Zwischen Reformdruck und Realismus: Der Wohnungsbau braucht keine neuen Programme, sondern funktionierende Prozesse. Von Kruno Crepulja
Der Wohnungsneubau hinkt in Deutschland seit Jahren seinem Bedarf hinterher. Das erleben wir in der Projektentwicklung Tag für Tag. Mit dem geplanten „Wohnungsbau-Turbo“ hat das neue Bundeskabinett zwar ein politisches Ausrufezeichen gesetzt. Doch zwischen Gesetzestext und gebautem Bestand gilt es noch Genehmigungsverfahren, Finanzierungslücken und kommunale Realitäten zu überwinden. Wir brauchen nicht noch mehr und neue Programme, sondern das System muss jetzt bereit sein, die bestehenden auch umzusetzen.
Chancen und Grenzen des Paragrafen 246e BauGB
Wir begrüßen den neuen Paragrafen 246e BauGB ausdrücklich. Dieser soll es ermöglichen, in bestimmten Fällen vom geltenden Planungsrecht abzuweichen. Ziel ist eine schnellere Genehmigung von Wohnungsbauprojekten, etwa durch verkürzte Prüfzeiten oder erleichterte Nachverdichtungsmöglichkeiten im Bestand. Die Prüfzeit läge bei maximal acht Wochen, wenn sich Kommunen für das beschleunigte Verfahren entscheiden. Die Idee ist stark – aber sie bleibt optional.
Gerade deshalb muss Paragraf 36a BauGB, der die kommunale Zustimmung regeln soll, mit Augenmaß strukturiert werden. Wenn Abweichungen vom geltenden Recht zugelassen werden, darf dies nicht durch neue bürokratische Hürden konterkariert werden. Der Mehrwert entsteht erst dann, wenn schneller und einfacher gebaut werden kann – nicht nur anders. Wenn Kommunen diesen Spielraum nicht nutzen, bleibt alles Theorie. In der Praxis stoßen wir regelmäßig auf langwierige Gutachten, Umweltauflagen und lärmbezogene Prüfungen, die den Bau verlangsamen und verteuern.
Sonderabschreibung zeigt Wirkung, löst aber keine Strukturprobleme
Die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau ist ein markanter Hebel, der Bewegung in den Markt bringt. Die Kombination aus Sonder-AfA (§ 7b EStG) und degressiver Abschreibung (§ 7 Abs. 5a EStG) bietet Kapitalanlegern die Möglichkeit, innerhalb von zehn Jahren bis zu 50 Prozent des Kaufpreises steuerlich abzuschreiben. Das bedeutet spürbare Steuerentlastung von Anfang an und ein beschleunigter Vermögensaufbau. Steuerlich ist das derzeit eine der attraktivsten Investitionsmöglichkeiten und das hat der Markt erkannt.
So stoßen Projekte, die gezielt auf die neuen Förderbedingungen zugeschnitten wurden, auf starkes Nachfrageinteresse bei privaten Investoren. Der steuerliche Hebel entfaltet dabei eine doppelte Wirkung: Einerseits reduziert er das individuelle Investitionsrisiko und verbessert andererseits die Vermarktungsfähigkeit energieeffizienter Neubauten.
Gleichwohl gilt, dass der Effekt ohne verlässliche Genehmigungsverfahren und weniger Normendichte langfristig verpufft. Steuern können Rückenwind geben, aber sie ersetzen kein tragfähiges Fundament.
Strategische Hebel für leistbaren Wohnraum
Wenn über Beschleunigung gesprochen wird, dann muss serielles Planen und standardisiertes Bauen eine zentrale Rolle spielen. Hier liegt enormes Potenzial, Bauzeit und Kosten deutlich zu senken. Durch digitale Planung und industrielle Vorfertigung lassen sich Projekte effizienter realisieren, ohne Abstriche bei Qualität oder Architektur machen zu müssen. Im Gegenteil: Zahlreiche Projekte unserer Tochtergesellschaft nyoo belegen, dass die hinterlegten Baukonzepte sowohl wirtschaftlich tragfähig als auch städtebaulich und gestalterisch überzeugend umgesetzt werden können. Dabei entstehen moderne Wohnimmobilien, die sowohl energetische Anforderungen erfüllen als auch leistbaren Wohnraum für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen bereitstellen.
Damit sich dieses Potenzial in Deutschland flächendeckend entfalten kann, braucht es jedoch flankierende politische Leitplanken. Etwa 70 bis 80 Prozent des verfügbaren Baulands sollten seriell geplant werden. Die restlichen Flächen bieten die Chance für individuelle Architektur, die städtebauliche Qualität und gesellschaftliche Identifikation fördert. Wir brauchen mehr Mut zur Standardisierung, eine zügige Einführung des Gebäudetyps E und bundesweit abgestimmte Typengenehmigungen.
Infrastrukturpaket als Chance und Herausforderung für den Wohnungsneubau
Auch das von der Bundesregierung geplante Infrastrukturpaket in Höhe von rund 500 Milliarden Euro für Verkehrswege, Bildungsinfrastruktur, Energieversorgung und Digitalisierung bietet eine Chance, Impulse für den Wohnungsneubau zu setzen. Verbesserte Standortqualitäten und eine modernisierte Infrastruktur können die Attraktivität vieler Regionen steigern – und damit auch die Nachfrage nach Wohnraum erhöhen.
Gleichzeitig dürfen die bestehenden Herausforderungen nicht außer Acht gelassen werden. Im Bauhauptgewerbe gibt es seit Langem mehr als 40.000 offene Stellen für gewerbliche Fachkräfte, die nicht besetzt werden können. Diese Situation wird sich voraussichtlich weiter verschärfen. Der geplante Ausbau der öffentlichen Infrastruktur und der Mangel an leistbarem Wohnraum für Fachkräfte in den Städten erhöhen den Druck zusätzlich. Auch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Baumaterialien und die begrenzten Kapazitäten der Bauwirtschaft tragen dazu bei, dass dringend benötigte Vorhaben nur schwer umzusetzen sind.
Fazit: Von der politischen Theorie in die reale Praxis
Frei finanzierter Wohnungsbau ist heute bereits wirtschaftlich umsetzbar – das zeigen wir als Unternehmen Tag für Tag. Doch damit aus ambitionierten Zielen auch spürbare Ergebnisse werden, braucht es jetzt vor allem eines: die konsequente Umsetzung. Die Politik ist gefordert, den Worten auch Taten folgen zu lassen – mit klaren Entscheidungen, verlässlichen Rahmenbedingungen und beschleunigten Verfahren. Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass aus einem gut gemeinten Wohnungsbau-Turbo auch echter Fortschritt wird.
Die Lösungen sind bekannt. Jetzt geht es nicht um neue Überschriften, sondern darum, endlich loszulegen. Denn es ist höchste Eisenbahn.
Kruno Crepulja ist Vorstandsvorsitzender und CEO der Instone Real Estate Group.