Ein Finger zeigt auf ein digitales Dokument mit einem grünen Haken auf einem Laptop-Bildschirm.
Durchgängig digitale Prozesse mit KI könnten zum echten „Bau-Turbo“ werden. (Quelle: saifulasmee chede/iStockphoto)

Digitalisierung 2025-08-29T10:50:18.866Z Digitale Bauanträge in Zeiten von KI

Warum wir bei Baugenehmigungen keinen weiteren Optimierungsschritt, sondern einen grundlegenden Prozessmusterwechsel brauchen. Von Nikolas Müller

Die Immobilienprojektentwicklung zieht langsam wieder an. Das ist ein gutes Zeichen. Doch was passiert, wenn der Markt wieder so richtig anziehen will, aber die Baurechtschaffung ein wesentlich limitierender Faktor bleibt? Mit dem Ziel, Wohnungsbauvorhaben zu erleichtern und zu beschleunigen, hat die Bundesregierung jüngst den Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung (Bau-Turbo) verabschiedet.

Damit folgt sie auch dem Ansinnen aus dem Koalitionsvertrag „[…] auf dem Weg zur Planungs- und Baubeschleunigung mutige Wege gehen“ (Koalitionsvertrag, 2025). So mutig dieses Gesetz auch ist – des Pudels Kern der Planungsbeschleunigung bleibt unangetastet: der Prozess selbst.

Auf dem Stand des vergangenen Jahrhunderts

Grundsätzlich erfolgt die Prüfung eines Bauantrags auch im Zeitalter des digitalen Bauantrags wie im vergangenen Jahrhundert – nur inzwischen nicht mehr auf Papier, sondern per PDF (zumindest in einigen Kommunen). Der Antrag wird bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde eingereicht und muss sämtliche erforderlichen Bauvorlagen sowie Nachweise zur Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften enthalten.

Nach Eingang erfolgt zunächst eine Vollständigkeitsprüfung gemäß Verwaltungsverfahrensgesetz. Dieses sieht ausdrücklich vor, dass Behörden erst dann mit der Sachprüfung beginnen, wenn alle erforderlichen Unterlagen vollständig eingereicht sind.

Porträtbild Nikolas Müller
Nikolas Müller (Quelle: Malte Grüner/EBS)

In der Praxis werden jedoch regelmäßig Unterlagen nachgefordert, was jedes Mal eine neue Vollständigkeitsprüfung auslöst und die Frist entsprechend neu starten lässt. Hier zeigt sich das zentrale Spannungsfeld: Während Behörden betonen, dass sie Bauanträge in der Mehrzahl der Fälle fristgerecht bearbeiten, verweisen Projektentwickler auf die lange Gesamtdauer ab dem Zeitpunkt der ersten Einreichung. Erst bei Vorliegen aller Unterlagen beginnt die eigentliche inhaltliche Prüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem geltenden Planungs- und Bauordnungsrecht. Liegen keine Hinderungsgründe vor, wird die Genehmigung schriftlich erteilt. Die gesetzliche Entscheidungsfrist beträgt in der Regel drei Monate, kann jedoch bei unvollständigen Unterlagen oder komplexen Vorhaben verlängert werden.

Auch im Rahmen beschleunigter Verfahren – etwa im Kontext des Bau-Turbos – bleibt das Verwaltungsverfahrensgesetz maßgeblich, wenngleich die Frist theoretisch verkürzt wird. Ein zentrales Hemmnis für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren liegt jedoch nicht am politischen Willen, sondern an der angespannten Personalsituation vieler Bau- und Verwaltungsbehörden. Laut dem Deutschen Beamtenbund (dbb) beträgt der aktuelle Personalbedarf in den Kommunalverwaltungen – zu denen auch die Bauaufsichtsämter zählen – mehr als 100.000 zusätzliche Beschäftigte (Stand 2024).

Und ja, auch die Verwaltung hat Recht: Nicht jeder Bauantrag ist bei Einreichung vollständig oder regelkonform. Dennoch lässt sich feststellen, dass die Dauer und Ineffizienz vieler Baugenehmigungsprozesse im Wesentlichen auf drei eng miteinander verflochtene strukturelle Faktoren im Bereich der Governance zurückzuführen sind: ein unvollendeter Digitalisierungsprozess, veraltete und bislang nicht reformierte Verfahrenslogiken sowie eine chronisch unterbesetzte Verwaltung.

Eine Option: die parallele Systemprüfung

Aktuell haben wir es mit einem auf mehreren Ebenen zeitlich ineffizienten Prozess zu tun: einer strukturellen und seriellen (analogen) Doppelschleife. Denn Architekten und Ingenieure greifen zu Beginn der Planung bereits auf digitale Liegenschaftskarten und – manchmal auch – digitalisierte Bebauungspläne zu, überführen diese in eigene Systeme und modellieren lokal in CAD- oder BIM-Systemen ihre Entwürfe – inklusive eigener Vorprüfung zur Genehmigungsfähigkeit als Teilleistung der HOAI. Der Planer simuliert daher die Genehmigungsfähigkeit bereits lokal im digitalen Raum, während die Behörde erst mit erheblicher Verzögerung – und erneut – eine Prüfung vornimmt.

Andererseits arbeiten viele Kommunen heute bereits an digitalen Zwillingen ihrer Städte, entwickeln (oder nutzen öffentliche) 3D-Stadtmodelle, setzen auf XPlan sowie teilweise offene Standards und GIS-Schnittstellen. Dabei stehen längst Technologien zur Verfügung, um zentrale Prüfbereiche digital zu synchronisieren und regelbasiert über Mustererkennung automatisiert zu prüfen: Abstandsflächen, Geschossflächenzahlen, Stellplatznachweise, Brandschutzvorgaben, Verschattungsanalysen, energetische Anforderungen, Flächenversiegelung, Erschließungen, Sichtachsen, Barrierefreiheit oder Nutzungskonflikte im Rahmen der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind nur einige der unmittelbar prüfbaren Kriterien. Doch hier sind keine Grenzen gesetzt.

Wäre nun das Planungssystem des Architekten unmittelbar mit einem um baurechtliche Erfordernisse erweiterten digitalen Zwilling der jeweiligen Kommune gekoppelt, ließe sich eine kontinuierliche, automatisierte Echtzeitprüfung implementieren. Abweichungen vom Planungsrecht würden direkt im CAD/BIM-Modell angezeigt – ohne aufwendige Zwischenschritte, lange Rückläufe oder personelle Engpässe in den Behörden. Eine solche parallele Prüfung würde nicht nur die Planungszeiträume massiv verkürzen, sondern auch die Qualität sowohl der Planungen als auch der bürokratischen (also entpersonalisierten) Prüfung signifikant erhöhen.

Wir stünden in diesem Fall vor einem echten Prozessmusterwechsel – weg vom sequentiellen, im besten Fall bereits PDF-basierten Verfahren, hin zu einer intelligenten, systemgestützten Mustererkennung und Genehmigungssimulation – und könnten dabei zugleich die Effizienz der Behörden steigern. Die Fortschritte im Bereich semantischer KI und regelbasierter Logiksysteme machen einen solchen Prozess heute längst realisierbar, auch im Hinblick auf verschiedene Landesbauordnungen. In der Breite kann ein solches System gerade auch und insbesondere kleineren Bauaufsichtsbehörden die Möglichkeit bieten, trotz Personalengpässen effizient, rechtssicher und serviceorientiert zu agieren – und damit die Ziele eines echten „Bau-Turbos“ erstmals strukturell abzusichern.

Vorteile der Bürokratie schätzen

Die Bürokratie, oft als hinderlich empfunden, entstand ursprünglich mit einem ehrenwerten Ziel: Subjektivität zu begrenzen, Gleichbehandlung zu gewährleisten und Verfahren rechtssicher zu gestalten. Vor diesem Hintergrund birgt ein automatisierter parallel laufender Genehmigungsprozess, der auf automatisierter Mustererkennung basiert und mit Künstlicher Intelligenz beziehungsweise Large Language Models (LLMs) kombiniert wird, ein erhebliches Potenzial für die Volkswirtschaft. Durch verlässliche Bearbeitungszeiten ließen sich Planungs- und Gestehungskosten signifikant senken, Investitionsentscheidungen würden an Sicherheit gewinnen, und ein durchgängiger Übergang von Entwurfs- zu Ausführungsplanung ohne Leerlauf wäre denkbar.

Inwiefern damit die Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung) neu zu denken oder gar obsolet würde, ist fachlich weiterhin diskussionswürdig. Klar ist: Ein digitalisierter, automatisierter und insbesondere parallel geführter Bauantrags/-genehmigungsprozess (GIS, XPlan, BIM) steigert nicht nur die zeitliche Effizienz auf Verwaltungs- und Entwicklerseite, sondern wirkt sich bei konstanten Renditeerwartungen kostenreduzierend auf die Mieten neu entstehender Gebäude aus.

Mut und Pragmatismus für den Standort Deutschland

Voraussetzung dafür ist ein klarer politischer Gestaltungswille, verbunden mit der Bereitschaft, bestehende Strukturen zu durchbrechen und systemisch neu zu denken, also konkret: Technologien für die zur Planung parallel laufende Prüfung einzusetzen und dafür auch das Verwaltungsverfahrensgesetz zu novellieren. Dann kann ein „Bau-Turbo“ noch in dieser Legislaturperiode Realität werden – auch für den Nicht-Wohnungsbau.

Ein Weg könnte über ein Stiftungsmodell führen: eine gemeinwohlorientierte, technologieoffene Institution, getragen von einem Aufsichtsrat aus Vertretern der öffentlichen Hand, der Bauverwaltung, Politik, Wissenschaft und relevanten Verbänden. Finanziert durch Bundesmittel, könnte sie – etwa in Form eines zielgerichteten „öffentlichen Hackathons“ – konkrete digitale Werkzeuge zur Automatisierung der Bauantragsprüfung und auch Bauleitplanung entwickeln und pilotieren. Die Mittel dafür stehen in verschiedenen Bundesprogrammen längst zur Verfügung, wenn sie klug umgewidmet würden. Der Staat würde bei der Umsetzung nicht nur mittelfristig massiv (Personal)-Kosten sparen, sondern ein Innovationssignal für den Standort Deutschland senden: heraus aus der kafkaesken Bürokratie, hinein in eine resiliente, digitale und schnelle Verwaltung des 21. Jahrhunderts – auch im Sinne der Demokratie.  

Ein Beitrag von Nikolas Müller, Leiter des Real Estate Management Institute an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Co-Funder Livable Places.

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zuletzt editiert am 29. August 2025