Bestandsoptimierung darf man nicht die Finanzierbarkeit außer Acht lassen. Ich muss die Investoren genauso mitnehmen, wie ich die Mieter mitnehmen muss. Denn auch die Mieter werden einen Teil der Kosten übernehmen müssen. Allerdings kann ein Teil dessen, was ihnen auferlegt wird, über die eingesparten Energiekosten wieder aufgefangen werden. Am Ende kann dann der Mieter sich sogar noch stärker mit der Immobilie identifizieren, da diese auch noch neueste Umweltkriterien erfüllt. Dieser Trend wird in Zukunft sicher noch stärker werden.
Ich habe oftmals das Gefühl, dass der Nutzer noch gar nicht bereit ist, den Weg der Nachhaltigkeit mitzugehen.
Peter Finkbeiner: Das Thema Nachhaltigkeit muss dem Nutzer noch zugänglicher gemacht werden. Innerhalb der Branche ist es eines der größten Themen, es muss aber noch mehr nach außen getragen werden.
Ich bin überzeugt, dass das Thema Nachhaltigkeit auch im Office-Bereich künftig zu höheren Mieten und Kaufpreisen bei Objekten führen wird, die energetisch auf dem neuesten Stand sind.
Was ist bei Investoren derzeit gefragt?
Peter Finkbeiner: Die Kapitalströme werden zukünftig durch das Thema ESG gelenkt. Investoren werden diesen gesellschaftlichen Trends langfristig folgen. Leider wirken die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen bislang nur ungenügend. Das ist, als ob Sie jetzt eine Blutung stoppen, aber genau wissen, dass Sie chirurgisch noch einmal eingreifen müssen.
Dort, wo die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind, werden Investoren bereit sein, in energetische Maßnahmen, die den CO2 Ausstoß reduzieren, zu investieren. In Kombination mit der Inflation wird die Kernfrage sein, was der Rückzahlungsbetrag ist, den die Investoren am Ende der Laufzeit akzeptieren.
Bei Primonial REIM glauben wir insbesondere im Büroimmobilienbereich daran, dass ein gut positioniertes Produkt sehr gut funktionieren kann. Wir sind uns natürlich des Trends zum Homeoffice bewusst. Das wird sicherlich ein wesentlicher Bestandteil unseres zukünftigen Arbeitens sein. Aber wir sind überzeugt, dass die Zukunft des Arbeitens nicht nur virtuell sein wird. Denn am Ende sind wir alle soziale Wesen, die gerne zusammenkommen, um gemeinschaftlich etwas zu unternehmen.
Wenn Sie sich eine Immobilie aussuchen können, welche und an welchem Standort würden Sie gerne kaufen?
Peter Finkbeiner: Da möchte ich nach Assetklassen differenzieren. Bei unserem Brot- und Buttergeschäft Pflegeimmobilien sind es nicht nur die Top 7-Standorte in Deutschland, sondern auch Randlagen. Wenn man dort ein gutes Objekt mit langem Pachtvertrag erwirbt, ist das definitiv ein sinnvolles Investment. Die Demografie bleibt und die Nachfrage wird damit hoch bleiben.
Bei Büroobjekten ist es eine Mischung aus Top 7- und B-Städten, die wir für gut erachten. Dieser Mix bietet ein interessanteres Profil aus Investitionshöhe und Upside-Potenzial der Miete. Das spricht insgesamt für den deutschen Markt. Hier finden Sie viele interessante Investitionsmöglichkeiten auch in B-Städten wie Bonn oder Mannheim. In Verbindung mit einem klaren ESG-Approach kann man dort guten Gewissens investieren.
Welche Renditeerwartung haben Investoren eigentlich derzeit? Haben sie überhaupt eine bei dieser Inflation?
Peter Finkbeiner: Natürlich sind die Renditeerwartungen der Investoren im Zuge der Inflation zuletzt angestiegen. Wenn wir das Ziel der CO2-Reduktion in den Gebäuden ernst nehmen, wird dies nur zu Gunsten der langfristigen Rendite und zu Lasten der laufenden Ausschüttungen gehen. Die Frage ist eher, wo künftig die Rendite herkommen soll. Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn man ein aktives Asset-Management betreibt, dann wird man relativ zum Markt mehr Potenzial auf der Mietseite haben.
Warum?
Peter Finkbeiner: Wir kommen aus einem historisch niedrigen Zinsumfeld und haben derzeit sicher Inflation als einen der Haupttreiber für die aktuelle Entwicklung, aber wenn sie auf der Mietseite in der Verwaltung einen guten Job machen, dann ist meiner Ansicht nach noch Spielraum bei der Mietentwicklung.
Erwarten Sie im Gegenzug sinkende Wertentwicklungen?
Peter Finkbeiner: Vor allem bei Objekten ohne klares ESG-Konzept werden wir nachlassende Preise sehen.
Wenn sie auf dem Einkaufsmarkt unterwegs sind, sehen Sie da schon Stranded Assets?
Peter Finkbeiner: Derzeit beobachten wir noch keine Stranded Assets. Diejenigen aber, die jetzt schnell ihre Assets veräußern wollen, um noch die aktuell hohen Preise mitzunehmen, die wir zuletzt gesehen hatten, werden zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Die Käufer sind derzeit äußerst verhalten. Wenn man heute einkauft, muss man eben einen sauberen Business Plan vorweisen, um zu zeigen, wie man künftig vernünftige CO2-Werte erreichen will.
Das heißt auch, Sie erwarten keine Nonperforming Loans?
Peter Finkbeiner: Nein, die letzten zehn bis fünfzehn Jahre waren die LTVs deutlich konservativer, und auch wenn die Verschuldungsgrade bei einigen Investoren höher ausfallen, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir wirklich substanzielle Probleme bekommen werden.
Sie sprachen gerade schon das Thema Asset-Management an und wie wichtig das vor allem für die Zukunft sein wird. Wie gehen Sie dabei bei sich im Hause vor?
Peter Finkbeiner: Wir haben in den letzten zwölf Monaten hier im Haus bereits einiges bewegt. Das beginnt bei ganz simplen Dingen, wie die Daten von Bestandsobjekten zu sammeln und zu schauen, welche Daten ich zur Verfügung habe. Hier arbeiten wir auch mit erfahrenen Partnern aus dem Softwarebereich zusammen.
Digitalisierung und Smart Metering gehören für uns zum Handwerkszeug unserer Mitarbeiter. Wir wollen wissen, welche Heizung im Keller verbaut ist, welches Baujahr sie hat und wieviel CO2 sie ausstößt. Das hat auch etwas mit Interesse am Job, der Branche und Verantwortung zu tun.
Digitalisierung ist ein gutes Stichwort. Viele behaupten, ohne Digitalisierung sei die Erreichung der Klimaziele nicht zu schaffen. Wo stehen wir da Ihrer Meinung nach?
Peter Finkbeiner: Ganz offen – ich kann es Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Aber was ich Ihnen sagen kann, ist, dass wir handeln müssen. Jetzt immer nur über Digitalisierung zu reden und zu erwarten, dass andere es schon richten werden, bringt die CO2-Werte nicht runter.
Schritt 1 ist für mich beim Energieverbrauch zu sparen. Danach gilt es, unsere Immobilien intelligenter zu machen und an die Gewohnheiten der Nutzer anzupassen: Wann kommen die Mitarbeiter, welche Raumtemperatur bevorzugen sie usw. Da gibt es schon heute viele Möglichkeiten. Vom Thermostataustausch über den Einbau von Wärmepumpen bis hin zur Reduzierung von Vorlauftemperaturen – viele Dinge lassen sich mit wenig Aufwand realisieren.
Was wünschen Sie sich von Politik und Immobilienwirtschaft?
Peter Finkbeiner: Wir brauchen vor allem mehr Pragmatismus, damit das Thema ESG deutlich an Fahrt gewinnt.
Das Gespräch führte André Eberhard.