Nicht mehr realisierbare Verkaufspreise zwingen immer mehr Projektentwickler zu ernsten Gesprächen mit ihren Bankern. Der Beratungsbedarf ist riesig.
Bei Timo Wagner steht das Telefon nicht mehr still. Er ist für das Debt Advisory Geschäft von JLL in Deutschland zuständig. „90 Prozent meiner Gespräche drehen sich darum, Projektentwickler zu retten“, sagt er. Die finanzielle Lage vieler Unternehmen aus der Branche scheint dramatischer als gedacht – vor allem bei Projektentwicklern.
Projektentwicklung ist ein gewinnstarkes Geschäft. Wenn alles gut geht, sind lukrative Renditen möglich. Allerdings ist damit auch ein enormes Risiko verbunden, schließlich müssen eine Menge Rädchen ins andere greifen, damit am Ende eine erfolgreiche Immobilienentwicklung entstehen kann. Das Management dieser Rädchen ist ein Geschäft für Profis. Auch wenn in den letzten zehn Jahren das ein oder andere Rädchen besser geölt war, ist mittlerweile Sand im Getriebe.
Schnelle Veränderungen an den Kapitalmärkten
Projektentwicklungen werden über einen sehr langen Zeitraum geplant. Von Einkauf des Grundstücks oder Bestandsgebäude über Entwurf, Baugenehmigung und letztlich dem Bau, Vermietung und Verkauf des Objekts vergehen auch gern mal zehn Jahre. Konjunkturelle Dellen, wie wir sie derzeit erleben, sind dabei nur schwer kalkulierbar. Das wirkt sich besonders dann negativ aus, wenn sich auch noch die finanziellen Parameter innerhalb kürzester Zeit ändern.
Dabei seien die Änderung der Finanzierungsparameter per se nicht das Problem, sondern vielmehr die schnelle Veränderung an den Kapitalmärkten, so Timo Wagner. Projektentwicklern fehlt damit die Zeit, auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren zu können.
Gleichzeitig erlebe Wagner immer mehr Projektentwickler, die sich damit auseinandersetzen müssen, eine Entwicklung in die eigenen Bücher zu nehmen, da der geplante Verkauf nicht mehr realisierbar ist. Damit würden viele Marktakteure neues Terrain betreten, mit dem sie in der Vergangenheit nichts zu tun gehabt hätten.
Institutionelles Kapital wird gern genommen
Ganz nebenbei hätten die Banken mit der Ablösung kurzfristiger Finanzierungsstrukturen, die im Rahmen einer Projektentwicklung üblich sind, ein lukratives Geschäft entdeckt. Banken können nun langfristige Kredite zu wesentlich höheren Konditionen vergeben, da sie natürlich den Zinsanstieg gern mitnehmen. Banken hätten eben kein Interesse, Eigentümer einer Projektentwicklung zu werden. Anders als Mezzaninefinanzierer. Diese wollen meistens so schnell wie möglich ihr Kapital zurück.
Dabei sind Banken nicht die einzigen Marktakteure, die derzeit gern kurzfristige durch langfristige Finanzierungen ablösen. Institutionelles Kapital werde gern genommen, so Wagner. Sie haben zumeist einen Vorteil, die Zusage für eine Finanzierung ist oftmals schon nach wenigen Tagen auf dem Tisch, während es bei Banken gern auch mal neun Wochen dauern kann, bis eine erste Rückmeldung erfolgt. Wagner nimmt Banken als unheimlich träge am Markt wahr.
Für 2023 sieht Wagner weiterhin große Schwierigkeiten bei Projektentwicklern. Es betreffe alle, so Wagner. Auch die Großen. Er könne bei weitem nicht alle Aufträge annehmen. Der Markt werde sich weiter konsolidieren.