Eine neue Studie zeigt: Die Branche reagiert kaum auf den digitalen Veränderungsdruck. Investitionen und Qualifizierung bleiben aus.
Trotz steigender Anforderungen an Effizienz, Transparenz und Innovationsfähigkeit kommt die Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft kaum voran. Laut der aktuellen Studie „Transform to Succeed“ des Beratungsunternehmens Drees & Sommer und des IIWM Instituts der TH Aschaffenburg liegt der digitale Reifegrad der Branche derzeit bei 3,43 von fünf möglichen Punkten – ein minimaler Anstieg gegenüber dem Vorjahr (3,37).
Für die Untersuchung wurden 120 Fach- und Führungskräfte aus unterschiedlichen Segmenten der Branche befragt. Das Fazit: Viele Unternehmen verkennen das Potenzial digitaler Lösungen, scheuen Investitionen und versäumen den Kompetenzaufbau – mit spürbaren Folgen für ihre Innovationskraft.
Digitalisierung als Sparposten
Besonders auffällig ist die sinkende Investitionsbereitschaft: Während im Vorjahr noch 19 Prozent der Befragten mehr als ein Fünftel ihres Umsatzes in digitale Projekte investierten, sind es aktuell nur noch sieben Prozent. Für Prof. Dr. Verena Rock, Studienleiterin an der TH Aschaffenburg, ein alarmierendes Signal: „Gerade in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen, etwa im Bereich Künstliche Intelligenz, sind rückläufige Investitionen ein alarmierendes Signal.“
Auch in Sachen Qualifizierung zeigt sich ein Rückschritt. Nur noch 35 Prozent der Befragten bewerten das digitale Fachwissen im eigenen Unternehmen als ausreichend – ein Rückgang um zehn Prozentpunkte. Etwa ein Viertel bietet gar keine Weiterbildungsformate an. Interaktive Präsenzformate, die laut Studie besonders effektiv sind, bleiben die Ausnahme. Zudem werde der Weiterbildungsbedarf von Führungskräften häufig unterschätzt.
Reifegradmodell zeigt strukturelle Defizite
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht ein eigens entwickeltes Reifegradmodell, das den digitalen Fortschritt anhand von 27 Kriterien in den Kategorien Strategie, Digitalisierung und Transformation bewertet. Während Transformation mit einem Wert von 4,00 vergleichsweise gut abschneidet, bleiben die Kategorien Strategie (3,00) und Digitalisierung (3,22) deutlich zurück. Für Prof. Dr. Rock ist klar: „Viele Unternehmen wissen, dass sie handeln müssen, aber es fehlt an Struktur, Investitionsbereitschaft und konsequenter Umsetzung. Technologien wie Predictive Analytics oder Prozessautomatisierung kommen bislang kaum zur Anwendung.“ Zudem mangele es an strukturellen Voraussetzungen, Investitionsbereitschaft und Expertise.
Zwar geben 80 Prozent der Befragten an, offen für Veränderungen zu sein, doch nur ein Drittel erkennt diese Haltung auch im eigenen Unternehmen. Lediglich 15 Prozent bestätigen, dass digitale Technologien vollständig in den Arbeitsalltag integriert sind. „Die Branche steckt nach wie vor in einer ‚Stuck Position‘ – irgendwo zwischen ehrgeiziger Vision und zögerlicher Umsetzung“, erklärt Dr. Chris Richter von Drees & Sommer.
Laut Studie gibt es jedoch klare Erfolgsfaktoren. Unternehmen mit einer gelebten Innovationskultur schneiden beim digitalen Reifegrad signifikant besser ab. Sie setzen eher auf neue Geschäftsmodelle, integrieren Zukunftstechnologien wie KI oder Blockchain und fördern lebenslanges Lernen. Diese Unternehmen arbeiten stärker vernetzt – sowohl intern als auch mit externen Partnern wie PropTechs – und verfügen über flexiblere Organisationsstrukturen, die Veränderung ermöglichen. Digitalisierung sei, so bringt es Prof. Dr. Rock auf den Punkt, „nicht in erster Linie eine technische, sondern eine kulturelle Herausforderung.“
Wer jetzt handelt, gewinnt
Erfolgreiche Ansätze zeigt die Studie anhand konkreter Beispiele: Peer Henke von der GAG Immobilien berichtet etwa von einem unternehmensinternen Bewertungssystem für Digitalisierungsprojekte, das klare Prioritäten setzt und sicherstellt, dass Vorhaben mit dem größten Business Value zuerst umgesetzt werden. Pia Hellstern von Buwog Bauträger beschreibt die Priorisierung als Gamechanger: Ihr Unternehmen hat feste Strukturen etabliert, um die drei größten operativen Pain Points gezielt zu adressieren und systematisch zu lösen.
„Wir wollen mit unserer Studie Impulse setzen und dazu motivieren, die digitale Transformation als Gestaltungschance zu begreifen“, so Prof. Dr. Verena Rock. „Ob Effizienzsteigerung, regulatorische Transparenz oder attraktive Arbeitsumfelder – all das ist durchdacht digital erreichbar.“
Digitalisierung ist Chefsache
Für Richter steht fest: Digitalisierung muss strategisch verankert, professionell umgesetzt und kulturell getragen werden. „Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Sie muss konkrete Mehrwerte liefern.“ Voraussetzung sei das Zusammenspiel aus klarer Strategie, gezielter Qualifizierung, technologischer Integration und einer Führungskultur, die Veränderungen aktiv gestaltet. Nur wenn all diese Elemente ineinandergreifen, könne die Branche ihr digitales Potenzial ausschöpfen.