Foto verschiedener Büroimmobilien in München
Auch in München wurden im laufenden Jahr deutlich weniger Büroflächen vermietet. (Quelle: Unsplash)

Standorte & Märkte 2023-12-06T13:02:12.729Z Wer mietet heute überhaupt noch ein Büro?

Immer mehr Unternehmen verschieben Investitionen in die Zukunft. Silvia Wolf und Richard van de Beek von Rosa-Alscher mit einem Kommentar zum Bürovermietungsmarkt.

In München wurden in den ersten drei Quartalen 2023 rund 37 Prozent weniger Büroflächen vermietet als im Zehnjahresschnitt. Trotzdem ist München im Vergleich zu anderen deutschen Top-Städten dem Immobiliendienstleister CBRE zufolge stabil. Die Zurückhaltung geht auch in den Metropolen mittlerweile so weit, dass man vielerorts hört: Wer mietet denn überhaupt noch Büros?

Grafik von CBRE
Die Projekt-Pipeline auf dem Münchner Büromarkt ist begrenzt. (Quelle: CBRE Research)

Dabei handelt es sich nicht etwa um schwindendes Interesse. Vielmehr verschieben immer mehr Unternehmen angesichts der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage Investitionen in die Zukunft – das gilt auch für die angemieteten Flächen. Ein weiterer Grund sind Unsicherheiten der potenziellen Mieter. Sie fragen sich, wie das jeweilige Büro von morgen konkret aussehen muss, damit es auch tatsächlich zukunftssicher ist.

Der Veränderungsdruck allein reicht als Argument nicht aus

Dabei geht es am Markt um sehr viele Wie-Fragen: Wieviel Fläche braucht man überhaupt, wenn eine Mehrfachbelegung der Schreibtische durch das ergänzende Home-Office möglich ist? Wieviel Open Space und wieviel Teambüro passt zum Unternehmen? Wieviel „Wohnzimmer-Feeling“ oder doch eher „Industriecharme“ strebt das Unternehmen an ? Wie nimmt man die Belegschaft in dem geplanten Veränderungsprozess mit? Das alles sind Fragen, die im Laufe jeder Mietentscheidung geklärt werden müssen – doch sie wirken verzögernd, wenn nicht zuerst das „Warum“ geklärt wird.

Ein professioneller Berater aus der Immobilienwirtschaft würde zunächst andere Themen fokussieren. Es sollte sich anfangs immer um den Sinn und den Grund drehen, warum ein Unternehmen neue Flächen sucht. Beispielsweise kann es darum gehen, den Mitarbeitern mehr Produktivität durch die neuen Räumlichkeiten zu gewährleisten. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Teams interdisziplinärer zusammenarbeiten sollen, weil die alten Flächen nicht mehr zu den neuen Unternehmensprozessen passen.

Das Hinterfragen der eigenen Unternehmenskultur kann letztlich ebenso den Ausschlag für eine Neuanmietung geben – vor allem in der sehr ungewöhnlichen Situation, dass trotz wirtschaftlicher Turbulenzen der Fachkräftemangel nach wie vor relevant ist. Genauso wichtig sind die Fragen, ob das Büro zu den eigenen ESG-Richtlinien sowie zur Markenwahrnehmung passt. Neben Produktivität und interdisziplinärer Zusammenarbeit ist dies oftmals ebenso wichtig bei der Anmietungsentscheidung – denn wenn die Unternehmenskultur erneuert wird, braucht sie auch die passenden Flächen inklusive Zuschnitt und Design, um im gelebten Arbeitsalltag zur Geltung zu kommen.

Diese Punkte wiederum bestimmen die räumliche Organisation mit dem Design. Produktivität zum Beispiel hängt maßgeblich unter anderem von Themen wie Lautstärke und Störungsfreiheit im Büro ab – beides wird übrigens fast überall seit vielen Jahren unterschätzt. Strebt ein Unternehmen nach einem Büro als Produktivitätsunterstützung für die Kollegen, verbieten sich also fast zwangsläufig zu viele Open-Space-Arbeitsplätze, und das Design wird vom Schallschutz mitbestimmt. Die Wie-Fragen lassen sich ohne das „Warum“ nicht seriös beantworten, wenn man nicht in entsprechender Unsicherheit schwimmen will. Umgekehrt herrscht bei den potenziellen Mietern umso mehr Sicherheit, wenn die Basisarbeit erst einmal abgeschlossen ist.

Zwischenfazit: Ein Unternehmen, das ein zukunftsstarkes Büro planen will, muss sämtliche Punkte (Kosten, Nutzen, Flexibilität, Produktivität und Unternehmenskultur) von Grund auf berücksichtigen. Es reicht nicht aus, für einzelne Aspekte eine Teilantwort zu finden.

Kleine Unternehmen sind die Mieter der Stunde

Bei der Frage, wer auf dem Vermietungsmarkt am aktivsten ist, zählt gar nicht so sehr die konkrete Branche – sondern eher die Größe. Im Resultat mieten derzeit wirtschaftlich gesunde und dabei eher kleinere Unternehmen, die im konstruktiven inhaltlichen Austausch mit geeigneten Beratern oder dem Vermieter selbst stehen: Diese Unternehmen finden aufgrund ihrer geringen Größe und flachen Hierarchien schneller die erforderlichen Antworten als Großunternehmen und Konzerne. Zudem ist der absolute finanzielle Mietaufwand für Flächen ab 500 Quadratmetern überschaubar im Vergleich zu 5.000 Quadratmetern oder mehr – in unsicheren Zeiten spielt das auch in den Köpfen gesunder Unternehmen eine Rolle. Eine Ausnahme dessen besteht darin, dass einige Konzerne inzwischen einheitliche Flächenstrategien ausformuliert haben und diese nun – eventuell ebenfalls auf kleineren Flächen – konsequent umsetzen.

Dass die Wahl dann meist auf topmoderne Neubauten fällt, dürfte wenig überraschen: Diese haben massive Vorteile bei der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit (ESG), bei Themen wie Smart-Office und auch bei der Grundrissflexibilität für die erforderliche Nutzerfreundlichkeit. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil sich das „Warum“, also die Frage nach dem Mehrwert der Fläche, auch innerhalb eines Mietzyklus durchaus ändern kann. In diesem Fall ist ein Umbau in der bestehenden Mietfläche möglich, ohne dass nach wenigen Jahren ein weiterer Umzug fällig wird. Dies sieht man übrigens auch daran, dass sich die Spitzenmieten trotz der allgemeinen Marktschwäche CBRE zufolge im dritten Quartal 2023 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 6 Prozent auf inzwischen 46,50 Euro je Quadratmeter und Monat gesteigert haben.

Nach unserer Beobachtung spielen außerdem die Lage und Verkehrsanbindung eine viel zentralere Rolle als früher: Will man die Menschen motivieren, zurück ins Büro zu kommen, spielen ein modernes Mobilitätskonzept und eine attraktive, lebendige Nachbarschaft eine wesentliche Rolle. Anstatt monotoner Bürotürme finden sie ein vielseitiges Gastronomie-, Einzelhandels- und Freizeitangebot vor. Umgekehrt wiederum profitieren auch die lokalen Händler und Dienstleister von den Büroangestellten als potenzielle Kundschaft.  

Die Flächen werden rar

Bei allem Verständnis dafür, dass einige Unternehmen zurzeit zögern, liegt auch im Aufschieben der Anmietungsentscheidung ein potenzielles Problem. Zahlreiche Projekte, die noch vor der Corona-Pandemie begonnen wurden, wurden entweder in diesem, oder werden im kommenden Jahr beendet. Danach jedoch wird das Zeitfenster aufgrund der sinkenden Neubauvolumina rasch enger. Sobald die jetzt fertiggestellten Projekte einmal vollständig vermietet sind, besteht für Unternehmen nur noch eine sehr begrenzte Möglichkeit, die alten Flächen gegen neue einzutauschen. Dadurch können letztlich Opportunitätskosten entstehen. Schließlich kommt es heute mehr denn je darauf an, dass Unternehmen auf moderne und vor allem flexible Büroflächen zurückgreifen können, die bei verändertem Flächenbedarf beispielsweise auch problemlos untervermietet werden können. Wer rechtzeitig die passende Fläche mietet, kann sich hingegen einen wichtigen betrieblichen Vorteil sichern.

Ein Beitrag von Silvia Wolf, Head of Business Development, und Richard van de Beek, Head of Leasing and Sales, Rosa-Alscher Group.

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zuletzt editiert am 06. Dezember 2023