Projektentwickler Dr. Martin Koch hält die Beschlüsse vom "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" für mutlos. In seinem Kommentar macht er drei Vorschläge zur Bekämpfung des Wohnraummangels.
Das "Bündnis bezahlbarer Wohnraum" hat 187 Einzelmaßnahmen ausgearbeitet, um die gravierende Wohnungsnot zu bekämpfen. Ich halte es für ein gutes Signal, dass Repräsentanten von Kommunen, Wohnungs- und Bauwirtschaft, Gewerkschaften und aus der Zivilgesellschaft an einem Tisch sitzen.
Doch kurzfristig wird aus diesem Papier-Giganten kein neues Projekt entstehen. Da die Kompromisse und Beschlüsse aus meiner Sicht zu mutlos und realitätsfern sind. Es tobt eine akute Wohnungsnot, die immer gravierender wird. Umso mehr sollte die Politik an effektiven und unbürokratischen Lösungen interessiert sein.
Die Kommunen müssen massiv entlastet werden!
Bisher müssen Kommunen immer wieder als Problemlöser in allen Bereichen herhalten. Beispiele: Aufnahme von Flüchtlingen, Sicherung der (Klein-)Kinderbetreuung, Ausweisung von Vorrangflächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien und letztendlich auch die Schaffung von Sozialwohnungen.
Gleichzeitig sind zahlreiche Kommunen hoch verschuldet und stehen unter sehr kritischer Aufsicht durch die jeweiligen Landesrechnungshöfe im Hinblick auf ihre Ausgaben – insbesondere der Personalkosten. Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas ist es überraschend, dass die Abläufe, wenn auch zeitlich massiv verzögert, überhaupt noch ansatzweise funktionieren.
Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 100.000 Sozialwohnungen zu schaffen, ist vor dem Hintergrund des gigantischen Bedarfs von weit mehr als zwei Millionen neuen Sozialwohnungen nachvollziehbar. Doch es wird klar verfehlt. Zur Einordnung: Im Jahr 2021 wurden gerade mal 21.500 neue Sozialwohnungen errichtet, 6.500 weniger als noch drei Jahre zuvor. Die aktuellen Baupreis- und Zinssteigerungen werden die Wohnungsnot weiter verschärfen.
Wer soll dieses Problem nun lösen?
Schon im vergangenen Jahr wurden Beschlüsse gefasst, um den Handlungsspielraum der Kommunen zu stärken. So gibt es zwar das Baulandmobilisierungsgesetz, das Kommunen Vorkaufsrechte für den Ankauf von Grundstücken einräumt. Aber wie schnell werden Flächen, wenn sie in kommunale Hände gelangen, für den Wohnungsmarkt mobilisiert? Im Regelfall sind es tatsächlich bis zu zehn Jahre! Denn Abstimmungen mit den Aufsichtsbehörden, Bürgerworkshops, Expertenhearings, Nutzungskonzepte, städtebauliche Vorüberlegungen und Wettbewerbe, Energie-, Klima- und Mobilitätskonzepte, Rahmenpläne und Bebauungsplanverfahren nehmen unglaublich viele Kapazitäten und damit Zeit in Anspruch. Und dafür sind in den meisten Kommunalverwaltungen weder die Organisationsstrukturen noch die Budgets oder die Personalausstattung vorhanden. Die ausgebluteten und vielfach überforderten Kommunen können niemals der wesentliche Problemlöser für die grassierende Wohnungsnot sein.
Ohne die privaten Investoren geht es nicht. Damit wieder schneller gebaut werden kann, muss aus dem Gegeneinander aber wieder ein Miteinander werden.
Dass dieses Miteinander tatsächlich funktioniert, hat beispielsweise das Mittelzentrum Montabaur im Westerwald gezeigt: Im vertrauensvollen Zusammenspiel von privatwirtschaftlichem Entwickler und kommunaler Verwaltung sowie Politik wurde innerhalb von 15 Monaten Baurecht für ein 41 Hektar großes Areal geschaffen, um anschließend in wenigen Jahren einen ganzen Stadtteil für 1.500 Bewohner neu entstehen zu lassen.
Was muss also passieren, damit das Miteinander von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft wieder besser funktioniert?
Der private Partner in diesem Miteinander muss nachweisen können, dass nicht die Gewinnmaximierung seine einzige Maxime ist, sondern auch gesellschaftliche Interessen sein Handeln bestimmen. Der öffentliche Partner wiederum muss akzeptieren können, dass die Gewinnerzielung zum unternehmerischen Handeln gehört und statt dem baurechtlichen Regelungsnirwana eher Handlungsspielräume zu eröffnen sind. Nur so kann gegenseitiges Vertrauen (wieder) entstehen und gelebt werden.
Innovative und kreative Ideen der Privatwirtschaft für das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privaten Investoren sind also gefordert. Gestatten Sie mir drei Vorschläge zur Eröffnung der Diskussion.
- Beschleunigtes Baurecht und ein erweiterter Bauantrag für großflächige (Brach-)flächen im Innenbereich: Statt sektoraler Bebauungspläne als Blockadeinstrument für Innenbereiche mit Baurecht brauchen wir erweiterte Bauanträge und angepasste Genehmigungsverfahren für räumlich begrenzte Innenbereiche ohne Baurecht. Thematisch eng begrenzte, zentrale Fragestellungen des Bebauungsplanverfahrens werden in das Baugenehmigungsverfahren implementiert und sind von den Antragstellern im Bauantrag abzuarbeiten. So können aufgegebene kleinere Fabriken, ehemalige Gärtnereien oder Sportplätze im Siedlungszusammenhang für den sozialen Wohnraum zügig aktiviert werden, ohne vorher ein zeitraubendes Bebauungsplanverfahren durchlaufen zu müssen.
- Erstzugriffsrecht für Investoren, die Sozialwohnungen bauen wollen: Beim Verkauf öffentlicher Grundstücke haben jene Investoren, die Sozialwohnungen errichten wollen, ein Erstzugriffsrecht zu einem vorgegebenen, wirtschaftlich verträglichen Quadratmeterpreis. Der Differenzbetrag zum möglichen Marktpreis wird dem Verkäufer aus dem Wohnraummobilisierungsfonds des Bundes erstattet.
- Bauen für die Mieter und nicht für die Sachverständigen: Alle größeren Kommunen gönnen sich städtebauliche Beiräte, Beratergremien und externe Expertenrunden, um die Qualität des Stadtbildes zu sichern. Ob diese rein auf Fassaden und nicht auf Funktion und Inhalt ausgerichteten zusätzlich geschaffenen Instanzen tatsächlich immer ihr Ziel erreichen, sollte zumindest in der ein oder anderen Kommune hinterfragt werden. Je nach Sitzungsfolge gehen oftmals vor der eigentlichen Bauantragsstellung etliche Monate Wartezeit ins Land, um das geplante Projekt in diesen zusätzlich geschaffenen Expertengremien vorstellen zu dürfen – mit offenem Ausgang. Die Wohnrauminteressen der Mieter bleiben hierbei viel zu oft auf der Strecke. Funktion und Inhalt der Projekte müssen wieder deutlich stärker in den Vordergrund der Beurteilung und Bewertung rücken.
Selbstverständlich stehen wir zurzeit vor zahlreichen Herausforderungen, aber das gilt für die unterschiedlichsten Branchen, die sich aktuell neu erfinden müssen. Machen wir mit und gestalten wir das Zusammenspiel mit der kommunalen Seite endlich wieder aktiv und nicht nur reaktiv.