Künstliche Intelligenz dreht die Branche auf links – und das ist auch gut so, findet Nikolas Samios.
KI ist das Buzzword der Stunde, doch hinter dem Hype steckt eine Technologie, die sich mit einer solchen Geschwindigkeit weiterentwickelt, dass selbst Tech-Profis kaum Schritt halten können. Und genau deshalb müssen wir darüber sprechen. Denn die Auswirkungen auf die Immobilienwelt sind nicht abstrakt, sondern konkret, messbar und vor allem: investierbar. Für Immobilienentscheider ist es jetzt entscheidend, KI im Kerngeschäft zu adaptieren. Diejenigen, die das verpassen, werden mittelfristig Gefahr laufen, aus dem Markt zu fallen. Warum?
Mehr als ChatGPT: KI gehört bald zur grundlegenden Infrastruktur
Kurz back to the basics: Bei KI geht es um Systeme, die aus großen Datenmengen Muster erkennen, Zusammenhänge ableiten, Entscheidungen vorbereiten und Aufgaben automatisiert erledigen können. Das Spektrum reicht von einfachen Klassifizierungen bis hin zu sogenannten generativen KI-Systemen, die eigenständig Texte, Bilder oder sogar Planungsmodelle erstellen.
Der größte Sprung der vergangenen Jahre liegt in der Kombination aus Leistungsfähigkeit und Zugänglichkeit. KI ist kein Spezialisten-Werkzeug mehr, sondern wird zur Basistechnologie – vergleichbar mit dem Internet Anfang der 2000er. Damals wurde aus „diesem neuen Netzwerk“ plötzlich ein Muss für jeden Geschäftszweig. Genau an diesem Punkt steht KI heute: Sie ist nicht mehr nur ein Software-Feature, sondern die Grundlage ganzer Wertschöpfungsketten.
Was macht das so beeindruckend?
Entwicklungstempo: KI-Modelle verdoppeln ihre Fähigkeiten aktuell alle sechs bis neun Monate. Und das ist keine Marketingfloskel. GPT-4 zum Beispiel war zehnmal leistungsfähiger als GPT-3.5. Der Sprung von GPT-4 zu GPT-5 ist noch einmal größer und liefert ein deutlich besseres Verständnis komplexer Aufgaben, eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit in Echtzeit und multimodalen Fähigkeiten. Wir reden hier von Technologie, die es innerhalb von kürzester Zeit gelernt hat, Sprache, Bilder und Videos zu verarbeiten und zu erzeugen, Code zu schreiben und ganze Softwaremodule zu bauen, Sensordaten auszulesen und zu interpretieren und sogar bei komplexen Planungsprozessen zu unterstützen.
Breitenwirkung: KI ist nicht mehr nur Tool, sondern Infrastruktur. Wer heute eine CRM-Software, ein Asset-Management-Tool oder eine Planungssoftware neu aufsetzt, geht nicht mehr ohne native KI-Integration an den Start. Die Erwartungen an Automatisierung und Vorschlagslogik sind bereits Standard. Das ist nicht die Zukunft, das ist bereits Gegenwart.
Politische Relevanz: Auch die Politik hat verstanden, dass Europa aufholen muss. Mit der Invest-AI-Initiative der EU sollen über 200 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Mitteln mobilisiert werden, um KI-Infrastruktur und KI-getriebene Geschäftsmodelle in Europa zu fördern. Warum? Weil die geopolitische Uhr tickt und wir sonst den Anschluss verlieren. Wer also glaubt, das Thema sei noch eine Spielwiese einzelner Tech-Start-ups, wird in den nächsten Monaten eines Besseren belehrt.
Wie KI die Immobilien-Wertschöpfungskette verändert
Alle Teile der Immobilienwertschöpfungskette werden gerade mit KI auf links gezogen – von der ersten Kundenanfrage bis zur finalen Planung und Instandhaltung. Angefangen beim Asset-Management führt nichts mehr am strukturierten, automatisierten Umgang mit Daten vorbei. Einige Beispiele:
Architrave: Wird die Software der bessere Immobilienmanager?
Architrave nutzt KI, um aus dem historischen wie alltäglichen Dokumentenchaos klare, strukturierte Daten zu ziehen. Die KI schaut sich in kürzester Zeit 75 Datenpunkte pro Dokument an, inklusive Flächen, Mietbeginn, Vertragslaufzeiten und Ähnlichem, und strukturiert diese Daten. Dabei liegt die Genauigkeit bei nahezu 100 Prozent, was einen enormen Qualitätsgewinn darstellt.
Architrave erfasst für viele Portfolios auch automatisiert Energieverbräuche – von Strom bis Öl – und macht die tatsächliche Zählerarchitektur transparent. So erhalten Asset-Manager ein verlässliches Bild des Energiemixes, was für ESG-Berichte essenziell ist. Asset-Managern wird bis zu 30 Prozent Zeit erspart. Zeit durch automatisiertes Dokumentenmanagement, vermeiden Preisabschläge bei Transaktionen und haben endlich belastbare Energie- und Vertragsdaten, um fundierte Steuerungsentscheidungen zu treffen.
AskVinny: Wenn die KI nicht nur unterstützt, sondern übernimmt
Die britische Plattform AskVinny automatisiert das komplette operative Property Management. Im Zentrum steht ein intelligenter Chatbot, der auf Large Language Models basiert und über API-Schnittstellen mit Buchungs-, Wartungs- und CRM-Systemen verbunden ist. Bewerber werden automatisiert vorqualifiziert, Besichtigungstermine direkt gebucht, Wartungsaufträge erkannt, delegiert und verfolgt. Der gesamte Kommunikationsfluss läuft über Vinny: per Chat, E-Mail oder WhatsApp. Dabei versteht die KI nicht nur Anfragen, sondern handelt eigenständig und lernt kontinuierlich aus dem Nutzerverhalten und Feedback.
Das führt zu radikalen Effekten in der Praxis: Bei einem Londoner Immobilienunternehmen mit mehr als 1.000 Einheiten übernahm AskVinny innerhalb weniger Wochen 80 Prozent aller Interaktionen mit Mietern und Dienstleistern. Das vierköpfige Team, das vorher für den operativen Betrieb zuständig war, wurde komplett in den Vertrieb versetzt, weil Vinny den Rest erledigte. Die Reaktionszeiten sanken von Tagen auf Sekunden, die Kundenbewertungen stiegen signifikant und ganz nebenbei wurden über 200.000 Pfund Betriebskosten eingespart.

Gendo AI: Aus Wochen werden Sekunden – und ein ganzes Berufsbild steht auf dem Prüfstand
Wenn man in der Architektur ein fotorealistisches Rendering im Marketing-Prozess zeigen wollte, dann war das bis vor Kurzem ein externer, teurer und vor allem langsamer Prozess. Gendo AI hat genau diesen Prozess neu gedacht und ersetzt nicht nur ein Tool, sondern ein ganzes Teilgewerk der Branche. Statt eines komplexen Render-Prozesses auf Basis physikalischer Lichtmodelle läuft alles in wenigen Sekunden direkt im Browser. Die Architektin oder der Projektentwickler lädt einen Grundriss oder eine Skizze hoch und generiert innerhalb von 30 Sekunden ein fotorealistisches, veränderbares 3D-Bild, inklusive Optionen zur Materialauswahl, zur Fassadengestaltung und zu verschiedenen Tageslichtszenarien. Was Gendo AI so bemerkenswert macht, ist nicht nur die immense Effizienzsteigerung. Es ist die komplette Umkehr des Workflows: vom Outsourcing zurück ins Team.
Wer jetzt nicht handelt verliert
Die eigentliche Disruption durch KI besteht nicht darin, dass neue Tools verfügbar sind, sondern darin, was passiert, wenn man sich ihnen verweigert. Denn eines ist sicher: Wer als Immobilienakteur heute noch glaubt, mit manuellen Prozessen und klassischem “So haben wir das immer gemacht” Schritt halten zu können, wird von Wettbewerbern überholt, die dieselben Projekte schneller, günstiger und datenbasiert umsetzen.
Der Real-Estate-Sektor ist von Natur aus getrieben von Kapitaleffizienz. Das heißt: Wer seine Prozesse nicht beschleunigt, verliert Rendite. Punkt. KI ist deshalb keine nette Spielerei, sondern notwendige Infrastruktur. Auch als Antwort auf den akuten Fachkräftemangel im White-Collar-Bereich. Es geht nicht darum, 90 Prozent der Leute zu entlassen und die gleichen Resultate wie vorher zu erzielen. Es geht darum, mit 100 Prozent der Leute 1.000 Prozent Output zu erreichen und somit der Konkurrenz zu enteilen.
Aber dafür braucht es Kompetenzen. Genauso wie es in den 1980ern nicht reichte, einen „EDV-Leiter” einzustellen, reicht es heute nicht, irgendeinen „AI-Beauftragten” in die Orga zu hängen. KI muss in den operativen Kern. Wer das nicht versteht, läuft Gefahr, als analoger Dinosaurier in einer digitalen Welt zu enden.
Und hier kommt der eigentliche Clou: Man kann nicht nur durch Anwendung profitieren, sondern auch durch Beteiligung. Wer heute in solche Fonds investiert, beteiligt sich an den rasant wachsenden KI-Champions von morgen – also an jenen, die passgenaue Lösungen für diese Branche bauen.