Das Hotel als Betreiberimmobilie bietet im Gegensatz zu Büros oder Wohngebäuden besondere Herausforderungen für die ESG-konforme Optimierung. Denn Sanierungsmaßnahmen führen nicht automatisch zu höheren Zimmererträgen (RevPAR). Nur im engen Schulterschluss mit dem Betreiber kann eine Modernisierung im Sinne der Nachhaltigkeit und damit höherer Marktakzeptanz gelingen. Von Sabine Heß und Tina Froböse
Hotelinvestoren stehen im aktuellen Marktumfeld vor einer der größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Die Erwartung an eine möglichst rasche Dekarbonisierung der Immobilien wächst ebenso rasch wie die Spezifizierung der Berichtspflichten im Rahmen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) der EU.
Eine PWC-Studie von 2020 errechnete bereits bis 2025, dass 57 Prozent aller Assets ESG-konformen Fonds gehören werden. Selbst wenn die Jahreszahl nach oben korrigiert werden muss, bleibt die Erwartung an einen klimaneutralen Gebäudebestand bis idealerweise 2045.
Die Kriterien kommen nicht nur von der Politik, sondern auch vom Investmentmarkt, wo zahlreiche internationale Immobilieninvestoren die Dekarbonisierung des Gebäudebestands innerhalb der nächsten 15 bis 20 Jahre anstreben. Swiss Life Asset Managers zum Beispiel verwaltet ein Immobilienvermögen von derzeit rund 87 Milliarden Euro. Davon besitzen 63 Prozent bereits ein GRESB-Nachhaltigkeitszertifikat, das auch die Betriebsphase berücksichtigt. Im direkt gehaltenen Immobilienbestand (PAM) soll der CO2-Ausstoß bis 2030 vom Ausgangsjahr 2019 um 20 Prozent reduziert werden.
Für die Hotelimmobilie ergibt sich in der aktuellen Marktlage eine doppelte Herausforderung: Trotz der verbesserten Betreiberlage – im Jahr 2022 lag die Zahl der Gesamtübernachtungen bei gestiegenen Zimmerpreisen von durchschnittlich nun über 100 Euro nur noch neun Prozent und im ersten Halbjahr 2023 nur noch um etwa drei Prozent unter dem Rekordjahr 2019 – und weiterhin ehrgeiziger Expansionsstrategien stockt der Projektentwicklungsbereich. Die meist energieeffizienten und damit zukunftsfähigen Neubauten entstehen derzeit wegen der gestiegenen Bau- und Kapitalkosten, der erhöhten Pachtanforderungen und nicht zuletzt wegen der Zurückhaltung der Finanzierer daher in nur geringem Maße.

In der Konkurrenz der Nutzungsarten geben institutionelle Anleger in guten Lagen noch dem Büro den Vorzug. In Randlagen der Großstädte bleiben Wohnungen im aktuellem Marktumfeld ein einigermaßen attraktives Investmentprodukt. Dementsprechend erzielte das Hotel-Transaktionsvolumen 2022 und auch das 1. Halbjahr 2023 das schwächste Ergebnis seit 2013. Der Fokus richtet sich also zwangsläufig auf die Bestandsimmobilie, um Hotelportfolios in der Breite zur ESG-Konformität zu führen. Betrachtet man auch die beim Bau entstehenden „grauen Emissionen“, so ist das aus ökologischer Sicht von Vorteil. Die CO2-Bilanzierung zählt mittlerweile auf Investorenseite zum wichtigsten Nachhaltigkeitskriterium im Immobilien-Reporting.
Enges Zusammenspiel mit Betreiber
Ein Großteil der erforderlichen Nachhaltigkeitskriterien im operativen Hotelbetrieb liegt in der Hand des Betreibers. Da Betreiber ab 250 Mitarbeitern (und einer gewissen Bilanzsumme) in naher Zukunft der Nachhaltigkeitsberichtspflicht unterliegen, bietet sich die Intensivierung der Beziehung zum Eigentümer im Bereich ESG-Optimierung auf operativer Ebene an. Dem Eigentümer fallen insbesondere Umbauten für eine höhere energetische Effizienz zu. Bewährte und bekannte Maßnahmen sind der Einsatz von Photovoltaik auf Dachflächen, der Einbau von Wärmepumpen, die Bereitstellung von E-Ladesäulen oder die Verbesserung von Wärmedämmung und Klimaanlagen.
Höhere Flächeneffizienz für eine sparsame Klimatisierung ist ebenso sicherzustellen – beispielsweise durch Neuvermietungen von Teilflächen oder gar die Repositionierung des Hotels hin zur Mixed-Use-Immobilie. Daneben nimmt die sogenannte „Recyclebarkeit“, also die Wiederverwendbarkeit von Baustoffen, eine immer wichtigere Rolle ein. Dies gilt insbesondere für den Innenausbau. Die in Bestandshäusern verbauten Rigips-Materialien, Verbundstoffe, Teppiche oder Kunststoffe waren in der Vergangenheit als Sondermüll zu entsorgen und sollen in Zukunft durch wiederverwendbare Materialien ersetzt werden.
ESG-Anforderungen von Politik, Markt und Gästen
Doch nicht nur die CO2-Reduktion und die schrittweise Umstellung auf erneuerbare Energien spielen in der Bausubstanz eine Rolle, sondern auch die soziale Komponente. Dies beginnt bereits auf der Baustelle in Form von Arbeitsbedingungen sowie Verantwortungsübernahme in der Lieferkette. Ebenfalls muss nach der Muster-Beherbergungsstättenverordnung Barrierefreiheit in mindestens zehn Prozent der Zimmer gesichert sein. In Hotels ab 60 Gästebetten ist zusätzlich eine Ein-Prozent-Quote für rollstuhlgerechte Zimmer einzuhalten. Der Gesetzgeber hatte hierzu bereits den Rahmen vorgegeben, wobei Bestandsbauten hiervon zunächst ausgenommen waren, sofern keine Nutzungsänderung vorliegt.
Dies ändert sich nun durch die ESG-Anforderungen von Politik, Markt und nicht zuletzt auch Gästen. Hier spiegeln die Gästekriterien das bereits bekannte Käuferverhalten im Wohnsektor wider: Eine US-Studie von 2020 fand heraus, dass 53 Prozent aller Reisenden bereit sind, mehr Geld für die Nutzung nachhaltiger Hotels auszugeben. Zugleich ist aber der Urlaub für die Menschen ein wichtiges Gut zur Erholung und als Auszeit vom Alltag. Insofern stellt sich die Frage, welche Priorität das Thema Nachhaltigkeit für Reisende in der Praxis wirklich einnimmt – gerade in Zeiten von zunehmend steigenden Zimmerpreisen.
Allein die Nachfrage nach Flugreisen übertrifft in diesem Jahr wieder die Kapazitäten des Luftverkehrs. Im Geschäftsreisesektor stellt sich die Sache anders dar. Im Zuge gesteigerter Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung muss auch der CO2-Fußabdruck von Geschäftsreisen erfasst werden. Hotels, die dies nicht können oder einen hohen CO2-Fußabdruck aufweisen, werden im Wettbewerb zurückfallen. Wurde vor einiger Zeit noch argumentiert, dass Investitionen in die energetische Ertüchtigung weitgehend ertragsneutral seien, muss man heute konstatieren, dass sie vor allem dem Werterhalt dienen. Gleichwohl wird die Kalkulation ohne Mieterhöhung nicht aufgehen.
Transparente Datenlage als Ausgangspunkt

Für ein adäquates ESG-Management von Hotels braucht es vor allem eins: Transparenz. Die Verbrauchswerte sämtlicher Anlagen und Leistungen müssen vorliegen, um eine Einschätzung der Nachhaltigkeit vornehmen zu können. Nur im Zusammenspiel mit den Dienstleistern und Lieferanten des Betreibers kann eine genaue CO2-Bilanzierung sowie ein entsprechender Sanierungsfahrplan des Objekts ermöglichen, wie es beispielsweise der EU-weite Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM) ermöglicht. Umsetzbar sind diese Anforderungen nur durch eine umfangreiche Digitalstrategie. Dies betrifft auch den regulatorischen Rahmen: Während in Frankreich und Großbritannien die Verbrauchswerte von Mietern und Pächtern transparent sind, gibt es hierzulande noch keine entsprechende gesetzliche Möglichkeit.