Zwei Menschen stehen an einem Tisch und zeigen auf Blätter, daneben steht das Modell einer Immobilie
Viele Unternehmen schätzen sowohl die Potenziale als auch ihre eigenen Fähigkeiten im Bereich Digitalisierung schwächer ein als im Vorjahr – das zeigt eine aktuelle PwC-Studie. (Quelle: iStockphoto)

Digitalisierung 2024-03-14T08:20:07.946Z Transformation im Bausektor: Zu analog für die Krise

Bauunternehmen und Planer leiden unter der schlechten konjunkturellen Lage, aber auch unter strukturellen Problemen. Der Transformationsdruck ist höher denn je, aber es bewegt sich weiterhin zu wenig. Dafür sind auch die Bauherren verantwortlich. Von Johann Helot

Nicht nur in der Immobilienwirtschaft hängen viele Flaggen auf Halbmast: Bei Bauunternehmen und Planungsbüros ist die Stimmung nicht besser. Von rückläufigen Auftragsvolumina haben die einschlägigen Verbände bereits ausführlich berichtet. Eine PwC-Befragung fühlt Bauunternehmen und Planern auch in punkto Zukunftserwartungen auf den Puls. Die Ergebnisse sind beunruhigend.

„Von den Auswirkungen der Corona-Pandemie sind beide Branchen noch weitgehend verschont geblieben, aber das Blatt hat sich gewendet“, konstatiert Rebekka Berbner, Partnerin bei PwC und Mitautorin der Studie, an der 100 Unternehmen aus beiden Branchen teilgenommen haben. Die Studie wird in vergleichbarem Format seit 2020 durchgeführt, weshalb ihre Ergebnisse gut mit früheren Jahren vergleichbar sind.

Der Krisenmix aus geopolitischer Lage, steigenden Zinsen, Ressourcenknappheit und Klimaerwärmung hat mehr oder weniger konstant deutliche Auswirkungen auf die Geschäftsaktivitäten der Unternehmen: Aktuell geben 51 Prozent der Antwortenden an, dass sie die aktuelle Situation zu spüren bekommen. Dabei sind die Planer, die in der frühen Phase der Wertschöpfungskette tätig sind, mit 74 Prozent weitaus stärker betroffen als die Bauunternehmen (44 Prozent). Hauptsorgen sind die Volatilität von Preisen, der Kostendruck sowie der Fachkräftemangel.

77 Prozent der Bauunternehmen und sogar 83 Prozent der Planer beklagen den Wegfall von Projekten. Hier zeigen sich die Bremsspuren der Flaute am sichtbarsten – im Vorjahr lagen die entsprechenden Werte noch deutlich niedriger. Diese Entwicklung wird beide Branchen verändern: Jedes zweite Unternehmen denkt über eine Neuausrichtung nach. Die Zahl derer, die mit Umstrukturierungen sowie Mergers & Acquisitions rechnet, hat sich im Vergleich zu 2021 verdoppelt. Jedes dritte Unternehmen plant offenbar den Rückzug aus bestehenden Märkten sowie die Eliminierung bestehender Geschäftsmodelle. „Diese Werte erreichten auch 2023 bereits hohe Werte. Sie deuten auf eine Konsolidierung sowohl im Bau- als auch im Planungssektor hin“, erläutert Berbner.

Projektentwickler könnten sich also Sorgen machen, dass im nächsten Aufschwung nicht mehr ausreichend Bau- und Planungskapazitäten zur Verfügung stehen. Hier herrscht diesbezüglich aber eher Gelassenheit vor. „Bis der Markt wieder anzieht, wird ein gesundes Schrumpfen stattfinden. Die Preise werden sich dem neuen Marktumfeld anpassen. Eine Gefahr, dass die Bauindustrie dann so weit geschrumpft ist, dass die steigende Anfrage zu Bauleistungen nicht mehr bedient werden kann, sehen wir nicht“, sagt dazu Joachim Schmidt-Mertens, Geschäftsführer von Becken Development.

Digitalisierung ohne Elan

Die konjunkturbedingten Sorgen sind möglicherweise vorübergehender Natur. Was bleibt, sind ungelöste Strukturprobleme. Die PwC-Studie befragte die Unternehmen ausführlich zu Stand und Perspektiven der Digitalisierung. 2021 herrschte diesbezüglich bei Bauunternehmen und Planern noch fast euphorischer Optimismus. Damals glaubten 89 Prozent der Befragten, die Folgen der Corona-Pandemie würden die Digitalisierung beschleunigen. Von diesem Elan ist nichts mehr übrig. Bei den Bauunternehmern ist eine zurückhaltende Entwicklung der Potenziale und Fähigkeiten in den Bereichen Digitalisierung zu erkennen. Die Unternehmen schätzen sowohl die Potenziale als auch ihre eigenen Fähigkeiten größtenteils schwächer ein als im Vorjahr. Bei den Planern ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Besonders auffällig ist der Rückgang bei Simulation und Visualisierung und BIM – das Potenzial dieser Technologien wird um 20 Prozentpunkte niedriger eingeschätzt als im Vorjahr.

„Die digitale Transformation von Bau- und Planungsbranche ist ins Stocken geraten“, kritisiert Christian Elsholz, Partner bei PwC und Mitautor der Studie. „Beide Sektoren hinken anderen Branchen immer weiter hinterher.“ Dabei sehen die Beteiligten die Vorteile digitaler Technik durchaus – eine verbesserte Zusammenarbeit der Akteure, Kostenreduktionen, kürzere Projektphasen und höhere Umsätze. Woher rührt also die Stagnation?

Verantwortung der Bauherren

Zumindest eine Teilschuld tragen offensichtlich die Auftraggeber, also die Bauherren. Nur ein Fünftel der antwortenden Bauunternehmen und 35 Prozent der Planer sagen, dass digitale Tools und Lösungen bei öffentlichen Ausschreibungen stark oder sehr stark eingefordert werden. Im Vergleich zu früheren PwC-Befragungen ist in dieser Hinsicht keine Aufwärtsbewegung zu erkennen. Die Digitalisierung stagniert, weil die Bauherren auf der Stelle treten.

Dabei wäre eine innovativere Haltung wichtig: „Die Digitalisierung ist ein wichtiger Faktor, um Bauen wieder lukrativer zu machen. Erschreckenderweise steckt die Digitalisierung in der Bau- und Immobilienindustrie in vielen Bereichen immer noch in den Kinderschuhen“, kritisiert Joachim Schmidt-Mertens von Becken Development, einem Entwickler, der bereits stark auf digitale Lösungen setzt.

Dort, wo konsequent digitalisiert wird, werden die Früchte längst geerntet. „Im weitestgehend standardisierten Wohnsegment lassen sich Planungsprozesse digital nahezu vollständig abbilden und KI-gestützt automatisieren“, berichtet Thomas Mohr, COO der DIEAG, aus der eigenen Praxis. Das sei allerdings nicht die Regel, wie Schmidt-Mertens weiß: „Beispielsweise reden alle von BIM, es gibt aber immer noch zu viele Planungsbüros, die kein BIM-Modell erstellen können. Wo es erstellt werden kann, wird Potenzial von BIM-Modellen bei Weitem nicht ausgeschöpft.“

„Das Planungs- und Baugeschehen bedarf dringend einer umfassenden Transformation“, fordert Rebekka Berbner. „Bauen in Deutschland ist zu teuer, erzeugt zu viele Reibungsverluste und dauert zu lange. Ohne eine umfassende und weitestmöglich digitalisierte Neuaufstellung werden sich diese Probleme nicht lösen lassen.“ Eine Botschaft, die sich an alle drei Branchen richtet – Bauwirtschaft, Planer und Immobilienwirtschaft.

Die vollständige PwC-Studie „Bauindustrie unter Druck“ finden Sie hier zum Download.

Auch interessant:

zuletzt editiert am 14. März 2024