Jahresausblick 2026: Experten ordnen Marktstimmung, Assetklassen, Finanzierung, ESG und Investitionschancen ein. Von Thorsten Schnug
2026 wird kein Jahr der großen Befreiung – darin sind sich viele Marktakteure einig. Und doch ist die Stimmung eine andere als noch vor zwölf oder 24 Monaten. Der deutsche Immobilienmarkt hat den Tiefpunkt vielerorts hinter sich gelassen, ohne bereits in eine neue Wachstumsphase einzutreten. Stattdessen deutet vieles auf ein Jahr der Sortierung hin: Kapital ist vorhanden, agiert aber selektiv. Nachfrage ist da, konzentriert sich jedoch auf Qualität. Und Erholung findet statt – allerdings nicht flächendeckend, sondern differenziert nach Lage, Nutzung und Managementqualität.
Felix von Saucken, CEO von Colliers in Deutschland, beschreibt die Ausgangslage so: „Die deutsche Immobilienwirtschaft befindet sich in einer Phase der Neuordnung – geprägt von geopolitischen Spannungen, höheren Finanzierungskosten und anspruchsvollen regulatorischen Rahmenbedingungen. Zugleich bietet die frühzyklische Marktphase vielfältige Chancen für Investoren, die flexibel agieren und auf Qualität setzen.“
Marktstimmung: Stabilisierung ja, Trendwende nur selektiv
Viele Stimmen aus der Branche erwarten für 2026 eine Stabilisierung, allerdings auf einem Niveau, das deutlich unter den Boomjahren liegt. Stefan Hoenen, Head of Commercial Real Estate bei der Hamburg Commercial Bank, erläutert: „In den meisten Assetklassen hat bereits eine Stabilisierung stattgefunden, allerdings auf niedrigem Niveau. […] Insgesamt rechnen wir mit einer länger andauernden Seitwärtsbewegung, also einem zwar konstanten, aber nur moderaten Zuwachs bei den Transaktionen.“
Auch Francesca Boucard, Head of Market Intelligence & Foresight Germany bei Colliers, verweist auf die zyklische Einordnung des Marktes: „Konjunktur- und Immobilienzyklus verlaufen zwar nicht synchron, sind jedoch eng miteinander verwoben. Während die gesamtwirtschaftliche Entwicklung von einer langsamen Erholung geprägt ist, zeigt auch der Immobilienmarkt erste Zeichen der Stabilisierung. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Reaktionsgeschwindigkeit: Die Konjunktur reagiert kurzfristiger auf externe Schocks und politische Maßnahmen, während der Immobilienmarkt aufgrund längerer Planungs- und Investitionszyklen verzögert folgt.“
Wachsende Wirtschaft fehlt als Treiber für Flächennachfrage.
Sebastian H. Lohmer
Andere Marktteilnehmer bleiben hingegen deutlich skeptischer. Sebastian H. Lohmer, Fondsexperte und Berater institutioneller Investoren, sieht kaum Raum für Entlastung: „Anstelle einer Trendwende ist […] eher mit anhaltendem Druck zu rechnen, da eine wachsende Wirtschaft als Treiber für die Flächennachfrage fehlt.“

Demgegenüber steht vorsichtiger Optimismus – gespeist aus Investitionsdruck und Kapitalverfügbarkeit. Ernst-Otto Walker, geschäftsführender Gesellschafter von Walker & Walker, formuliert es so: „Wir erwarten eine positive Entwicklung für 2026. Allein schon, weil die Märkte mit Geld vollgelaufen sind und sich der Investitionsdruck entladen muss.“
Auch Karsten Nemecek, Deputy CEO Germany und verantwortlich für den Bereich Capital Markets bei Savills, sieht für 2026 eher eine Phase der weiteren Anpassung als eine klare Trendwende: „Der Immobilienmarkt und viele seiner Akteure sind immer noch dabei, die Rückkehr der Zinsen zu verdauen. Dieser Verdauungsprozess ist noch nicht abgeschlossen und seine Phänomene – darunter eine erhöhte Zahl an Insolvenzen, Diskrepanzen zwischen nachgefragten und angebotenen Preisen sowie liquiditätsgetriebene Verkäufe – werden sich auch im kommenden Jahr noch beobachten lassen. Insgesamt dürfte das Immobilienjahr 2026 dem gerade zu Ende gehenden Jahr recht ähnlich sein.“
Kapital und Finanzierung: Geld ist da – aber wählerisch

Ein zentrales Thema für 2026 bleibt die Finanzierung. Die Mehrheit der Marktakteure rechnet nicht mit spürbar sinkenden Zinsen, wohl aber mit einer stärkeren Spreizung zwischen erstklassigen und komplexen Produkten. Hoenen beschreibt diese Entwicklung deutlich: „Für qualitativ hochwertige Projekte beobachten wir […] sinkende Margen und damit insgesamt sinkende Finanzierungskosten. Für komplexere Vorhaben oder weniger gefragte Produkte ist das Bild umgekehrt.“
Dr. Tim Schomberg, CEO und Co-Founder von Kingstone Real Estate, betont den Fokus auf tragfähige Erträge: „Entscheidend bleibt die Qualität der Cashflows: Wo Mieten tragfähig sind und Leerstandsrisiken gering, sehen wir gute Voraussetzungen für Wertstabilität.“
Auch Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, sagt: „Wir erwarten keine spürbare Entlastung bei den Finanzierungskosten. Ich gehe auch nicht von sinkenden Zinsen für 2026 aus.“
Vor diesem Hintergrund rücken alternative Finanzierungsformen stärker in den Fokus. Felix von Saucken erklärt: „Alternative Finanzierungsformen gewinnen in diesem Umfeld an strategischer Bedeutung, weil sie zusätzliche Flexibilität schaffen und gerade in komplexeren Situationen tragfähige Lösungen ermöglichen.“
Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei PTXRE, rechnet dennoch mit Bewegung: „Von sprunghaftem Anstieg kann zwar nicht die Rede sein, aber eine Reallokation innerhalb der Portfolios ist wahrscheinlich.“
Transaktionsmarkt: Mehr Bewegung, aber kein Befreiungsschlag
Die Mehrheit der Stimmen erwartet für 2026 eine schrittweise Belebung des Transaktionsmarkts – ohne Rückkehr zu früheren Volumina. Mark Holz, Head of Strategy & Research bei Lübke Kelber, sagt: „Wir erwarten eine weitere Belebung des Transaktionsmarktes, aber keinen sprunghaften Anstieg. Sollten wieder großvolumige Wohnimmobilienportfolios gehandelt werden – und es sind einige im Markt – kann das sogar zu einer spürbaren Belebung führen.“
Karsten Nemecek warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen an eine schnelle Markterholung: „Eine deutliche Belebung des Transaktionsmarktes ist unseres Erachtens nur im Falle einer liquiditätsgetriebenen Verkaufswelle zu erwarten – dieses Szenario ist zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eine allmähliche Erholung des Marktes, der vom vorsichtigen Agieren der Akteure geprägt bleibt.“
Felix Meyen, Geschäftsführer der HIH Invest Real Estate, sieht vor allem selektive Chancen: „Besonders Wohn- und Logistikimmobilien beweisen sich weiterhin als verlässliche und dynamische Segmente mit attraktiven Renditechancen.“
Gleichzeitig bleibt die Preisfindung der zentrale Engpass. Torsten Hollstein, Managing Director bei CR Investment Management, betont: „Die Vorstellungen über Verkaufspreise und realistische Angebotspreise liegen in der Regel zu weit auseinander, sodass eine spürbare Belebung vorerst ausbleibt.“
Assetklassen: Wohnen bleibt Anker, Büro polarisiert
Über nahezu alle Stimmen hinweg zeigt sich ein klarer Konsens: Wohnen bleibt 2026 die stabilste Assetklasse. Rico Kallies, Geschäftsführer von Bonava Deutschland, sagt: „Ausschlaggebend dafür ist die Kombination aus einem strukturellen Angebotsdefizit und einer anhaltend starken Nachfrage, die sowohl durch das Bevölkerungswachstum infolge von Demografie und Zuwanderung als auch durch einen zunehmend alternden Wohnungsbestand getragen wird. Diese Faktoren sorgen für einen dauerhaft hohen Bedarf an Neubauwohnungen – sowohl bei Selbstnutzern als auch bei institutionellen Investoren.“
Neworld-CEO Alexander Lackner verweist auf strukturelle Engpässe: „Der Druck auf den Mietmarkt wird weiter steigen, sofern nicht mehr Investmentprodukte und damit auch neuer Wohnraum geschaffen werden.“
Auch Colliers erwartet steigende Mieten. Felix von Saucken, CEO von Colliers in Deutschland, sagt: „2026 trifft steigende Wohnraumnachfrage auf ein weiter sinkendes Angebot.“ Nach Einschätzung von Colliers steigen die Mieten in den Metropolen voraussichtlich um mindestens fünf Prozent.
Lebensmitteleinzelhandel, ambulante Gesundheitsimmobilien und Rechenzentren versprechen stabile Erträge.
Patrick Brinker
Positiv bewertet werden zudem Logistik- und Spezialsegmente. Patrick Brinker, Head of Real Estate Investment Management bei Hauck Aufhäuser Lampe, erklärt: „Wir sehen drei Assetklassen, die aufgrund langfristiger Nachfrage- und Transformationsprozesse stabile Erträge versprechen: Lebensmitteleinzelhandel, ambulante Gesundheitsimmobilien und Rechenzentren.“

Der Büromarkt bleibt hingegen gespalten. Julia Rahner, CEO von Apleona Real Estate, bringt es auf den Punkt: „Büroimmobilien stehen weiter unter Druck, insbesondere in Sekundärlagen. Für diese Objekte sind Revitalisierungen und ESG-Upgrades erfolgskritisch.“
Piotr Bienkowski, Geschäftsführer von PTXRE, verweist derweil auf die Entwicklung in den Kernmärkten: „In Frankfurt werden wir in diesem Jahr die Marke von 60 Euro je Quadratmeter deutlich überschreiten.“
ESG, Bestand und soziale Dimension: Wertfrage statt Pflichtprogramm
ESG bleibt 2026 ein zentrales Thema – allerdings weniger als Imagefaktor, sondern als harte wirtschaftliche Frage. Stefan Hoenen beschreibt den Zielkonflikt so: „Bei Immobilien in weniger nachgefragten Lagen […] können solche Investitionen eher dabei helfen, Werte zu erhalten oder Verluste zu begrenzen.“
Auch Ulrike Rennemüller, Geschäftsführerin von Arup Deutschland, sieht 2026 vor allem im regulatorischen Rahmen und bei der Weiterentwicklung des Bestands entscheidende Stellschrauben: „Im kommenden Jahr sehen wir vereinfachte Genehmigungsverfahren für Revitalisierungen und eine stärkere ESG-Auslegung von Bauvorschriften als erfolgsentscheidend.“
Julia Rahner fasst diese Entwicklung prägnant zusammen: „Die Rendite entsteht im Betrieb.“
Boris Drigalski, Managing Director bei Talyo Property Services, erweitert die Perspektive um die soziale Dimension: „Energetische Maßnahmen sind gesellschaftlich zwingend nötig, aber betriebswirtschaftlich oft schwer kurzfristig abzubilden – insbesondere, wenn Miethaushalte ohnehin unter steigenden Lebenshaltungskosten leiden.“
Digitalisierung und KI: Effizienz wird zur Überlebensfrage
Auffällig ist, wie stark operative Themen und Digitalisierung an Bedeutung gewinnen. Thomas Junkersfeld, Geschäftsführer bei B&L Property Management, sagt: „Der Property Manager ist mehr denn je gefordert, schneller und effizienter zu produzieren. Bedeutet, IT-Strukturen und Prozesse flexibel anzupassen und möglichst KI-Lösungen zu integrieren. Die Spreu trennt sich vom Weizen.“
Dirk Wichner, Geschäftsführer der Deutschen Bürohaus, sieht in der KI einen zentralen Hebel: „Als Gamechanger für die Immobilienbranche sehe ich die KI. Der Fachkräftemangel zwingt uns dazu, Abläufe neu zu strukturieren. KI kann administrative Aufgaben in der Buchhaltung oder Datenerfassung übernehmen, sodass Unternehmen ihre personellen Ressourcen aufwertschöpfende Tätigkeiten wie die Mieterbetreuung oder die strategische Entwicklung konzentrieren können.“
Auch Andreas Trumpp betont: „Im kommenden Jahr wird sich entscheiden, welche Lösungen und Produkte marktfähig sein werden.“
Fazit: 2026 belohnt Klarheit, Qualität und aktives Management
Der Jahresausblick 2026 zeigt ein differenziertes Bild: keine flächendeckende Trendwende, aber zunehmende Bewegung. Kapital ist vorhanden, verlangt jedoch klare Konzepte. Asset-Management, operative Exzellenz und realistische Preisfindung werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Oder, wie Felix von Saucken es zusammenfasst: „In diesem Umfeld werden Resilienz, Effizienz und Zukunftsfähigkeit zu entscheidenden Faktoren für nachhaltigen Erfolg auf dem deutschen Immobilienmarkt.“