Stadtsilhouette von Duisburg im Vollmond
Die Anzahl der Logistikprojekte im Ruhrgebiet ist deutlich zurückgegangen – vor allem Greenfields sind durch fehlende Ausweisungen von Gewerbe- und Industriegebieten Mangelware. (Quelle: Pixabay)

Standorte & Märkte 15. May 2023 Viele Brownfields, lange Vorlaufzeiten

Ruhrgebiet - Logistikmarkt: Die Brownfields ehemaliger Zechengelände und Industriestandorte bergen enorme Potenziale, aber auch Herausforderungen. Von Rainer Koepke

Mit rund 5,1 Millionen Menschen auf etwa 4.400 Quadratkilometern, der zentralen Lage in der Mitte Deutschlands und dem optimalen Verkehrsnetz ist es kaum verwunderlich, dass das Ruhrgebiet zu den nachgefragtesten Logistikstandorten Deutschlands zählt. Vor allem die Brownfields ehemaliger Zechengelände und Industriestandorte mit weitreichender Geschichte bergen enorme Potenziale – aber auch einige Herausforderungen, mit denen Nutzer und Entwickler konfrontiert werden. Das gilt vor allem jetzt, im unsicheren Marktumfeld.

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Rainer Koepke ist Head of Industrial & Logistics Germany bei CBRE. (Quelle: CBRE)

Ähnlich wie in anderen Assetklassen startete auch der Logistikimmobilienmarkt des Ruhrgebiets mit einem vergleichsweise verhaltenen Flächenumsatz ins Jahr 2023. Denn die steigenden Zinsen, gestiegenen Renditen sowie Grundstückskosten und nicht zuletzt auch die erhöhten Baukosten sorgten bei Entwicklern zu Unsicherheiten und führten zu weniger Projektstarts. Mit einem Umsatz von 41.300 Quadratmetern lag das Ergebnis rund 72 Prozent unter dem Vergleichsquartal 2022. Der Vergleich mit den vorherigen Quartalen zeigt deutlich: Die Flächenumsätze der vergangenen drei Jahre sind durch E-Commerce-Händler stark gestiegen und im ersten Quartal diesen Jahres sehr schwach gewesen. Trotzdem hielt das Ruhrgebiet mit einem Anteil von 23 Prozent am Gesamtumsatz den zweiten Platz der bedeutendsten Teilmärkte Nordrhein-Westfalens.

Greenfields kaum verfügbar

Die Anzahl der Projekte ist deutlich zurückgegangen – vor allem Greenfields sind durch fehlende Ausweisungen von Gewerbe- und Industriegebieten kaum mehr verfügbar. Gerade Brownfield-Entwicklungen bieten also einzigartige Chancen – es gibt keine Region, welche so viele Brownfields besitzt wie das Ruhrgebiet. Aufgrund des vorherrschenden Strukturwandels weg von der Schwerindustrie und Stahlverarbeitung werden manche Produktionen eingestellt, sodass die Brownfields verkauft werden.

Die Herausforderung dabei ist jedoch, dass die Vorlaufzeiten bis zur Baugenehmigung bei diesen Brownfield-Entwicklungen deutlich länger als im Greenfield-Bereich sind. Grund sind die häufig langwierigen Räumungs-, Entsorgungs- und Aufbereitungsarbeiten der ehemaligen Fabrikgelände. Bis das Projekt also baureif ist und die Entwickler dort bauen können, vergeht viel Zeit, sodass die Angebotsverfügbarkeit ins Stocken gerät.

Mieten steigen weiter an

Die Neubaumieten steigen durch die folgenden Faktoren an: Baukostensteigerungen um rund 20 Prozent gegenüber der Zeit vor zwei Jahren, auch durch Qualitätserhöhung (Stichwort: ESG), steigende Zinsen und Renditen sowie Angebotsknappheit. Viele Entwickler stehen vor der Frage, spekulativ oder nutzerspezifisch zu bauen. Bei einer spekulativen Entwicklung kann dem Mieter eine Fläche mit kurzfristiger Verfügbarkeit angeboten werden. Ein Built-to-suit kommt für Nutzer mit einem deutlich längeren zeitlichen Vorlauf in Frage. Der Vorteil liegt darin, dass Mietpreise bereits im Vorfeld verhandelt werden und jegliche Leerstandszeit vermieden werden kann.

Damit sich die Projekte rechnen und die steigenden Kosten abgefedert werden, mussten die Mieten deutlich angehoben werden. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen wider: Im Ruhrgebiet wurde der größte Anstieg der Spitzenmiete unter den nordrhein-westfälischen Teilmärkten verzeichnet. Mit einem Plus um 17 Prozent liegt die Spitzenmiete nun bei 7,00 Euro pro Quadratmeter.

Die Logistik bekommt Konkurrenz

Während das Ruhrgebiet vor einigen Jahren der Hotspot für Industrie und Logistik in Deutschland war, haben es Logistiknutzungen heutzutage wesentlich schwerer, was die Genehmigung von den Kommunen anbelangt. Das Problem liegt häufig in den nahe gelegenen Wohngebieten, die damals für die Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen oftmals unmittelbar um Industriestandorte gebaut wurden.

Vor allem die festgelegten Lärmwerte, insbesondere in der Nacht, erschweren zum Teil die Entwicklungen in Richtung Logistikpark, sodass andere Nutzungen Konkurrenz machen – insbesondere wenn es um stadtnahe Flächen geht. Dort werden oftmals Entwicklungen wie Büro- oder Innovationsparks bevorzugt. Wie Nutzungen jedoch clever miteinander kombiniert werden können, zeigt unter anderem das ehemalige Opelwerk in Bochum „Mark 51°7“: Der Ankernutzer war die Deutsche Post DHL mit ihrem Frachtzentrum, es folgten jedoch später primär Entwicklungen im Büro- und Servicebereich auf dem Gelände.

Moderne Konzepte für gemischt genutzte Quartiersentwicklungen könnten gerade in einem Ballungsraum wie dem Ruhrgebiet Chancen bieten. Aufgrund der langen und zunehmend komplexeren Vorlaufzeiten von Brownfield-Projekten, der fehlenden Greenfields für Industrie- und Logistiknutzung sowie der abgeschwächten Big-Box-Nachfrage im Bereich E-Commerce wird der Flächenumsatz zukünftig absehbar das Niveau der letzten Boom-Jahre nicht erreichen.

Ein Beitrag von Rainer Koepke, Head of Industrial & Logistics Germany bei CBRE.

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zuletzt editiert am 15.05.2023