Bringt Nachhaltigkeit finanzielle Vorteile? Lohnen sich Investitionen in Dekarbonisierung? Komplexe Fragen ohne einfache Antworten. Nachhaltigkeit kann sich durchaus lohnen, aber das hängt vom Bestand und der Strategie der Investoren ab. Ein Beitrag von Rüdiger Hornung, Partner bei Wüest Partner.
Erst muss eine weitverbreitete Annahme berichtigt werden: Das Thema Klimaneutralität beherrscht vielleicht den Diskurs, aber es gibt noch kein Gesetz, das zur Dekarbonisierung bis 2050 zwingt. Wenn ein Immobilieneigentümer will, kann er seinen Bestand unberührt lassen, egal wie ineffizient. Zwar kommt es zu Nachteilen, wie zum Beispiel erhöhter Steuer – Nutzungseinschränkungen oder Bußgelder oder ähnliche Konsequenzen sind bisher jedoch nur in Planung.
Finanziell kann sich so eine Haltung auch lohnen: Große Wohnungsbestände der Nachkriegszeit, mit geringer energetischer Effizienz, können noch so lange Geld abwerfen, bis die Mieter wegen zu hoher Energiekosten ausziehen. In Anbetracht des vorherrschenden Wohnungsmangels könnten abgebrühte Eigentümer auch darauf spekulieren, dass Mieter keine anderen Wohnungen finden. Bestände mit Kaltmieten von fünf bis sieben Euro pro Quadratmeter, bei denen in den letzten 40 Jahren wenig in Energieeffizienz investiert wurde, sind keine Seltenheit in Deutschland.
Doch so eine Strategie bringt maximal kurzfristig Profite. Wer auf Ruin setzt und Instandhaltung konsequent vernachlässigt, riskiert einen derartigen Wertverlust, dass Immobilien als Stranded Assets enden können – sie fallen aus dem Markt. In anderen Worten: Den Nachhaltigkeitstrend zu ignorieren, ist finanziell betrachtet alles andere als wirtschaftlich.
Nachhaltige Immobilien haben die besseren Karten
Schon jetzt gilt: je besser die energetischen Eigenschaften einer Immobilie, desto interessanter wird sie finanziell. Sie generiert höhere Kaltmieten, da Mieterinnen und Mieter niedrigere Energiekosten haben und auf die Gesamtmiete achten. Sie wird günstiger im Betrieb, der Vermieteranteil an der neuen CO₂-Steuer sinkt. Die Kosten für Leerstand sind geringer, genau wie die Anpassungskosten der steigenden klimatischen Anforderungen, nicht zuletzt erleichtert sich der Zugang zu Finanzierungen. Bessere Zinskonditionen sind wohl noch nicht zu erwarten, dafür ist die Finanzierungsquote aber eine bessere. Banken sind eher bereit 70 anstatt von 50 Prozent des Geldbedarfs für EU-Taxonomie-konforme Immobilien bereitzustellen.

Ein Rechenbeispiel von Wüest Partner: Basierend auf realen Erfahrungswerten vergleicht es vier Immobilien mit unterschiedlichen Effizienzniveaus. Zwei Mehrfamilienhäuser mit Energieausweisen F und D, eine Wohnung mit dem Wert D sowie ein Einfamilienhaus mit einem A+ Rating. Die Analyse der Aspekte Mieten, Betriebskosten, Leerstand, Instandhaltung und Diskontierungsrate zeigt die gebündelte Auswirkung der Energieeffizienz auf den Immobilienpreis. Die energetisch ineffizienteste Immobilie verliert in der Bewertung 16 Prozent, die effizienteste dagegen gewinnt 3,9 Prozent.
Was tun mit energetisch ineffizienten Immobilien?
Sicherlich ist es nützlich zu wissen, dass A+ Immobilien besser als F-Immobilien performen. Halter von ineffizienten Beständen nützt das leider wenig. Genau bei diesen stellt sich die Frage, ob der Kurs auf Dekarbonisierung Sinn macht. Auf gut Deutsch, ob es sich rentiert, in die Tasche zu greifen. Die Antwort hängt von der Genauigkeit der Portfoliokenntnis und der Strategie ab.
Erst das Wissen über die möglichen Optionen und deren Kosten erlaubt die grundsätzliche Entscheidung: Wie gehe ich mit Nachhaltigkeit um? Will ich schon 2040 CO₂-neutral sein, also zehn Jahre vor dem von der EU anvisierten Datum? Will ich lediglich ein vertretbares Effizienzniveau erreichen, um ohne Wertminderung zu verkaufen? Oder will ich die oben beschriebene Bankrott-Strategie verfolgen? Möglichkeiten gibt es wie immer viele, deswegen ist ein klarer Kurs notwendig.
Die gute Nachricht: Je ineffizienter die Immobilie, desto effizienter sind die energetischen Sanierungen. Wird auf die oben beschriebene Bankrott-Strategie verzichtet, so sind Instandhaltungsmaßnahmen obligatorisch. Wer lediglich die negativen Auswirkungen einer mangelhaften Energieeffizienz vermeiden will, kann diese nach dem größtmöglichen energetischen Effekt auswählen.
Dekarbonisierung geht nicht ohne detaillierte Kenntnisse
In diesem Fall ist es ausschlaggebend, den energetischen Effekt von Sanierungsmaßnahmen zu kennen. Zwei Beispiele: Ersetze ich die gesamten veralteten Fenster in einer Anlage - für rund 250.000 Euro -, so spare ich voraussichtlich 30.000 kWh Wärmeenergie pro Jahr ein, dass sind 0,12 kWh pro investierten Euro. Senke ich den Stromverbrauch für Beleuchtung hingegen dank Einbau von Präsenzmeldern, spare ich im gleichen Gebäude rund 15.000 kWh Strom pro Jahr – bei Einbaukosten von 15.000 Euro, das heißt für 1 kWh Strom pro investierten Euro. Die zweite Maßnahme kostet nicht einmal ein Zehntel der Ersten, bringt aber das Zweieinhalbfache.

Das zeigt, wie sehr bei Nachhaltigkeit der Teufel im Detail steckt und wie kritisch die Erfahrung mit Effizienzsteigerung ist. Halter von großen Beständen sind sich der Herausforderung bewusst, aber mangels Erfahrungen können viele die Bedeutung nicht abschätzen und auch keine Strategie entwickeln. Es bedarf eines Spezialisten, wie Wüest Partner, der auf eine ausgefeilte Software zurückgreift, um passende CO₂-Absenkpfade zu optimieren. In anderen Worten: Ein präziser Fahrplan zur energetischen Effizienzsteigerung mit genauen Sanierungsmaßnahmen, wie viel diese kosten und wann diese durchgeführt werden sollten.
Nachhaltigkeit verlangt digital maßgeschneiderte Lösungen
Gleichzeitig verlangt es Augenmaß. Generische Absenkpfade lassen sich nicht auf jede Immobilie anwenden. Sie müssen maßgeschneidert sein, die bestmögliche Kenntnis des Portfolios und der Einzelliegenschaften ist daher zwingend.
Die genaue Analyse der Liegenschaften bringt neben der passenden Strategie weitere Vorteile, wie die digitale Erfassung der zentralen Kenndaten des Portfolios. Ohne diese sind die Simulationsrechnungen von energetischen Maßnahmen nicht möglich. Darauf aufbauend sind verschiedene Due Diligences machbar, von der technischen bis zur ESG und Carbon Due Diligence.
Zurück zur Eingangsfrage: Ja, Investitionen in Nachhaltigkeit können sich lohnen und mittel- bis langfristig sogar sehr profitabel sein. Es hängt aber davon ab, die Investitionen in die richtigen Maßnahmen zu leiten.