Porträt Bushra Nadeem
Bushra Nadeem ist Founder und Managing Director von Artes Recruitment, einer auf die Bau- und Immobilienbranche spezialisierten Personalberatung. (Quelle: Artes Recruitment)

Digitalisierung 2025-11-07T12:07:02.543Z Fachkräftemangel trifft KI-Erwartung

Die Bau- und Immobilienwirtschaft sucht KI- und ESG-Expertise. Doch der Markt ist leergefegt. Bushra Nadeem von Artes Recruitment erläutert, wie Unternehmen sich trotzdem strategisch aufstellen.

Mit dem Infrastrukturpaket der Bundesregierung fließen Milliarden in Bau und Klimaschutz. Wird die Verfügbarkeit von KI-Experten zum limitierenden Faktor? Eines ist sicher: Das Paket ist ein Segen für die Bau- und Immobilienwirtschaft. Selbst wenn bislang noch völlig unklar ist, welche konkreten Projekte tatsächlich ins Leben gerufen werden und wer besonders profitiert – der Booster wird einer gebeutelten Branche helfen, nach Jahren des Aderlasses und der Stagnation wieder zu erstarken. Mit dem Öffnen des Geldhahns wird sich zugleich aber auch das Investitionstempo erhöhen und es stellt sich die Frage, ob der Markt dafür in Zeiten, in denen Künstliche Intelligenz mit Effizienzsteigerung gleichgesetzt wird, überhaupt gewappnet ist. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht den Fehler begehen, das Thema zu überbewerten und dem Hype blind zu folgen. Denn: Der Mangel an KI- und Digitalisierungsexperten ist zwar real, aber nur ein Teil der Herausforderung.

Schon jetzt ist der Aufschwung, den das Infrastruktur- und Klimapaket im Markt auslöst, spürbar. So besetzen Baufirmen und Generalunternehmer zum ersten Mal seit Jahren wieder vakante Positionen, richten neue Zweigniederlassungen ein und schaffen neue Geschäftsführerpositionen. Das bedeutet, man ist zuversichtlich und schafft die personellen Grundlagen für Aufträge, auch wenn sich diese noch nicht quantifizieren lassen. Auch Developer haben zuletzt begonnen, personell wieder aufzurüsten. Allerdings steht der Markt vor großen Herausforderungen. So sind die Entwicklungen der vergangenen Jahre nicht spurlos an den Unternehmen vorübergegangen, die gesamte Branche hat durch Entlassungen und Personalflucht rund 20 Prozent ihrer Workforce verloren, viele haben dem Sektor komplett den Rücken gekehrt. Unternehmen, die jetzt einstellen, sehen sich aber auch damit konfrontiert, dass in dieser Zeit der vergangenen Jahre viel Vertrauen in die Brüche gegangen ist. Potenzielle Bewerber prüfen heute besonders sorgfältig, welchem Arbeitgeber sie ihre Zukunft anvertrauen, bevor sie den Schritt zum Wechsel überhaupt in Betracht ziehen.

Das zentrale Problem ist aber der Fachkräftemangel, von dem die Bau- und Immobilienbranche gerade nach den vergangenen Jahren jetzt besonders hart betroffen ist. Viele Entscheider sind am Ende ihrer beruflichen Laufbahn, auf der anderen Seite wechseln rund die Hälfte der Azubis in der Baubranche nach ihrer Ausbildung in andere Sektoren. Laut einer aktuellen Umfrage des DIHK sehen rund zwei Drittel der Bauunternehmen den Mangel an Fachkräften als wirtschaftliches Risiko, das Verzögerungen im Bau und unkalkulierbare Kostensteigerungen zur Folge hat. Ein echter Hemmschuh für den Wirtschaftsmotor, der ja eigentlich angeworfen werden soll. Besonders benötigt werden Investment Manager, Projektentwickler, Akquisiteure, Business Developer und in der nächsten Phase auch wieder Asset und Property Manager im kaufmännischen wie technischen Bereich.

KI-Experten rar gesät

Besonders eng wird der Personalmarkt, wenn man Experten im Bereich KI betrachtet. Künstliche Intelligenz gilt als der neue Schlüssel zur Effizienzsteigerung in der Bau- und Immobilienbranche, etwa bei der Optimierung von Planungsprozessen, der Analyse von Bauplänen oder in der Verwaltung von Immobilienportfolios. Die Schwierigkeit liegt auch darin, dass Experten branchenübergreifend gesucht werden und Tausende Stellen unbesetzt sind. Im Bau- und Immobiliensektor kommt noch die Notwendigkeit von Cross-Kompetenzen hinzu. Und entsprechende Studiengänge, die beide Bereiche verbinden, fehlen bislang. Deshalb gibt es derzeit noch keinen absehbaren Personal-Boost, der auf entsprechende Uni-Absolventen zurückgeht. Weiterbildungsangebote der Branche konzentrieren sich derzeit noch hauptsächlich auf Nachhaltigkeitsthemen.

Thema im Markt ganz am Anfang

Allerdings darf der tatsächliche Bedarf aktuell auch noch nicht überschätzt werden. Wir sind hier ganz am Anfang, und man darf auch nicht vergessen, dass das Thema trotz des Hypes nicht neu ist, sondern in mancherlei Hinsicht nur einen neuen Namen hat. So treibt Proptech die Digitalisierung unserer Branche bereits seit rund 15 Jahren massiv voran. Aktuell loten viele Unternehmen deshalb zurecht erst einmal aus, welche Möglichkeiten für sie in dem Thema stecken und erst dann, wie und ob sie dem Thema auch jetzt schon personell einen besonderen Platz einräumen.

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Natürlich wird KI in der Office-Arbeit, bei der Erstellung von Präsentationen oder der Zusammenfassung von Meetings bereits genutzt, aber orchestrierte KI-Strategien von Unternehmen gibt es deshalb bislang eher selten. Auch, weil der innovative Durchbruch, der im Bau- und Immobilienmarkt jetzt alles verändert, bislang ausgeblieben ist. Und am Ende ist das Endprodukt – die Immobilie – immer noch analog. Das langfristige Potenzial von Künstlicher Intelligenz wird zwar erkannt, spielt aber jenseits öffentlichkeitswirksamer Diskussion auf LinkedIn in der täglichen Praxis keine nennenswerte Rolle.

Mehrwert von KI noch überschaubar

Ein Grund für die Zurückhaltung ist die Unsicherheit über den tatsächlichen Mehrwert von KI. Während bereits einige Unternehmen Pilotprojekte starten – etwa zur Nutzung von KI in der Bauplanung oder für prädiktive Wartung – bleiben viele skeptisch, ob die Investitionen in KI-Technologien kurzfristig rentabel sind. Zudem ist die Branche stark von traditionellen Prozessen geprägt, und die Integration neuer Technologien erfordert einen Kulturwandel.

Unternehmen, die KI schon heute erfolgreich einsetzen, wie etwa Großkonzerne mit eigenen Innovationsabteilungen, sind rar gesät. Projektentwickler, die oft mit begrenzten Ressourcen arbeiten, setzen bislang eher auf bewährte Methoden und externe Berater, statt eigene KI-Kompetenzen aufzubauen. Und letztlich stellt sich auch die Frage, ob – angefeuert durch Medienberichterstattung und Branchenevents – der Einfluss von KI auf die Bau- und Immobilienbranche wirklich schon so weitreichend ist. Oft wird zwar eine rasche Transformation suggeriert, in Wirklichkeit dauert die Implementierung aber und die Umsetzung erfordert hohe Investitionen und eben entsprechend qualifiziertes Personal.

ESG-Manager – ein weiterer Engpass

Die Entwicklung wird also eher Marathon als Sprint, ähnlich, wie man das im Bereich ESG (Environmental Social Governance) in den vergangenen Jahren auch schon beobachtet hat. Auch hier wird sich der Druck auf den Arbeitsmarkt durch das Infrastrukturpaket, das auch dem Klimaschutz dient, stark erhöhen. Echte ESG-Spezialisten mit praktischer Erfahrung sind bislang aber rar. Zwar gibt es mittlerweile diverse Studiengänge und Weiterbildungen, umfassende Expertise wird aber oft vergeblich gesucht. Zudem erschwert die uneinheitliche Definition verschiedener ESG-Rollen die Rekrutierung. Wenn wir mit Unternehmen sprechen, wird deshalb zunächst ganz klar definiert, welches Ziel mit der neuen Position verfolgt wird, damit wir uns zielgerichtet auf die Suche begeben können.

Um personelle Lücken – ganz gleich ob bei Künstlicher Intelligenz, ESG oder in anderen Bereichen – zu schließen, setzen Unternehmen auf verschiedene Ansätze. Die einen versuchen, eigene Teams durch Neueinstellungen aufzubauen, was sich auf lange Sicht auszahlen kann, wenn man als Unternehmen genau weiß, wohin man will. Eine andere Möglichkeit, sich auf den Wandel einzustellen, ist die interne Umwidmung oder Weiterentwicklung von Jobprofilen mit eigenen Leuten. Eine weitere Alternative dazu ist die Zusammenarbeit mit Interim Managern, die Skills und Passgenauigkeit auf Zeit mitbringen.

Mensch im Mittelpunkt

Bei allem Fokus auf die Disziplinen der Zukunft hängt die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen aber in erster Linie von den Menschen ab, die dort wirken. Werteorientierte Führungskräfte, die menschlich agieren und Personal entwickeln können, sind heute entscheidend. Während die klassischen Alphatiere immer weniger zu modernen Unternehmen mit klaren Strukturen aber kollaborativer Kultur passen, sind heute Leader gefragt, die vereinen und begeistern. Die Bau- und Immobilienbranche ist People Business: Teams, die nach Werten handeln und attraktiv für die nachrückenden Generationen sind, machen den Unterschied.

Das Infrastrukturpaket der Bundesregierung bietet der Bau- und Immobilienbranche fraglos große Chancen, stellt sie jedoch vor personelle Herausforderungen. Dennoch ist gerade jetzt die richtige Zeit, um sich personell zu verstärken. Der Markt bietet, jenseits von stark gefragten KI- und ESG-Spezialisten, genau jetzt gute Chancen, die richtigen Mitarbeitenden zu finden. Darüber hinaus sollten die Unternehmen aber die Investitionswelle nutzen, sich für die Zukunft gut aufzustellen, in Weiterbildung, flexible Rekrutierung und last, but not least in eine moderne Unternehmenskultur investieren. Bei aller Unsicherheit, welche Rolle die technische Entwicklung künftig spielen mag und wie stark sie sich auf das eigene Unternehmen auswirkt: Wer sich jetzt nicht damit beschäftigt, läuft Gefahr, den Zug zu verpassen. Wenn dies alle beherzigen, können wir am Ende gestärkt aus den schwierigen Jahren herausgehen und vom Infrastrukturpaket buchstäblich profitieren.

Ein Beitrag von Bushra Nadeem, Founder und Managing Director von Artes Recruitment.

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zuletzt editiert am 07. November 2025