Porträtfoto von Iris Schöberl
Iris Schöberl ist Managing Director & Head of Institutional Clients Germany bei Columbia Threadneedle Real Estate Partners. (Quelle: ZIA)

Standorte & Märkte 2023-08-21T09:09:09.827Z "Einzelhandel wird sich schneller erholen als andere Segmente"

Wie steht es um Einzelhandelsimmobilien in Deutschland? Wir haben bei Iris Schöberl von CT Real Estate Partners nachgefragt.

Frau Schöberl, bei Columbia Threadneedle Real Estate Partners arbeiten Sie mit einer unternehmenseigenen Datenbank zur Auswertung der Nettoankaufsfaktoren. Diese hat für Einzelhandelsimmobilien in Deutschland ergeben, dass die Faktoren einen Boden erreicht haben und sich sogar leicht erholen. Bisher haben ja nur wenige Transaktionen stattgefunden. Wie aussagekräftig sind die Zahlen für 2023?

Iris Schöberl: Das kommt darauf an, wozu man die Zahlen braucht. Es handelt sich ja um Angebotspreise, nicht um tatsächliche Kaufpreise. Als Indikator finden wir unsere Auswertung sehr hilfreich, weil wir sehen, dass die Preiserwartung am Markt zurückgeht, und zwar nicht nur die Durchschnittspreise über alle Angebote hinweg, sondern auch die Preiserwartung bei bestimmten Immobilien, die zum zweiten oder dritten Mal bei uns auf dem Tisch landen. Der Trend ist seit Sommer 2022 rückläufig, vom Faktor 25,5 im August 2022 auf 17,0 im April 2023. Seither ziehen die Angebotspreise wieder leicht an. Was uns die Auswertung nicht verrät, sind die tatsächlichen Verkaufspreise oder das Transaktionsvolumen. Aber die Zahlen gibt es ja von anderen Anbietern am Markt.

Wenn wir nur auf die Highstreet-Lagen blicken: Welche Entwicklung erwarten Sie für die kommenden zwölf Monate?

Iris Schöberl: Ich bin da recht positiv gestimmt. In den A-Lagen der großen Städte hat es in letzter Zeit wieder Neuvermietungen gegeben und wir sehen eine steigende Nachfrage nach guten Flächen. Daher denke ich, dass das Tal der Tränen in diesem Segment nun hinter uns liegt. Bei den Mietern könnte es im Retail-Segment zwar noch einige Insolvenzen geben, aber das wird eher kleinere Anbieter treffen, nicht mehr so große Firmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, Peek & Cloppenburg oder Görtz.

Und wie sieht es mit anderen Einzelhandelslagen aus?

Iris Schöberl: Außerhalb der Top-Lagen werden Objekte schwerer zu vermieten sein, das wird den Wert dieser Immobilien stark drücken. Dazu kommt, dass wir in den letzten Jahren eine zunehmende Kompression von A-Lagen gesehen haben. Objekte an den ausgefransten Enden der Highstreet werden zunehmend Probleme bekommen.

Nur die Nutzungsart Supermärkte würde ich davon ausnehmen, die haben sich durch die letzten Jahre sehr stabil gezeigt und werden auch weiter gut nachgefragt.

Gerry Weber schließt rund zwei Drittel seiner Läden, Görtz die Hälfte seiner Filialen, und es gäbe noch mehr Beispiele. Wie sinnvoll ist es, als Vermieter auf den Modebereich zu setzen? 

Iris Schöberl: Das Segment Mode ist weiterhin essenziell für die Attraktivität der Highstreet, es ist der wichtigste Faktor, der die Menschen in die Innenstädte lockt. Wir untersuchen den Einzelhandelsmix in ausgewählten Städten seit Jahren in unserem Highstreet Report und sehen, dass die Nachfrage von Mode-Filialisten während und nach der Covid-Pandemie insgesamt stabil geblieben ist. Allerdings wird die Mikrolage wichtiger werden.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den aktuellen Befunden für Ihr eigenes Bestandsportfolio im Einzelhandelssegment?

Iris Schöberl: Erstmal bestätigt es die drei Erfolgsfaktoren für Einzelhandelsimmobilien: Lage, Mikrolage und eine positive Stadtentwicklung. Das prüfen wir vor jedem Ankauf und das beobachten wir auch über die Haltedauer unserer Immobilien. Werde ich jetzt die Struktur meines Bestandsportfolios ändern? Nein, das mache ich nicht, wir haben ja gut eingekauft und auch keinen Druck, uns von Objekten zu trennen. Aber ich denke natürlich darüber nach, was ich verkaufen könnte und wo ich für unsere Kunden Gewinne realisieren kann, wenn die Märkte wieder anziehen.

Wie machen Sie Ihre Bestände fit für ESG-Anforderungen?

Iris Schöberl: Wir konzentrieren uns aktuell vor allem auf die Objekte, die durch eine ökologische Ertüchtigung am stärksten profitieren, und auf die CO2-Reduktion, das ist derzeit unsere wichtigste Messgröße. Neben den üblichen Sanierungsmaßnahmen lassen sich auch durch gezielte Investments, zum Beispiel in eine bessere Steuerung der Haustechnik wie der Aufzüge oder der Lüftung, weitere Verbesserungen erreichen. Hier gibt es einige innovative Proptech-Unternehmen, die sehr gute Lösungen anbieten. Und wir sind dabei, überhaupt erst einmal die relevanten Daten zu erheben, auszuwerten und zu entwickeln, wo wir stehen und wohin sich die Immobilie entwickeln könnte. Wir rechnen im Schnitt mit bis zu drei Jahren pro Objekt, bis wir überhaupt eine valide Datengrundlage für eine sinnvolle Planung haben.

Welche Möglichkeiten zur Umnutzung von Einzelhandelsobjekten ziehen Sie in Betracht für Ihre eigenen Bestände?

Iris Schöberl: Wir setzen vor allem auf mehr Mixed-Use, also Büros, Sportstudios und auch Arztpraxen in den Obergeschossen. Aber auch ein Hotel kann eine spannende Option für eine Highstreet-Immobilie sein, das Segment erholt sich nach der Pandemie sehr gut. In jedem Fall sind aber erhebliche Umbauten notwendig. Und aufgrund der hohen Anforderungen lässt sich Wohnen als Nutzungsform im Bestand nur sehr schwer nachträglich realisieren. Für Neubauten würden wir das aber immer mit empfehlen.

Von welcher Art von Objekten werden Sie sich trennen?

Iris Schöberl: Ich kann hier derzeit keine konkreten Objekte nennen, aber es gibt zwei gute Gründe, sich von bestimmten Immobilien zu trennen. Zum einen sind dies Fonds mit begrenzter Laufzeit, hier ist der Verkauf der Objekte eingeplant. Und zum anderen trennen wir uns von Immobilien, bei denen wir kein Potenzial auf eine weitere Aufwertung durch gutes Asset-Management sehen.

Worauf blicken Sie künftig verstärkt bei Ankäufen?

Iris Schöberl: Als Asset-Manager muss ich wissen, was meine Investoren spannend finden. Wofür bekomme ich Geld? Bei den Nutzungsarten ist das aktuell das Segment Wohnen, hier sehen wir gesunkene Kaufpreise, steigende Mieten und eine stabile bis wachsende Nachfrage mit konjunkturunabhängigem Cashflow. Und wir glauben an gute Einzelhandelsimmobilien in Top-Lagen der Wachstumsstädte. Bei den Kriterien würde ich sagen: die Mikrolage, eine Nutzungsmischung im Gebäude und auf jeden Fall der ESG-Zustand des Objekts.

Zum Thema Bewertung von Einzelhandelsimmobilien: Fünf bis sechs Prozent Abwertung im Vergleich von 2022 und 2023 sind keine Seltenheit. Wie stark betrifft das Ihre Bestände?

Iris Schöberl: Wir liegen mit unserem Portfolio ziemlich genau in diesem Bereich.

Wie ist Ihr Ausblick generell bei der Bewertung von Einzelhandelsimmobilien? 

Iris Schöberl: Ich glaube, dass der Einzelhandel sich schneller wieder erholen wird als andere Segmente. Und zum Teil sehen wir das ja bereits, zum Beispiel bei steigenden Mieten in den Top-Lagen der großen Städte.

Unter welchen Voraussetzungen können Einzelhandelsimmobilien resiliente Investments sein?

Iris Schöberl: Wenn die Mikrolage stimmt, denn Premium-Lagen sind systemrelevant für eine lebenswerte Stadt und nicht beliebig vermehrbar. Wenn das Objekt eine Mixed-Use-Immobilie ist oder sich dazu entwickeln lässt. Und wenn die Immobilie an die Fernwärme angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann. Das ist der derzeit beste Weg zu einem guten ESG-Rating.

Welchen Beitrag können Immobilieneigentümer dazu leisten?

Iris Schöberl: Wichtig ist, sich an die Marktsituation anzupassen und vorübergehend auch einmal niedrigere Mieten zu akzeptieren. Leerstand ist immer die schlechteste Option, weil sie dem Cashflow, dem Objekt und dem gesamten Umfeld schadet. Und ansonsten: gelassen bleiben. Immobilien haben die letzten zehn Jahre mit ihrer guten Performance die liquiden Assets im Portfolio gestützt. Jetzt sind wir wieder in einer Phase, wo die liquiden Assets besser laufen, das ist Teil eines ausgewogenen Portfolios.

Und was muss eine Kommune tun?

Iris Schöberl: Aus ESG-Sicht ist die drängendste Herausforderung ein ordentliches Wärmekonzept und die Umstellung auf mehr erneuerbare Energien auch in der Fernwärme. Darüber hinaus ist die Kommune verantwortlich für die Gestaltung eines attraktiven öffentlichen Raums. In der Innenstadt also mindestens: sauber, sicher und hell. Und ein Abbau von unnötiger Regulierung würde uns helfen, Immobilien schneller auf neue Kundenwünsche umzurüsten. Langwierige Genehmigungsprozesse für die Umnutzung von Flächen helfen niemandem und sind ein echter Hemmschuh.

Das Gespräch führte Roswitha Loibl.

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zuletzt editiert am 21. August 2023