In der Bau- und Immobilienwirtschaft kommt es vermehrt zu Konflikten – welche Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung es gibt, erläutert Dr. Oda Wedemeyer von GSK Stockmann in ihrem Expertenbeitrag.
Die aktuell nach wie vor angespannte Situation der Immobilienbranche – Zurückhaltung bei Investitionen, hoher Bedarf an Restrukturierungen, Projekte, die durch die Insolvenz auf Auftraggeber- oder Auftragnehmerseite in Gefahr geraten – führt vermehrt zu Konflikten in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Wie können die Beteiligten vermeiden, dass Konflikte zu langjährigen streitigen Auseinandersetzungen vor staatlichen Gerichten werden, die nur selten zu befriedigenden Ergebnissen führen? Welche Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung (engl.: Alternative Dispute Resolution, „ADR“) gibt es? Wie kann Konflikten vorgebeugt werden?
Der Begriff ADR wird allgemein für strukturierte Streitbeilegungsmethoden verwendet, bei denen mit Hilfe Dritter ein Ergebnis gefunden wird. Der klassische Kanon der ADR-Methoden setzt sich aus den folgenden fünf Verfahrensarten zusammen.
ADR: Fünf Verfahrensarten
- Mediation: Der Mediator tritt zwischen den Parteien als Vermittler auf, das Mediationsverfahren bietet den Parteien die Struktur, um gemeinsam und eigenverantwortlich zu einer einvernehmlichen wirtschaftlichen Lösung zu gelangen. Die Lösung kann auch Aspekte außerhalb des eigentlichen Konflikts mit einbeziehen.
- Schlichtung: Der Schlichter als „Autorität“ erarbeitet selbst einen Einigungsvorschlag (Schlichterspruch), den die Parteien annehmen oder dem sie widersprechen können. Bei der Schlichtung spielt die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts regelmäßig eine größere Rolle als bei der Mediation.
- Schiedsgutachtenverfahren: Dieses Verfahren eröffnet den Parteien die Möglichkeit, einzelne technische, rechtliche oder betriebswirtschaftliche Fragestellungen sachverständig klären zu lassen und dient als Grundlage einer Vereinbarung über den Gesamtstreit. Damit das Schiedsgutachten für die Parteien verbindlich ist, bedarf es vorab einer entsprechenden Vereinbarung.
- Adjudikation: Im Adjudikationsverfahrens wird der Streit durch Fachleute (sog. Adjudikatoren) einer schnellen Entscheidung zugeführt. Die Entscheidungen sind vorläufig bindend. Sie werden endgültig verbindlich, wenn keine Partei innerhalb einer vereinbarten Frist Widerspruch gegen die Entscheidung einlegt. Im Fall des Widerspruchs unterliegen sie der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte bzw. durch ein vertraglich vereinbartes Schiedsgericht, sind aber während der Durchführung eines solchen gerichtlichen Verfahrens wirksam und einzuhalten.
- Schiedsgerichtsverfahren (auch Schiedsverfahren): Das Schiedsgericht entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges verbindlich über Streitigkeiten. Die gesetzlichen Vorgaben für ein schiedsgerichtliches Verfahren sind in Abschnitt 10 der Zivilprozessordnung (§§ 1025 ff.) geregelt.
Es stehen verschiedene Verfahrensordnungen zur Verfügung, auf die bei der Vereinbarung von ADR-Verfahren zurückgegriffen und verwiesen werden kann, zum Beispiel die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL Bau) des Deutschen Beton- und Bautechik-Verein und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht, die Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) der Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwalt Verein oder verschiedene Verfahrensordnungen der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), um nur einige zu nennen.
Konflikte im Vorfeld vermeiden
Schon im Vorfeld der Entstehung eines Konflikts können die Beteiligten eines Immobilien- beziehungsweise Bauprojekts viel zur Vermeidung von Konflikten beitragen. So erscheint es sinnvoll, projektinterne Prozesse zu implementieren, die zu einer partnerschaftlichen Kommunikation zwischen den Beteiligten beitragen, wie regelmäßige, anlassunabhängige Gesprächsrunden auf Projektleitungs- und/oder Geschäftsführungsebene, gegebenenfalls unter Begleitung eines externen Sachverständigen, der von den Parteien gemeinsam ausgewählt wird. Auch die Festlegung von gegenseitige Dokumentations- und Informationspflichten kann konfliktvorbeugend wirken.
ADR-Verfahren können bei Auftreten eines Konflikts oder bereits bei Vertragsschluss vereinbart werden. Letzteres empfiehlt sich, da es häufig viel schwieriger ist, sich auf ein Verfahren oder eine zur Streitbeilegung berufene Person zu einigen, wenn der Konflikt bereits eingetreten ist. Außerdem fördert schon die Auseinandersetzung der Parteien mit ADR-Regelungen während der Vertragsverhandlungen die Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses über den Umgang mit drohenden oder eingetretenen Konflikten. Bereits dies führt zu einer erheblichen Reduzierung von Konflikten während der Durchführung des Projekts.
Gestufte Vorgehensweise
In der Praxis hat sich die Vereinbarung einer gestuften Vorgehensweise zur Konfliktlösung als sinnvoll erwiesen. Es muss zunächst versucht werden, den Konflikt auf Projektleitungs- und dann auf Geschäftsführungsebene beizulegen, bevor Dritte (Mediatoren, Schlichter, Schiedsgutachter, Adjudikatoren, Schiedsrichter) mit der streitigen Angelegenheit befasst werden. Dabei können einzelne der oben beschriebenen ADR-Verfahren hintereinandergeschaltet oder auch bis zu einem gewissen Grad kombiniert werden. Das (stark formalisierte) Schiedsgerichtsverfahren steht in der Regel erst als letzte Eskalationsstufe zur Verfügung.
Vertragliche Regelungen über ADR-Verfahren, egal zu welchem Zeitpunkt sie getroffen werden, sollten von hierauf spezialisierten Juristen formuliert werden. Ansonsten laufen die Parteien Gefahr, dass die Regelungen inkonsistent und im schlechtesten Fall nicht oder nicht sinnvoll durchführbar sind.
Da an Immobilien- und Bauprojekten regelmäßig eine Vielzahl von Unternehmen und Personen beteiligt sind, sollte immer auch die Möglichkeit der Einbindung Dritter in ADR-Verfahren geprüft und geregelt werden. Eine Streitverkündung gegenüber Dritten ist nicht schon per Gesetz möglich. Zu ihrer Einbindung bedarf es daher sowohl der Regelung zwischen den beiden Hauptstreitparteien als auch mit den (potenziellen) Dritten in deren Verträgen. Bei Mehrparteienkonstellationen sollten daher ausdrückliche Regelungen in allen Verträgen vorgenommen werden.

Vorteile von ADR-Verfahren
ADR bietet viele Vorteile gegenüber Verfahren vor staatlichen Gerichten. Der Hauptvorteil liegt darin, dass die Parteien selbst fachlich spezialisierte und persönlich geeignete Personen als Konfliktlöser auswählen können. Zudem sind ADR-Verfahren meistens kürzer und je nach Verfahrensart und -struktur auch kostengünstiger als solche der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Es sollte stets versucht werden, mit Hilfe von projektinternen Prozessen und ADR-Verfahren zu einer Konfliktvorbeugung beizutragen oder zu einer einvernehmlichen Konfliktlösung zu kommen, nicht zuletzt auch, um eine nachhaltige Schädigung von Geschäftsbeziehungen zu vermeiden.
Dr. Oda Wedemeyer ist Partnerin der GSK Stockmann Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft und stellvertretende Vorsitzende der DGA Bau Deutsche Gesellschaft für Außergerichtliche Streitbeilegung in der Bau- und Immobilienwirtschaft.