Berlin bleibt trotz wachsender Herausforderungen ein Hotspot für Immobilieninvestoren – mit Chancen in neuen Marktsegmenten. Von Benjamin Rogmans
Es ist zur Gewohnheit geworden, über die Hauptstadt zu schimpfen. Der alte Mythos von „arm, aber sexy“ sei vorbei. Die einstige Partyhauptstadt, Zufluchtsort für Kreative und Experimentierfeld für Start-ups, steht heute vor neuen Herausforderungen: steigende Mieten, zu wenig Neubau, eine sich wandelnde Wirtschaftsstruktur. Doch bedeutet das, dass Berlin an Strahlkraft verliert? Ganz im Gegenteil.
Berlin war nie eine Stadt, die stillstand. Die Metropole zieht weiterhin Menschen an – junge Talente, Gründer, internationale Fachkräfte. Die Bevölkerung wächst, und mit ihr steigt die Nachfrage nach Wohnraum und Gewerbeflächen. Doch die Bautätigkeit hält damit nicht Schritt. Die Folgen dieser Entwicklung werden erst in den kommenden Jahren voll spürbar.
Wer kauft in Berlin? Der Markt im Wandel
Lange Zeit dominierten institutionelle Investoren den Berliner Immobilienmarkt. Doch das Bild hat sich gedreht: Bis zu 80 Prozent der Käufer kommen heute aus dem privaten Sektor – darunter vermögende Einzelinvestoren, Family Offices und semiprofessionelle Akteure. Besonders in den letzten zwei Jahren war dieser Trend sichtbar: Während institutionelle Anleger zögerten, kauften private Investoren antizyklisch.
Auch die Herkunft der Käufer hat sich verändert. Noch vor fünf Jahren prägten internationale Investoren den Markt, 2023 kamen 90 Prozent der Transaktionen aus dem Inland. Das Interesse aus dem Ausland wächst zwar wieder, doch wer mit großen Summen investieren will, stößt auf ein Problem: Auf dem Markt gibt es kaum geeignete Objekte im Bereich 100 Millionen Euro aufwärts, die als Seed-Investment dienen können.
Wohnraum bleibt knapp – und wird noch knapper
Dabei sind die Bedingungen für Investoren hervorragend, denn der Wohnungsmarkt in Berlin steht vor einer paradoxen Situation: Während der Neubau stagniert, wächst die Stadt weiter. Baugenehmigungen sind dramatisch gesunken, Projekte werden aufgeschoben, weil Baukosten und Zinsen hoch sind.
Als Folge steigen die Mieten – vor allem im Bestand. Neubau bleibt aufgrund hoher Baukosten und regulatorischer Unsicherheiten gedämpft, sodass sich der Mietmarkt zunehmend auf den Bestand konzentriert. Für Investoren ist das eine seltene Marktkonstellation: Die Kaufpreise sind gefallen, während die Mieten weiter steigen. In den kommenden Jahren dürfte sich dieser Trend fortsetzen.
Büroimmobilien: Die Qualität zählt mehr denn je
Auch der Büromarkt durchläuft eine Transformation. Flexible Arbeitsmodelle haben den Flächenbedarf verändert, doch eines bleibt entscheidend: der Standort. In einer Stadt mit wachsendem Fachkräftemangel wird der Arbeitsplatz zu einem wichtigen Faktor für Unternehmen.
Büroimmobilien in erstklassigen Lagen mit guter Infrastruktur, Gastronomie, Freizeitangeboten und Kultur in der Nähe sind gefragt. Menschen, die ins Büro gehen, wollen zumindest an einem attraktiven Ort arbeiten. In peripheren Lagen oder wenig modernen Gebäuden wird die Nachfrage hingegen schwächer.
Clubsterben? Wandel gehört zur Stadt
Das vermeintliche „Clubsterben“ wird oft als Beleg dafür genommen, dass Berlin seine kreative Seele verliert. Doch wer die Stadt kennt, weiß, dass das Unsinn ist. Natürlich schließen Clubs – das haben sie in Berlin aber schon immer getan. Orte verschwinden, neue entstehen. In den 1990ern waren es illegale Kellerpartys, später Industriebrachen, dann kamen die ikonischen Clubs, die Berlin weltweit berühmt machten. Heute sind die Bedingungen anders, doch die kreative Szene ist längst nicht am Ende.
Diese Stadt lebt von ihrer Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Gerade weil Räume für Kultur und Subkultur nicht selbstverständlich sind, bleibt Berlin ein einzigartiger Ort für Kreative und unkonventionelle Köpfe. Das gilt auch für den Immobilienmarkt: Es sind genau diese Veränderungen, die die Stadt immer wieder für Investoren attraktiv machen.
Investieren in Berlin – jetzt oder nie?
Berlin bleibt eine der dynamischsten Metropolen Europas. Die wirtschaftlichen Herausforderungen mögen groß sein, doch genau darin liegen die Chancen. Wer die Stadt versteht, erkennt ihren einzigartigen Rhythmus: Wandel ist hier keine Ausnahme, sondern die Regel.
Investoren, die heute handeln, setzen auf eine Stadt, die nicht in starren Strukturen verharrt, sondern sich immer wieder neu erfindet. Die Knappheit an Wohnraum, die Transformation der Arbeitswelt und der ungebrochene Zuzug machen Berlin zu einem Markt mit Perspektive.
Berlin hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder neu definiert – vom kreativen Experimentierfeld zur Start-up-Hochburg, von der Partymetropole zu einem international relevanten Wirtschaftsstandort. Und auch jetzt wird die Stadt ihren Weg finden. Wer hier investiert, setzt nicht nur auf eine Metropole mit Geschichte, sondern auf eine Zukunft, die noch geschrieben wird.
