Porträt Jörn Zurmühlen
Jörn Zurmühlen (Quelle: Markus Gotzi)

Investment 2025-05-16T06:17:09.136Z „Secondaries kaufen Wahrheiten, keine Erwartungen“

Jörn Zurmühlen im Gespräch mit Markus Gotzi über den Paradigmenwechsel im Fonds-Zweitmarkt, neue Käuferprofile und wachsende Verkaufsbereitschaft institutioneller Anleger.

Herr Zurmühlen, Sie kennen die Märkte für den Handel von Secondaries in differenzierten Zyklen. Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

Jörn Zurmühlen: Die Niedrigzinsphase war maßgeblich geprägt durch einen Nachfrageüberhang. So ergab sich die Möglichkeit für Verkäufer, Anteile mit Aufschlägen auf den Net Asset Value (NAV) in der Spitze von bis zu 17 Prozent zu verkaufen. Heute schauen sich Investoren Angebote nur an, wenn mindestens ein Abschlag von fünf Prozent akzeptiert wird. Hauptmotiv seit Mitte der 90er-Jahre war für viele institutionelle Anleger, ihre Immobilienquoten zu erhöhen. Hier findet erstmals seit 30 Jahren ein Paradigmenwechsel statt.

Jörn Zurmühlen...

...unterstützt das Private-Markets-Team der Fondsbörse Deutschland um Alex Gadeberg und Jan-Peter Schmidt. Er bringt eine Menge Erfahrung mit, denn fünf Jahre lang war er Vorstand der Real Exchange AG, einem Handelsplatz für Sekundärmarktanteile institutioneller Immobilienfonds. Zuvor war Zurmühlen in Führungspositionen für CR Investment Management tätig.

Heute registrieren wir, dass sich der Fokus zunehmend zu immobilienaffinen Investoren verschoben hat, die wieder die Gelegenheit erkennen, mit Immobilien attraktive Renditen zu erzielen, bei geringerer Volatilität der Ausschüttungen und der Möglichkeit langfristiger Wertabsicherung. Alles Themen, die in der jüngeren Vergangenheit in Vergessenheit geraten sind.

Welche Rolle spielen die Banken und Sparkassen dabei?

Jörn Zurmühlen: Für Kreditinstitute war es in den 2010er-Jahren interessant, im Depot A zu investieren, um attraktive Renditen zu erwirtschaften, weil das klassische Kreditgeschäft aufgrund der Negativzinsen schwierig war. Getrieben durch die erhöhten Anforderungen an das Risikomanagement optimieren Anleger nun ihre Portfolios und schichten um.

Wir beobachten zwei Ausprägungen dieser De-Risking-Strategie: Zum einen den Austausch von Beteiligungen mit hohen Risikokoeffizienten nach den unter CRR zusammengefassten Eigenmittelanforderungen und zum anderen die Reduzierung der Anzahl beauftragter Asset-Manager auf bewährte Partner. Je mehr Asset-Manager, desto höher der Aufwand für Kontrolle, Prüfung und Abstimmungsprozesse. Ein weiteres Motiv war die Minimierung von Transaktionskosten bei Portfolioverkäufen durch die Rekapitalisierung ganzer Fonds. Dieses Geschäft ist weitestgehend zum Erliegen gekommen.

Ich hatte erwartet, die Marktentwicklung führt dazu, dass Altanleger zunehmend Fondsanteile verkaufen wollen oder müssen, weil die Werte teilweise massiv gesunken sind.

Jörn Zurmühlen: Genau das beobachten wir derzeit.

Müsste all das nicht zu massiven Verkaufsaufträgen führen?

Jörn Zurmühlen: Das tut es nur zum Teil. Dennoch haben wir aktuell Verkaufsmandate im Volumen von rund 450 Millionen Euro erhalten. Und das Angebot steigt kontinuierlich.

Mit Stillhaltevereinbarungen haben die Asset-Manager versucht, ihre Investoren bei der Stange zu halten. Viele davon laufen bald aus. Wird das zu vermehrten Verkaufsaufträgen führen?

Jörn Zurmühlen: Auf jeden Fall. Wir gehen davon aus, dass sich das Angebot ab dem zweiten Halbjahr 2025 dadurch erhöhen wird, auch weil die Asset-Manager stufenweise immer mehr Druck bekommen, insbesondere durch Banken, Wirtschaftsprüfer und letztlich auch durch die BaFin. Im schlimmsten Fall führt dies zu Kündigungen oder gar Abwicklung von Fonds. Dabei verlieren alle.

Wie finden Sie geeignete Käufer?

Jörn Zurmühlen: Anders als in der Niedrigzinsphase ist dies heute sehr viel aufwändiger geworden. Wir führen sehr viele Gespräche mit Investoren und finden in allen Branchen Kaufinteressenten, nur deutlich weniger als in der Vergangenheit. Es gibt potenzielle Käufer, in deren Portfolios Immobilien noch immer unterrepräsentiert sind und die jetzt die Chance für einen antizyklischen Einstieg suchen.  Andere zielen darauf ab, über Immobilienfonds Zugriff auf die darunterliegenden Assets zu bekommen. Und es gibt Investoren, die versuchen durch Diversifikation ihre Portfolios zu optimieren.

Maßgeblich für einen Deal ist dennoch der Preis. Da liegen Verkäufer und Käufer oft noch weit auseinander.

Jörn Zurmühlen: Ja, das stimmt. Allerdings nimmt die Bereitschaft auf der Verkäuferseite aktuell deutlich zu, auch höhere Abschläge auf den Net Asset Value (NAV) zu akzeptieren als noch im vergangenen Jahr. Beispiel Büros: Hier akzeptieren Verkäufer inzwischen zweistellige Abschläge. Offensichtlich setzt sich die Erkenntnis durch – anders als 2011 – durch Abwarten und Liegenlassen die Werte nicht wieder auf das alte hohe Niveau zurückkehren werden. Bei anderen Nutzungsarten, wie Wohnen, sind die Abschläge allerdings deutlich geringer.

Entscheidend ist, dass sich die Bewertung des jeweiligen Fonds an eine wettbewerbsfähige und risikoadjustierte Verzinsung angepasst hat. Investoren erwarten generell einen Spread der zehnjährigen Bundesanleihen zu attraktiven Immobilieninvestment von 100 - 200 Basispunkten. Dabei ist die erwartete laufende, jährliche Ausschüttungskraft entscheidender als der Total Return oder IRR. Je nach Nutzungsart liegen die Erwartungen der Investoren somit aktuell zwischen 4,0 Prozent und 6,5 Prozent Cash-on-Cash pro Jahr. Solange die Bewertungen der Fonds dies nicht erreichen, werden wir weiterhin Abschläge auf den NAV sehen.

Das gewaltige Finanzpaket der neuen Bundesregierung dürfte die Zinsen für Bundesanleihen erhöhen: Das wird die Sache nicht einfacher machen.

Jörn Zurmühlen: Das sehe ich genauso. Allerdings scheinen die aktuellen Entwicklungen in den Erwartungen der Investoren derzeit bereits weitestgehend eingepreist zu sein. Dies sehen wir ja im Übrigen auch auf der Fremdkapitalseite.

Was kann den Markt Ihrer Ansicht nach ankurbeln?

Jörn Zurmühlen: Die Vorteile des Sekundärmarktes liegen für alle beteiligten Parteien auf der Hand. Der Verkäufer kommt schneller und reibungsloser aus seiner Beteiligung heraus als durch eine Kündigung. Der Käufer hat kein Blindpool-Risiko. Er kann die Assets und den Manager konkret bewerten. Mit einem neuen Fonds kauft er Erwartungen. Mit Secondaries kauft er Wahrheiten, keinen Blindpool, sondern ein Investment mit Historie und Performance.

Der Asset-Manager bekommt keine Unruhe in den Fonds, was im Schlimmsten Fall bei den bekannten Domino-Effekten zu Kündigungen, zum Verkauf von Assets und einer notwendigen Abwicklung des Fonds führen kann. Wir beobachten vermehrt Aktivitäten von neuen Dachfondsanbietern, was ein gutes Zeichen ist. Der Sekundärmarkt für institutionelle Immobilienfonds in Deutschland wird sich entwickeln, weil er gebraucht wird und sinnvoll ist.

Das Gespräch führte Markus Gotzi.

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zuletzt editiert am 16. Mai 2025