Christoph Tholl, Geschäftsführer Tholl Gruppe
Christoph Tholl, Geschäftsführer Tholl Gruppe (Quelle: Tholl Gruppe)

Management 2025-05-16T11:58:57.534Z Altes Thema, neuer Hype – zweite Miete bei Gewerbeimmobilien

Nutzerkosten senken, ohne die Miete anzutasten: Eigentümer fokussieren sich verstärkt auf die zweite Miete. Von Christoph Tholl

Es ist ein Thema, das seit Jahrzehnten in Wellen immer wieder mal Konjunktur hat, dann abtaucht und irgendwann wieder auftaucht. So auch aktuell. Gemeint sind die Nebenkosten als sogenannte zweite Miete bei Gewerbeimmobilien. Eigentümer und ihre Asset-Manager haben nach unserer Beobachtung gegenwärtig ein so hohes Interesse wie lange nicht mehr, die Nebenkosten für bestehende und neue Mieter niedrig zu halten.

Der Grund liegt natürlich darin, für Nutzer die Gesamtmietbelastung zu reduzieren, ohne dass dies die Nettomiete betrifft: Der Gewerbeimmobilienmarkt leidet in vielen Segmenten bekanntlich schon länger unter einer schwachen Nachfrage – Büro aufgrund der anhaltenden konjunkturellen Schwierigkeiten der Unternehmen sowie des Homeoffice-Effekts, Einzelhandel wegen der weit verbreiteten Kaufzurückhaltung (viele Menschen hatten im Jahresverlauf entweder weniger in der Tasche oder setzten das Sparen vor das Kaufen) und dem Wettbewerb des stationären Handels zum E-Commerce. Bei Premium-Immobilien lässt sich bei einer sinkenden zweite Miete womöglich die erste, also die Nettomiete, sogar erhöhen. 

Von Cradle-to-Cradle bis BIM

Aber wie gelingt es, die Nebenkosten tatsächlich niedrig zu halten? Vor allem im Neubau von Büro- oder Handelsflächen gibt es zahlreiche Ansätze, beispielsweise das Cradle-to-Cradle-Prinzip inklusive Bauteil- und Materialkataster im Building Information Modeling (BIM) – dadurch wird ersichtlich, wo die CO2-Intensität mit welchen Massen sitzt und wo die entsprechenden Einsparpotenziale zu heben sind. Wir plädieren dabei für das Pareto-Prinzip: Wo lassen sich mit 20 Prozent des Aufwands 80 Prozent an Einsparung erzielen?

Natürlich lassen sich auch ohne BIM vielfältige Maßnahmen für geringere Nebenkosten identifizieren: Photovoltaik – auf dem Dach, aber möglicherweise auch an der Fassade – zur Erzeugung von Mieterstrom und die Kombination mit Luft-Wasser-Wärmepumpen oder Erd-Wärmepumpen zur Heizung sind typische Beispiele. Generell bedeutet mehr Elektrifizierung auch mehr Chancen auf Nachhaltigkeit.

Ein weniger oft gewählter Weg kann aber auch sein, dem Lowtech-Gedanken den bewussten Vorzug vor Hightech zu geben, Stichwort Suffizienz: Eine klug gewählte Architektur erlaubt es beispielsweise, auf eine Klimaanlage zu verzichten – das Gebäude selbst kann schon durch eine günstige Ausrichtung auf dem Grundstück, durch außenliegenden Sonnenschutz, durch geeignete Materialien und je nach Möglichkeiten durch eine dickere Wandstärke vor übermäßiger Aufheizung im Sommer geschützt sein; gleiches gilt übrigens im Hinblick auf eine übermäßige Auskühlung im Winter.

Technik darf Einsparungen nicht aufzehren

Angesichts weiterhin hoher Energiekosten sowie der steigenden Belastung durch die (regulatorisch gewollte) CO2-„Straf“-Bepreisung für Emissionen aus dem Gebäudebetrieb, die sowohl Vermieter auch Mieter treffen, müssen Maßnahmen für weniger Nebenkosten stets auf die Energieverbräuche und -quellen, aber natürlich auch auf den Energiebedarf, die Wartungsintensität und die Reparaturanfälligkeit der technischen Gebäudeausrüstung abzielen. Denn Fakt ist: Je nach Nutzungsart wird der Vorteil eines energieeffizienten Gebäudes durch den oft damit verbundenen Einsatz von zunehmend mehr und dabei immer komplizierteren Technik aus Kostensicht erstaunlich weit aufgezehrt – wenn bei Gewerbegebäuden die TGA bis zu 50 Prozent der Gesamterstellungskosten ausmachen, wird sie womöglich indirekt Treiber einer höheren ersten Miete.

Insofern kommt es bei der TGA auf einen Gesamtblick mit möglichst wenigen Schnittstellen und möglichst wenig Informations- und Reibungsverlust an: Wer Nachhaltigkeit in der TGA von Beginn an bei der Fördermittelberatung und -gewinnung aus allen denkbaren Töpfen (EU-, Bundes-, Landes-, kommunale und Gemeindetöpfe) und dann konsequent und umfassend über alle Schritte der Planung bis hin zum Innenausbau für den Nutzer integriert statt isoliert betrachten kann, wird bessere Lösungen bieten – sowohl aus ökonomischer als auch aus Nachhaltigkeitssicht.

Nachhaltigkeitsberatung vor dem ersten Architektengespräch

Es empfiehlt sich daher eine Nachhaltigkeitsberatung in der frühestmöglichen Projektphase – idealerweise noch vor dem ersten Gespräch mit dem Architekten, um schon den Rahmen für die Planung in Varianten zu prüfen und auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu optimieren. Zudem sollte bei der Nachhaltigkeitsberatung auch gleich die genannte Fördermittelprüfung berücksichtigt werden, um Gesamtmaßnahmen, die auf den ersten Blick vielleicht unwirtschaftlich erscheinen, realistisch bewerten zu können.

Last but not least: Kostenkalkulationen von Nachhaltigkeitsberatern, die keine eigene Baukompetenz mitbringen, entsprechen oft nicht der Realität. Beratung, Planen und Bauen können heutzutage in den meisten Fällen nur noch dann zu termin- und kostentreuen Ergebnissen führen, wenn die jeweiligen Kompetenzen gebündelt eingebracht werden. Selbst dann, wenn nur eine Teilaufgabe wie eben die Beratung beauftragt wird oder ein Bauherr ein anderes Leistungspaket herauspickt, ist so bei der jeweiligen Leistung stets ein realistischer Gesamtblick auf die Wertschöpfungskette gewährleistet.

Chancen im Bestand

Während im Neubau die größten Chancen auf niedrige Nebenkosten also ganz am Anfang liegen, muss im Bestand logischerweise „von hinten“ geguckt werden. Hierbei sind ebenfalls die Nachhaltigkeitsberater gefragt – Stichwort „Manage to ESG“ und Verbesserung der Position auf dem CRREM-Pfad –, wobei erneut unter anderem der Blick auf die Fördermittel essenziell ist. Wir stellen in unserer Arbeit fest, dass sich unter anderem die Dämmung des Dachs besonders anbietet, zumindest im Vergleich zur zusätzlichen Fassadendämmung, die sich nur sehr selten lohnt. Grundsätzlich aber gilt: Der Sanierungsfahrplan beziehungsweise der Beratungsansatz sollte stets individuell sein und hängt zuallererst vom Typus des Eigentümers ab – handelt es sich um einen langfristigen Bestandshalter, um einen Fonds mit Haltezeit von fünf Jahren, 20 Jahren, oder für 100 Jahre oder ist es ein Projektentwickler mit rascher Exitstrategie.

Und der Fahrplan muss stets auch das Facility-Management einbeziehen. Denn schon vermeintlich simple Maßnahmen wie der hydraulische Abgleich im Heizungssystem können enorme Einsparwirkungen haben – man muss sie eben nur durchführen. Ähnliches gilt für den Austausch von Halogen-Lampen gegen LED-Leuchtmittel, sofern nicht bereits geschehen. Falls ein digitaler Zwilling des bestehenden Gebäudes erstellt wurde (mittels Laserscan sind im Bestand längst Genauigkeiten bis zur exakten Verortung der Fußleisten möglich) und darauf basierend nachträglich ein BIM-System möglich ist, kann das Facility Management die Effizienz im Gebäudebetrieb weiter erhöhen.

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zuletzt editiert am 16. Mai 2025