Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist auch in Mönchengladbach ein Dauerbrenner. Vor zwei Jahren startete die Stadt mit einer Wohnungsbauoffensive, die langsam Wirkung zeigt. Selbst Wohnen für sechs Euro pro Quadratmeter geht, wenn man es clever macht. Von Susanne Osadnik
Der Mann ist ein Shooting-Star. Als Felix Heinrichs vor fünf Jahren in einer Stichwahl zum Oberbürgermeister von Mönchengladbach gewählt wurde, war er gerade mal 31 Jahre alt. Eine Sensation. Jetzt ist er 36 und will unbedingt weitermachen.
Ob der SPD-Politiker sein Amt bei den anstehenden Kommunalwahlen verteidigen kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie überzeugend die potenzielle Wählerschaft seine Weichenstellungen für mehr und vor allem mehr bezahlbaren Wohnraum beurteilt. Denn auch in Mönchengladbach finden viele Einwohner keine bezahlbare Mietwohnung mehr: Laut dem aktuellen städtischen Wohnungsmarktbericht der Entwicklungsgesellschaft EWMG bleibt die Lage im Wohnungsbau weiterhin angespannt. Insbesondere große Investoren würden sich vor Baukosten, Zinsen und dem vergleichsweise niedrigen Mietspiegel in Mönchengladbach scheuen, so die EWMG. Das Interesse an gefördertem Wohnraum ist indes groß. Ebenso wie der Wunsch von Familien nach einem Zuhause, das sie selbst bauen wollen.
Fehlende Grundstücke und fehlendes Kapital
Mit der 2023 gestarteten Wohnungsbauoffensive wollte der junge Oberbürgermeister die Wohnungsprobleme in Angriff nehmen und dafür 43 Millionen Euro locker machen – in einer Stadt mit klammem Geldbeutel. In einer Zeit steigender Zinsen, in der kaum noch jemand bauen will?
Ja, ganz genau, sagte Heinrichs und wusste auch wie: Beide kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, die in der Wohnbau Mönchengladbach gebündelt sind, sollten mehr selbst bauen können. „Es gab vor allem zwei Probleme: Der Wohnbau fehlen Grundstücke, und es fehlte Eigenkapital“, so Heinrichs in einem Interview mit dem Vorwärts. „Ohne dieses Eigenkapital konnten wir in den vergangenen Jahren auch kaum die Fördermittel nutzen, die es für den Wohnungsbau gab. Deswegen haben wir beschlossen, dass die Wohnbau einmalig keine Gewinne an die Stadt ausschütten musste. Sie konnte das Geld behalten als Eigenkapitalstock für Wohnungsbauprojekte. Und das, obwohl die Stadt chronisch unterfinanziert ist und wir auf einen überschuldeten Haushalt zulaufen.“
Mehr Anträge für geförderten Wohnungsbau
So klappte es erst mal finanziell: Der Großteil der 34 Millionen Euro besteht aus öffentlicher Förderung und Darlehen. Von der Kommune kommen rund zehn Prozent dazu. Während die Fördermittel für den öffentlichen Wohnungsbau zunächst nur zögerlich genutzt wurden, gebe es inzwischen einen deutlichen Aufwärtstrend: 2021 wurden nur fünf Prozent des Budgets für Mönchengladbach ausgenutzt, 2022 waren es 42 Prozent. Dank steigender Zinsen und eigenen Engagements am Markt „haben viele Private“ nachgezogen, so der Oberbürgermeister. Und so wurden 2023 schon 149 Prozent des Budgets verausgabt und 2024 kam man sogar auf 274 Prozent des ursprünglichen Budgets. Heinrichs Fazit: „Es gibt jetzt viel mehr Anträge für geförderte Wohnungsbauprojekte.“
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Aktuell werden 80 bis 90 Wohneinheiten gebaut. Zwölf davon sind im Juli nach nur einem Jahr Bauzeit fertig geworden – und sofort alle vermietet gewesen. Kein Wunder, denn die Mieten für die neuen Wohneinheiten im Langer Weg im Stadtteil Lürrip kosten gerade einmal sechs Euro kalt pro Quadratmeter. Die insgesamt sieben Zwei-Zimmer- und fünf Drei-Zimmer-Wohnungen wurden allesamt als öffentlich geförderte Wohneinheiten errichtet, die sich an Menschen mit Wohnberechtigungsschein richten und durch gedeckelte Mieten ein bezahlbares Wohnangebot in Lürrip schaffen.
Wie das geht? Kein Keller, kein Fahrstuhl – das senkte die Kosten“, heißt es bei der Wohnbau Mönchengladbach. Zudem wurden gut zwei der 2,74 Millionen Euro Projektkosten mithilfe von Förderdarlehen des Landes finanziert, was niedrige Zinsen und Tilgungsnachlässe bedeute.
Im Westend startete im Juli das nächste Projekt für mehr bezahlbaren Wohnraum. An der Knopsstraße werden zukünftig 21 Mietparteien mit schmalem Geldbeutel mitten in der Stadt wohnen können. Realisiert wird das Bauvorhaben mit ausschließlich öffentlich gefördertem Wohnen auf dem Gelände der ehemaligen evangelischen Grundschule Knopsstraße. Der Backsteinbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts bleibt erhalten und bildet einen wesentlichen Bestandteil der Maßnahme. Auf dem ehemaligen Schulhof entsteht zusätzlich ein 3,5-geschossiges Gebäude mit barrierefreien Ein- bis Drei-Zimmerwohnungen. Das Projektvolumen liegt bei rund 5,22 Millionen Euro. Dafür gibt es dann aber auch schon moderne Wärmepumpentechnik.
Grundstücke effizient zu nutzen, nachzuverdichten und Immobilien umzuwidmen steht auch in Mönchengladbach auf der Agenda. Um für künftige Entwicklungen gerüstet zu sein, betreibt die Entwicklungsgesellschaft Mönchengladbach (EWMG) seit Jahren strategisches Flächenmanagement. Sie kauft gezielt Immobilien, Brachflächen und Areale an, die dann im Sinne der gesamtstädtischen Strategie weiterentwickelt werden. Aktuelles Beispiel: Zwei Ankäufe in Rheydt zahlen auf den neuen B-Plan 811/S „Quartier am Cityhaus“ ein, der in zentraler Lage Kitaplätze, Wohnflächen und mehr Freiraum schaffen will. Das City Haus ist eine größere Immobilie, in der Büros und eine Musikschule untergebracht waren. Die Stadt untersucht gerade, wie sich das in Wohnraum umbauen lässt.
An einer anderen Stelle soll aus einem alten Büro- und Apothekengebäude neuer Wohnraum und ein Quartierstreffpunkt entstehen. Dazu ist man laut Oberbürgermeister Heinrichs mit der Montag-Stiftung Urbane Räume, die schon im vergangenen Sommer eine ausführliche Studie zur möglichen Entwicklung des Standortes erarbeitet hat, in Gesprächen. Die Geschäftsführerin der Urbane Nachbarschaft Rheydt gGmbH, die zur Gruppe Montag Stiftungen gehört, erklärte auf Anfrage, dass man bereits konkret plane. „Die Immobilie ist gekauft, die Planungen laufen und ab 2027 rechnen wir mit dem Baubeginn“, so Victoria Hoehl. Bis dahin hofft die eigenständige Stiftung, Unternehmen zur Realisierung des Vorhabens gefunden zu haben. Hoehl ist da zuversichtlich.
Wohnungen statt Krankenzimmer
Das ist man auch bei der EWMG, die zurzeit Projektpartner sucht, die auf den ersten Baufeldern der künftigen Maria Hilf Terrassen zwei Mehrfamilienhäuser und einen Stadtriegel mit sieben Häusern im Norden des Baugebietes realisieren.
Die Neubauprojekte sind der Auftakt zur Umnutzung des einstigen Maria-Hilf-Krankenhaus-Areals in ein Wohnviertel, das autoarm, barrierefrei und bestens an das städtische Geschäftszentrum angebunden ist. Auf den künftigen Maria Hilf Terrassen soll Wohnraum für alle Bevölkerungs- und Einkommensgruppen entstehen. Insgesamt werden rund 350 Wohneinheiten auf 16 Baufeldern mit rund 24.000 Quadratmetern vermarktbarer Fläche gebaut. Die Baufelder sind in acht Vermarktungslose eingeteilt, die sukzessive an Investoren, Projektentwickler, Bauträger sowie Immobilien- und Wohnungsbauunternehmen vergeben werden.
Die Vorarbeiten sind bereits abgeschlossen. So hat die EWMG die Altgebäude des Krankenhauskomplexes inklusive Bunkeranlage und die Schule an der Aachener Straße zurückgebaut. Im März 2025 wurden die umfangreichen Arbeiten der Geländemodellierung abgeschlossen. Das Gelände wurde inzwischen so vorbereitet, sodass die Erschließung für den Kanalbau demnächst beginnen kann.
