Sanierung Gebäude
Zur Transformation des Bestands gibt es keine Alternative, wie Dr. Philipp Feldmann und Marco Ackermann in ihrem Meinungsbeitrag unterstreichen. (Quelle: Pixabay)

Nachhaltigkeit & ESG 2023-11-17T13:40:59.677Z Transformation im Bestand: Lösungen finden statt lamentieren

Die Transformation des Bestands verlangt nach konstruktiven Ansätzen – ein rationaler Blick auf die Zahlen hilft. Ein Beitrag von Dr. Philipp Feldmann und Marco Ackermann

Hoffen auf bessere Zeiten – so lässt sich das Sentiment der Immobilienbranche im Jahr 2023 wohl am besten beschreiben. Durchhalten ist die Parole. Doch anstatt auf fallende Zinsen, steigende Kaufpreisfaktoren oder gar die Politik zu warten, erscheint es zielführender, sich jetzt konstruktiven Ansätzen zuzuwenden und nicht in Passivität – wenn nicht gar Schockstarre – zu verharren. Das gilt umso mehr, da ein guter Teil des gewerblichen Gebäudebestands aus verschiedenen Gründen hohen Transformationsbedarf aufweist.

Porträtbild Dr. Philipp Feldmann
Cilon-Geschäftsführer Dr. Philipp Feldmann (Quelle: Cilon GmbH)

Hebel identifizieren

Eine berechtigtere Hoffnung als die auf zeitnah fallende Zinsen ist ohnehin jene auf stabile oder gar steigende Mieten. Das mag teilweise von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung abhängig und für einige Lagen wahrscheinlicher sein als für andere. Die Branche ist dem aber nicht hilflos ausgeliefert, sondern kann über die von ihr angebotene Produktqualität Einfluss nehmen.

Ein wichtiger Hebel sind die Baupreise. Hier mehren sich die Anzeichen, dass sie sinken, etwa bei Stahl und Beton. Verstärkt werden könnte das durch einen zunehmenden Wettbewerb der Anbieter bei sinkender Bautätigkeit respektive Nachfrage. Hier können Unternehmen angesichts dauerhaft höherer Energie- und Personalkosten immerhin eine Stabilisierung auf der Ausgabenseite darstellen.

Auch eine veränderte Klassifizierung von Bestandsgebäuden würde helfen. Dazu müsste sich diese weg von reinen Berechnungen der energetischen Effizienz, die faktisch eine Abwertung des gesamten gewerblichen Immobilienbestandes bedeutet, hin zu einer Lebenszyklusbetrachtung entwickeln, die die Nutzung des Bestandes, wie er heute bereits existiert, hinlänglich würdigt. Nur so erscheint ein Transformationsprozess realistisch.

Porträtbild Marco Ackermann
Cilon-Prokurist Marco Ackermann (Quelle: Cilon GmbH)

Realistisch bleiben

Um jedoch direkt die Erwartungen in Bahnen zu lenken: Eine einfache Rechnung zeigt, dass vollumfängliche Sanierungen bei vielen Gewerbeimmobilien hierzulande nicht wirtschaftlich darstellbar sind – zumindest nicht in jeder Lage und unter den bisher geltenden Parametern. Insbesondere in wenig dynamischen Mietteilmärkten, in denen sich die Marktmieten unter 15 Euro pro Quadratmeter bewegen, lassen sich umfangreiche Sanierungen schlicht nicht darstellen. Selbst bei bis zu 18 Euro Miete pro Quadratmeter wird es knapp. Man muss leider auch konstatieren: Sogar bei geschenkten Liegenschaften sind unter einem gewissen Mietzins Sanierungen mit dem gebotenen energetischen Anspruch wirtschaftlich nicht darstellbar.

Die Rechnung unterstellt, dass bei „alten“ Bürogebäuden, bei denen eine Klimaneutralität bis 2045 nur unter der Voraussetzung einer umfangreichen Sanierung herbeigeführt werden kann, Sanierungskosten zwischen 2.500 und 3.000 Euro netto pro Quadratmeter Mietfläche fällig werden, um die aktuellen bzw. zukünftigen Anforderungen an Immobilien abzubilden. Das umfasst in erster Linie die Gebäudehülle, also Dach und Fassade, die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) und den Innenausbau. Zugrunde liegen ferner ein für Ballungsgebiete realistischerweise erzielbarer Verkaufsfaktor von 20 sowie ein risikoadjustierter Projektentwicklergewinn von 18 Prozent. Auf dieser Basis ergeben sich je nach erzielbarem Mietniveau für den jeweiligen Standort die Kaufpreise je Quadratmeter, die Bestandsprojektentwickler zahlen respektive Verkäufer aufrufen können.

In den Bereich des (wirtschaftlich) Machbaren rücken Bestandssanierungen also, wenn der Mietmarkt mindestens 15 Euro pro Quadratmeter hergibt. Ausnahmen mögen die Regel bestätigen. Solche Mietpreise von 15 bis 24 Euro pro Quadratmeter lassen sich zuvorderst in B-Städten oder den B-Lagen etablierter Märkte realisieren.

(Un)Bewegliche Stellschrauben

Obwohl diese Zahlen zuversichtlich stimmen könnten, bauen sich in der Realität häufig an anderer Stelle Hürden auf: In den Büchern vieler Eigentümer stehen diese Objekte nach dem zu Ende gegangenen Immobilien- und Transaktionszyklus mit Werten von über 1.500 bis 3.000 Euro pro Quadratmeter – obwohl sie teilweise nicht mehr zeitgemäß sind und insbesondere nicht die Anforderungen der EU-Taxonomie erfüllen. Diese Werte ergaben sich aus dem zinsbedingt hohen Transaktionswerten, die jedoch wiederum nur wenig mit den Substanzwerten zu tun hatten.

Dass viele Gewerbeobjekte zu teuer in den Büchern stehen, ist den meisten Investoren bewusst. Die wenigsten gestehen dies jedoch offen ein oder passen gar ihre Preiserwartung an. Auch die Immobilienbewerter sind in den Wertkorrekturen zurückhaltend, was nicht zuletzt an gegenwärtig fehlender Markevidenz liegen mag. Das ist zwar verständlich, aber wenig zweckdienlich. Möglicherweise bietet sich ein Ansatz an, auch wenn dieser auf den ersten Blick ungewöhnlich klingen mag: Investoren müssen nur einen Tag glauben, dass ein Quadratmeter ihrer Immobilie eben nicht beispielsweise 2.000, sondern nur 1.000 Euro wert ist. In diesem Moment öffnet sich die Tür, um gemeinsam mit einem erfahrenen Developer die Immobilien wieder zeitgemäß bzw. nachhaltig zu entwickeln, um eine Werterhöhung der Immobilie, aber auch der Mietverträge sicherzustellen, die schließlich die „Wertlücke“ wiederherstellen.

Nichtsdestotrotz fallen viele Immobilien durchs Raster. Einige werden noch eine Weile durch risikoaffines Kapital am Markt zu halten sein. Auch einige Nicht-Immobilienunternehmen mit Immobilieneigentum werden Maßnahmen zur Ertüchtigung ergreifen, um die Funktionalität für ihren jeweiligen Unternehmenszweck aufrecht zu erhalten. Für einen Großteil der Immobilien mit Büronutzung hierzulande trifft das aber nicht zu. Die Daseinsberechtigung für diese Art von Immobilien an den betroffenen Standorten erlischt – schon alleine deshalb, weil die Mieter über kurz oder lang Reportingpflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Mietflächen erfüllen müssen, aber auch im Sinne ihrer Mitarbeiter „alte“ Flächen gegen nachhaltige und flexible Arbeitsräume tauschen werden. Mögliche Auswege bieten Konversionen und Umnutzungen. Kapitalbedarf entsteht wohlgemerkt auch hierdurch, wenn man an umfangreiche Quartiersentwicklungen denkt.

Lösungssuche

Den Bestand zu ertüchtigen, um graue Energie zu minimieren, regulatorischen Anforderungen zu genügen und Werte mindestens zu sichern, im besten Falle aber (wieder) zu heben, ist ohne Alternative. Das erfordert Weitsicht und einen konstruktiven Diskurs zwischen Eigentümern, Investoren, Mietern und Entwicklern, um gemeinsam zu einem Nenner zu gelangen. Andererseits hilft die Einsicht, dass die erforderlichen Kapazitäten und das Know-how bei den Eigentümern oft nicht gegeben sind. Der Markt muss sich vor diesem Hintergrund neu sortieren und viele Player werden sich neu ausrichten müssen. Das Problem: Die Uhr tickt. Zeit, um in neuen Geschäftsfeldern Erfahrungen zu sammeln, bleibt nicht.

Ein Beitrag von Dr. Philipp Feldmann, Geschäftsführer, und Marco Ackermann, Prokurist, Cilon GmbH.

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zuletzt editiert am 17. November 2023