Porträt Dr. Thomas Beyerle
Professor Dr. Thomas Beyerle (Quelle: Thomas Beyerle)

Standorte & Märkte 2025-12-18T10:23:51.771Z „Der Brown Discount ist real“

Vom Brown Discount bis zur KI-Infrastruktur: Thomas Beyerle über klare Trends, stille Risiken und den neuen Realismus am Immobilienmarkt. Von Thorsten Schnug

Herr Beyerle, erwarten Sie 2026 eine Stabilisierung, weiteren Druck oder bereits eine Trendwende an den Immobilienmärkten?

Thomas Beyerle: Ich erwarte eine klare Trendwende mit moderater Erholung. Nach den Korrekturen der Vorjahre – ausgelöst durch hohe Zinsen und geopolitische Unsicherheiten – deuten die meisten Prognosen auf eine Stabilisierung hin. Bei Wohnimmobilien rechnen wir mit Preissteigerungen von durchschnittlich drei bis vier Prozent.

Treiber dieser Entwicklung sind stabile Bauzinsen im Bereich von 3 bis 3,7 Prozent, eine leicht steigende Nachfrage privater Haushalte und der nach wie vor strukturelle Wohnungsmangel. Allerdings fällt die Erholung regional unterschiedlich aus: In guten Lagen und bei energieeffizienten Objekten ist der Aufwärtstrend deutlich erkennbar, während unsanierte Bestände oder Randlagen weiter stagnieren könnten. Im Gewerbebereich bleibt das Bild differenziert – während Prime-Büros sich erholen, geraten sekundäre Lagen weiter unter Druck.

Im internationalen Vergleich lässt sich die Stimmung vielleicht am besten mit „Cautious Optimism“ beschreiben – vorsichtiger Optimismus, der auch zu mehr Transaktionen führen kann.

Welche Assetklassen stehen 2026 besonders im Fokus – positiv wie negativ?

Thomas Beyerle: Wohnen bleibt weiterhin die gefragteste und resilienteste Assetklasse – getragen durch Angebotsengpässe, demografische Effekte und stabile Nachfrage. Auch Logistikimmobilien und Industrieflächen profitieren von strukturellen Faktoren wie E-Commerce und Reindustrialisierung.

Zunehmend in den Fokus rücken zudem digitale Infrastruktur – vor allem Rechenzentren – sowie Gesundheitsimmobilien und Senior Living. Hier wirkt der demografische Wandel als langfristiger Nachfragetreiber.

Unter Druck stehen dagegen klassische Büroimmobilien außerhalb der Toplagen. Hohe Leerstände infolge hybrider Arbeitsmodelle erfordern dort häufig Umnutzungen oder ESG-Upgrades. Im Einzelhandel bleiben vor allem nicht alltägliche Konsumsegmente unter Druck – mit Ausnahme gut positionierter Shopping-Center.

Generell lässt sich sagen: Gefragt sind nachhaltige, resilient positionierte Assets mit struktureller Nachfrage.

Wie verändert sich das Investorenverhalten unter dem Einfluss hoher Finanzierungskosten?

Thomas Beyerle: Ich rechne mit stabilen Bauzinsen um drei bis vier Prozent, bei einem EZB-Leitzins von etwa zwei Prozent. Auch wenn das deutlich höher ist als in der Nullzinsphase, sorgt die Zinsstabilität für mehr Planungssicherheit.

Investoren werden selektiver: Core- und Core-Plus-Objekte mit verlässlichen Cashflows stehen im Fokus. Die Risikobereitschaft sinkt, Eigenkapitalquoten steigen. Spekulative oder hoch strukturierte Finanzierungen – etwa über Mezzanine oder Private Debt – sind rückläufig. Gleichzeitig gewinnt die Diversifikation an Bedeutung – sowohl geografisch als auch sektorbezogen.

Ein weiterer Punkt: ESG ist kein „Nice to have“ mehr, sondern Mindestanforderung. Investoren meiden zunehmend unsanierte Objekte, bei denen hohe Investitionskosten drohen. Der sogenannte Brown Discount wird spürbar – je nach Objekt und Lage kann er bis zu 50 Prozent betragen.

Rechnen Sie mit einer spürbaren Belebung des Transaktionsmarkts?

Thomas Beyerle: Mit einer stark steigenden Transaktionsdynamik rechne ich nicht. Aber: Eine leichte Erholung im Verlauf des Jahres 2026 ist wahrscheinlich – vor allem im zweiten Halbjahr.

Die Rahmenbedingungen dafür sind vorhanden: Die Preisanpassung hat in vielen Bereichen stattgefunden, die Zinssituation stabilisiert sich, das Bid-Ask-Gap beginnt sich zu schließen und es gibt viel Kapital im Markt („Dry Powder“).

Dennoch bleibt das Umfeld anspruchsvoll: Riskante Assets werden weiterhin gemieden, Qualität bleibt der entscheidende Faktor. Ich erwarte also keinen Boom, aber einen leichten, kontinuierlichen Aufwärtstrend.

Wo sehen Sie derzeit die größten Zielkonflikte zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit?

Thomas Beyerle: Der größte Zielkonflikt zeigt sich bei Bestandsobjekten: Die Anforderungen der EU-Taxonomie, verschärfte GEG-Vorgaben und steigende ESG-Standards erfordern hohe Investitionen. Gleichzeitig lassen sich diese Ausgaben nicht kurzfristig über höhere Mieten oder Verkaufspreise kompensieren – insbesondere in schwächeren Lagen.

Auch im Neubau führen die Kosten für nachhaltige Materialien und Zertifizierungen oft dazu, dass Projekte wirtschaftlich nicht mehr darstellbar sind. Die regulatorischen Anforderungen kollidieren hier mit dem begrenzten Budget vieler Entwickler.

Langfristig zahlt sich Nachhaltigkeit aus – durch bessere Finanzierbarkeit, geringere Betriebskosten und höhere Marktgängigkeit. Aber kurzfristig stehen viele Akteure vor harten Abwägungen.

Ein spannender Nebenaspekt: Der Wohnungsmangel gepaart mit ESG-Auflagen könnte 2026 zu mehr Umnutzungen führen – etwa vom Büro- zum Wohnsegment. Das ist eine Chance für kreative Investoren mit Transformationskompetenz.

Das Gespräch führte Thorsten Schnug.

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zuletzt editiert am 18. Dezember 2025