Baumaterial im Kreislauf zu halten, spart Ressourcen. Wie das in der Praxis klappt, berichtet Sven Seipp, Geschäftsführer von Cube Real Estate Mitte.
Wie gelingt es Ihnen, die Materialien zu erfassen, die in einer Immobilie verbaut sind?
Sven Seipp: Wir stimmen uns mit dem Unternehmer für Rückbau im Rahmen der Vergabe im Detail ab, was verwertet werden kann und was nicht. Die verwertbaren Materialien, aber auch ganze Aggregate, Einbauten und Möbel werden als Bonus zu einem bestimmten Anteil auf den Gesamtauftrag / Arbeitsaufwand „gutgeschrieben“. Alle Unternehmer haben die Motivation, so wenig wie möglich auf die Deponie zu fahren, da alles, was sie verwerten können – neben dem Effekt für die Umwelt – bares Geld bedeutet. Bei unserem aktuellen Partner für den Rückbau kommt eine sehr gute Verbindung in Länder hinzu, die einen großen Bedarf an allem haben, was man auf Baustellen wieder einsetzen kann, um Kosten zu sparen.
Wer macht die Verwertung?
Sven Seipp: In unserem Fall kümmert sich um die stoffliche Verwertung wie auch um die Verwertung von ganzen Bauteilen unser Rückbaupartner Antal aus Frankfurt am Main. Die jahrelange Praxis zeigt, dass man mit bestimmten Unternehmern gute Partner für die Wiederverwendung und Wiederverwertung von rückzubauenden Themen an seiner Seite hat, die die Materialien und Bauteile nachhaltig in die (Bau-) Wirtschaft zurückbringen – in einem professionellen und verlässlichen Umfeld.
Welche Tools verwenden Sie?
Sven Seipp: Letztlich gibt es zahlreiche Tools, die zum Einsatz kommen. Das wirtschaftlich und ökologisch mächtigste Tool ist die tradierte und zunehmende Vernetzung der Unternehmer, Auftraggeber und Marktfolger und deren sowie unsere Kreativität, verbunden mit zuverlässigen Abläufen. Durch die Netzwerke sind und werden Rückbauabläufe planbar.
Welche technische und digitale Ausrüstung ist dafür nötig?
Sven Seipp: Alles, was im modernen Büro- und Arbeitsumfeld vorhanden ist, wird genutzt – Netzwerke in der „echten“ wie in der digitalen Umgebung.
Wie sieht es mit der nötigen Manpower aus?
Sven Seipp: Durch die „richtigen“ Unternehmer an unserer Seite reduziert sich die Manpower auf Seiten der Immobilienunternehmen erheblich. Kreativität bei der Umsetzung spielt eine große Rolle, um nicht nur ein Angebot an Material zu schaffen, sondern vielmehr auch eine Nachfrage danach und mögliche Use-Cases aufzuzeigen. Auch hier ist zukünftig noch einiges an Lobby-Arbeit nötig, um nachhaltig wiederzuverwendende Bauteile und Materialen in der professionellen Bauwelt „unterzubringen“.
Welche Beispiele können Sie nennen für die erfolgreiche Wiederverwendung von Materialien?
Sven Seipp: Alle mineralischen Materialien werden untersucht auf die Wiedereinbringung in den Stoff-Kreislauf. Antal hat eine Genehmigung zur Verarbeitung der mineralischen Bestandteile und Aufbereitung für zum Beispiel Recylingbeton. Auch Gipskartonagen – das bestimmende Material für die Wände in Büro- und Wohnbauten – finden mittlerweile ein zweites Leben zum Beispiel bei der Verdämmung von alten Untertagestollen, um Bergbrüche zu vermeiden. Glas wird recycled und zu neuem Glas oder Dämmstoff verarbeitet – hier haben wir Kontakt zu Saint-Gobain.
Alle Standard-Ausbau-Materialien wie Türen oder Systemtrennwände werden auf die Wiederverwendbarkeit in anderen Objekten geprüft. Wir verwenden zum Teil vorhandene Türen im Objekt weiter und ertüchtigen diese, damit sie den heutigen Anforderungen gerecht werden – insbesondere die Brandschutztüren.
Wie hoch liegen die Kosten für die Trennung sowie Aufbereitung von Materialien und deren Wiederverwendung im Vergleich zu Deponierung und Neubeschaffung?
Sven Seipp: Bei guter Planung liegen die Kosten nicht höher. Bei guter Vorbereitung werden die Materialien ausgebaut und gesichert, bevor die zu deponierenden Abfälle rückgebaut werden. Problematisch ist ein Stakkato beim Rückbau: Es kommt zu Wartezeiten und Insuffizienzen im Bauablauf. Das treibt die Kosten für den Rückbau.
Wie sieht es mit den Materialien aus, die bei einer Revitalisierung als Neuware verwendet beziehungsweise eingebaut werden: Welche Rolle spielt eine Zertifizierung durch die C2C-Organisation?
Sven Seipp: Eine Zertifizierung wäre im Zusammenspiel mit der Klassifizierung und Zulassung der Bauteile wünschens- und erstrebenswert. Eine reine Zertifizierung der Materialien dagegen bringt nur einen geringen Mehrwert. Wenn es gelingt, die Zertifizierung mit einem echten, „harten“ Mehrwert zu verbinden, wäre das ein echter Zugewinn für die gesamte Branche.
Wo geraten C2C und Kreislaufwirtschaft an ihre Grenzen?
Sven Seipp: Wenn Ideologie in Spiel kommt und – egal welche Seite – nicht für ein pragmatisches „Beraten und Abwägen“ zu erreichen ist. Das bringt trotz aller Bemühungen weder einen gesellschaftlichen noch einen wirtschaftlichen Vorteil.
Wie kann es funktionieren, Materialpässe zu erstellen, die – trotz diverser Softwareupdates im Laufe der Jahrzehnte – ein Gebäude über seine ganze Lebensdauer begleiten und am Ende auch noch verfügbar sind?
Sven Seipp: Das könnte gelingen durch die Digitalisierung der Abläufe und das Nutzen aller bereits vorhandenen Möglichkeiten – mit Augenmaß. Es ist nicht geholfen damit, die Kosten für und damit den Nutzen der Materialpässe durch zu hohe technokratische und ideologische „Ideen“ unattraktiv für die Umsetzer der Baumaßnahmen zu machen.
Das Gespräch führte Roswitha Loibl.