Porträt Daniel Preis
Daniel Preis ist Co-CEO und CSO der Domicil Real Estate Group. (Quelle: Domicil)

Standorte & Märkte 2025-06-16T12:58:18.288Z Wohnungsmarkt im Wandel: Warum der Bestand an Bedeutung gewinnt

Neubau bleibt politisches Ziel, doch realistische Lösungen liegen im Bestand – gerade für professionelle Investoren. Ein Kommentar von Daniel Preis

Schon die Bewilligung des milliardenschweren Sondervermögens hat bei vielen Branchenakteuren Hoffnungen geweckt. Wenn die Politik schon in Geberlaune ist, könnte man das Investitionspaket auch auf den Wohnungsbau ausdehnen. Nun wurden durch den Koalitionsvertrag und ein neu besetztes Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Tatsachen geschaffen – zumindest theoretisch.

Jedoch gilt es vor allem, die strukturellen Probleme zu lösen. Steigende Finanzierungskosten, hohe Baupreise und wachsende Regulierung dämpfen seit geraumer Zeit das Investitionsklima. Gleichzeitig bleibt der Wohnraumbedarf – besonders in Metropolregionen – hoch. Vor diesem Hintergrund braucht es eine nüchterne Analyse: Wo kann kurzfristig neuer Wohnraum entstehen, wo liegen realistische Hebel?

Warum sich im Neubau kurzfristig wenig ändert

Der Wille, neuen Wohnraum zu schaffen, ist da – politisch wie unternehmerisch. Doch zwischen Anspruch und Umsetzung klafft eine wachsende Lücke. 2024 wurden laut IW Köln hierzulande rund 260.000 Wohnungen fertiggestellt, 2025 dürften es nur noch 230.000 sein. Erforderlich wären jedoch jährlich über 370.000 Einheiten. Diese Lücke wird sich nicht kurzfristig schließen lassen.

Die Novellierung des Baugesetzbuches und die Einführung eines Wohnungsbau-Turbos will die neue Bundesregierung binnen 100 Tagen stemmen. In Kombination mit vereinfachten Baustandards, verbesserten steuerlichen Maßnahmen und einer verlässlichen Förderpolitik kann das der Auftakt zu einer Trendwende sein. Aber an der historisch niedrigen Zahl erteilter Baugenehmigungen – mit 215.900 im Jahr 2024 waren sie auf dem niedrigsten Stand seit 2010 – wird das erst mal nichts ändern.

Hinzu kommt ein strukturelles Problem: Die Produktivität der Bauwirtschaft stagniert seit Jahrzehnten. Innovationen scheitern an einem dichten Netz von Vorschriften. Serielles und modulares Bauen wird durch 16 Landesbauordnungen und kleinteilige kommunale Vorgaben erschwert. Zudem haben immer höhere Effizienzstandards die Kosten weiter steigen lassen. Dass die neue Bundesregierung in diesen Punkten Reformen plant, ist zu begrüßen. Nicht zuletzt deshalb erhält das neue Digitalministerium zusätzliche Abteilungen oder Zuständigkeiten aus insgesamt sechs Häusern. Hoffen wir, dass es den Bürokratieabbau beschleunigt.

Die Lücke bleibt und der Bestand wird relevanter

Dennoch kann die Bauwirtschaft auf absehbare Zeit nicht liefern, was benötigt wird. Und während die neuen Ministerien ihre Zuständigkeiten sortieren, steigt der Druck auf die Wohnungsmärkte weiter. Das strukturelle Defizit zwischen Angebot und Nachfrage lässt sich so schnell nicht eliminieren. Die Folge sind steigende Mieten, zunehmende soziale Schieflagen und ein wachsender Bedarf an pragmatischen Lösungen.

Der Wohnungsbestand – insbesondere in innerstädtischen Lagen – muss folglich stärker in den Fokus der Wohnungspolitik rücken. Anders als beim Neubau lassen sich hier Flächen ohne lange Planungs- und Genehmigungsphasen aktivieren. Modernisierte Bestandsgebäude bieten funktionalen Wohnraum, der in vielen Fällen bereits energetisch saniert ist, auch wenn nicht alle Objekte den künftigen ESG-Anforderungen in vollem Umfang entsprechen. Entscheidend ist: Es gibt sie. Sie funktionieren. Sie decken Nachfrage. Und sie ermöglichen Investitionen, die nicht auf regulatorische Reformen oder Förderprogramme angewiesen sind, sondern am realen Bedarf ansetzen.

Von Preisfantasie zu Cashflow-Realismus

In einem Umfeld verhaltener Konjunkturaussichten sind Anlageentscheidungen anspruchsvoller geworden. Gefragt sind selektive Investitionen mit klarem Fokus auf Qualität und langfristige Nutzbarkeit. Sanierte Bestandsbauten mit solider Substanz und guter Lage bieten Kapitalanlegern die Chance auf tragfähige Mietrenditen – ohne die schwer kalkulierbaren Risiken vieler Neubauprojekte.

Natürlich werden Renditen unter anderen Vorzeichen berechnet als noch vor drei Jahren. Doch das ist kein rein deutsches Phänomen. Auch in anderen Märkten wie den USA gewöhnen sich Investoren an niedrigere, dafür verlässlichere Renditen, die auf realen Cashflows statt auf spekulativen Preiswachstum basieren.

Der Vorteil im Bestand liegt in der Planbarkeit. Wo Mietverträge, Objektzustand und Standortentwicklung nachvollziehbar sind, lassen sich auch in einem anspruchsvollen Zinsumfeld rentable Modelle darstellen – insbesondere für professionelle Anbieter, die Objekte strukturiert aufbereiten, finanzierungsfähig machen und effizient vermarkten.

Der Markt sortiert sich – wer Erfahrung hat, gewinnt

Die Jahre vor 2022 waren geprägt von günstigen Finanzierungen, hoher Nachfrage und entsprechend breiter Marktaktivität. Der Einstieg in Wohnimmobilien war für viele Privatanleger attraktiv – auch ohne fundiertes Fachwissen und langfristige Strategie. Diese Phase ist vorbei. Der Markt ist auf beiden Seiten selektiver geworden. Käufer sind zurückhaltender, vergleichen genauer, stellen höhere Anforderungen an Objektqualität, Mietstruktur und wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Gleichzeitig reduzieren sich die Spielräume für Anbieter: Projekte mit unsauberer Substanz, wenig Transparenz oder unrealistischen Kalkulationen lassen sich heute kaum noch platzieren.

In diesem Umfeld wird deutlich: Erfahrung, Marktkenntnis und strukturierte Prozesse sind ein Wettbewerbsvorteil. Wer in der Lage ist, Objekte professionell zu prüfen, zu entwickeln und effizient an die richtige Zielgruppe zu vermitteln, kann auch in einem anspruchsvolleren Marktumfeld Wert generieren.

Bestand ist kein Kompromiss, sondern Teil der Lösung

Die Herausforderungen im Wohnungsbau werden nicht kurzfristig verschwinden. Was jetzt zählt, sind realistische, sofort wirksame Strategien – und der Wille, vorhandene Potenziale gezielt zu aktivieren. Der Bestand spielt dabei eine zentrale Rolle. Nicht weil er per se besser ist als der Neubau, sondern weil er durch gezielte Entwicklung, Sanierung und Vermarktung kurzfristig wieder in den Markt gebracht werden kann. Wohnraum entsteht dort, wo wirtschaftliche Realität und gesellschaftlicher Bedarf in Einklang gebracht werden. Bestandsimmobilien – richtig entwickelt und verantwortungsvoll vermarktet – können genau diesen Raum schaffen.

Ein umsichtig investiertes Sondervermögen plus zeitnah umgesetzte Reformen mögen politischen Rückenwind erzeugen, doch wann sie den Wohnungsbau erreichen, ist offen. Umso wichtiger ist es, dass die Branche nicht abwartet, sondern die vorhandenen Hebel nutzt.

Ein Beitrag von Daniel Preis, Co-CEO und CSO der Domicil Real Estate Group.

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zuletzt editiert am 16. Juni 2025