Luftaufnahme eines städtischen Wohngebiets mit modernen Gebäuden und Grünflächen.
Lageplan zum städtebaulichen Entwurf „Am Rotweg“. (Quelle: ISSS research | architecture | urbanism)

Standorte & Märkte 2025-07-08T07:33:41.239Z Stuttgart zwischen Aufbruch und Realität

IBA’27 prägt den Wandel: Die schwäbische Metropole setzt Maßstäbe für zukunftsweisende Stadtplanung.

Mit der Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) rückt Stuttgart die Frage nach der zukunftsfähigen Stadt in den Mittelpunkt. Dabei soll die IBA’27 kein klassisches Ausstellungsformat sein, sondern ein langfristiges Transformationslabor für Stuttgart und die Region. Ihr Leitmotiv der „produktiven Stadt“ will Wohnen und Gewerbe dichter verzahnen.

Axel Ramsperger, Vorstandsvorsitzender IWS Immobilienwirtschaft Stuttgart e. V. sagt dazu: „Mit der IBA werden wichtige Impulse für die Zukunft als kreative Vorschläge für die kommenden Jahre gegeben.

Die Erwartungshaltung, dass vom ersten Präsentationstag an alles wie ein Blumenstrauß blüht, ist sicherlich vermessen.“ Bislang wurden 32 Vorhaben in der Region offiziell als IBA-Projekte anerkannt – zehn davon in Stuttgart. Ziel ist es, Antworten auf urbane Herausforderungen zu geben und eine ökologisch wie sozial tragfähige Stadtentwicklung zu etablieren.  

„Das Leitmotiv ‚Die produktive Stadt‘ zielt darauf, Wohnen und Gewerbe langfristig in Einklang zu bringen. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Verordnungen wie die TA Lärm oder extensive Ausgleichsflächen setzen leider enge Grenzen und verhindern oft auch intensiv genutzte Gewerbeflächen.

Die städtebauliche Verdichtung für Gewerbe und Wohnen ist ebenso wichtig wie Vorschläge zur Änderung der alten Baustaffeln und B-Pläne. Für die Transformation braucht es auch zusammenhängende Industrieflächen, die dafür bereitgestellt werden“, sagt Ramsperger. Unter den anerkannten Projekten stechen einige besonders hervor, da sie exemplarisch für die Leitideen der IBA stehen:

Quartier Am Rotweg: Im Norden der Stadt entsteht mit dem Quartier „Am Rotweg“ ein Modellprojekt für soziale Durchmischung, genossenschaftliches Wohnen und nachhaltige Bauweise. Mehrgenerationenwohnen, gemeinschaftlich genutzte Flächen und ein klimafreundliches Energiekonzept zeichnen das Projekt aus. Trotz üblicher Bauhemmnisse wie steigenden Kosten und langwierigen Genehmigungsverfahren gilt es als Zukunftslabor für urbane Wohnmodelle.

Ein modernes Wohngebäude mit großen Glasfronten und vertikalen Grünflächen, umgeben von Bäumen und Passanten.
Das Quartier am Rotweg soll bis 2027 fertiggestellt werden. (Quelle: ISSS research | architecture | urbanism, topo*grafik paysagistes, StudioVlayStreeruwitz, EMT Architekten, Greenbox Landschaftsarchitekten (Visualisierung: Ponnie Images))

Zero – Büroprojekt in Holzmodulbauweise

Auf dem ehemaligen Hansa-Areal in Stuttgart-Möhringen wird ein CO2-optimiertes Bürogebäude realisiert – in serieller Holzmodulbauweise und mit andersartigem Technik- und Betriebskonzept. Das Projekt „Zero“, initiiert von der S111 (eine Kooperation von EEW und CPM), soll neue Maßstäbe in der Gewerbeentwicklung setzen:

Hier entstehen rund 14.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Dabei kommen 300 industriell vorgefertigte Holzmodule zum Einsatz. Gerade in Deutschland fehlen bislang übergeordnete Standards für genehmigungsfähige Modulbausysteme. Hinzu kommen Unsicherheiten bei Kostenprognosen und mangelnde Erfahrung bei Bauämtern.

„Um ein Projekt dieser Art umsetzen zu können, sind Rückendeckung und Vertrauen seitens der Bauherrenschaft aber auch im Projektteam sicher entscheidend“, erläutert Niklas Humm Projektleiter bei CPM. „Dies merken wir insbesondere, wenn es darum geht Behörden, Banken oder Projektbeteiligte mitzunehmen und auch bei der Lösungsfindung für außerordentliche Fragestellung überzeugen zu können. Es ist leider keineswegs selbstverständlich, dass Abweichungen zu bekannten Standards und Normen (z.B. Holzbaurichtlinie) wohlwollend untersucht und mitgetragen werden oder gemeinsam nachhaltige Lösungen herbeigeführt werden. Auf bauliche Dinge bezogen, mussten wir eine Vielzahl an vorhabenbezogenen Genehmigungen unter Einbezug von Sondergutachtern herbeiführen.“

Ein moderner Innenhof eines Bürogebäudes mit viel Glas und Holz, in dessen Mitte ein Baum steht.
Auf dem ehemaligen Hansa-Areal wird ein Büroprojekt in Holzmodulbauweise realisiert. (Quelle: RIEHLE KOETH GmbH+Co. KG)

Rosenstein-Quartier: Zukunftsprojekt mit politischem Ballast

Mit 85 Hektar Fläche gilt das Rosenstein-Quartier sogar als eines der ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands. Geplant ist ein klimaneutrales, autofreies Viertel mit rund 10.000 Wohneinheiten sowie sozialen, kulturellen und gewerblichen Nutzungen. Das Projekt ist Teil des IBA-Netzwerks, aber nicht IBA-zertifiziert.

Der Zeitplan bleibt unsicher: Der Baustart ist an die Fertigstellung des unterirdischen Bahnhofs Stuttgart 21 geknüpft – nach aktuellem Stand frühestens Ende 2026. Nur ein kleiner Teilbereich (Areal C1) könnte vorab realisiert werden. „Mit dem Rosenstein ist ein wichtiger Baustein für die Stadtentwicklung in Gefahr, sich weiter zu verzögern. Wir wünschen uns ein entschlossenes und gemeinsames Vorgehen von Stadt und Land. Die Änderung des Eisenbahngesetzes bei der Umwidmung der Bahnflächen hat weitreichende Auswirkungen. Hierzu sind die Initiatoren dieser unbedingt einzuschalten, weil Wohnungsbauprojekte für ein strategisches Ziel zumindest stark verzögert werden“, sagt Ramsperger.

Innenstadt im Wandel

Zu erwähnen sind noch zwei prominente Innenstadtbereiche, die allerdings nicht zu den IBA-Projekten zählen, sich derzeit aber in der Transformation befinden:

Als Sanierungsgebiet S26 wird das Hospitalviertel derzeit umfassend aufgewertet. Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, Nachverdichtung und energetischen Sanierung sollen den Stadtteil stärken. Zudem sollen die Verkehrsverhältnisse beruhigt werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der Wohn- und Mischnutzung. Neben der Neugestaltung der Hospitalstraße und des Leuschnerplatzes stehen auch energetische Sanierungen und Nachverdichtung im Fokus.

Direkt angrenzend wird mit dem Schlossgartenquartier zwischen Königstraße und Schlossgarten ein prominentes, rund 50.000 Quadratmeter großes Areal umfassend revitalisiert. Die LBBW  entwickelt hier ein durchlässiges, multifunktionales Ensemble mit Büro-, Hotel-, Einzelhandels- und Gastronomienutzungen. Bestandteil des Projekts ist die energetische und architektonische Modernisierung der markanten Gebäude Königstraße 1 bis 3 sowie des Hotels am Schlossgarten, das künftig ein modernes Entrée zur Innenstadt bilden soll.

Investmentmarkt: Selektiv, aber aktiv

Solche großformatigen Innenstadtentwicklungen werfen zwangsläufig die Frage nach dem passenden Kapital auf. Wie reagieren Investoren auf die Angebote – und unter welchen Bedingungen werden Deals derzeit abgeschlossen?

Ein Blick auf den Stuttgarter Investmentmarkt zeigt: Dieser startete 2025 mit einem Transaktionsvolumen von 75 Millionen Euro in der Stadt und 120 Millionen im Umland – ein Rückgang von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Doch die Zahl der Deals hat sich mehr als verdoppelt. „Die gestiegene Anzahl der Abschlüsse ist eine ausgesprochen positive Nachricht, zumal das Sentiment vor einem Jahr noch pessimistischer ausfiel“, sagt Georg Charlier, Niederlassungsleiter von JLL Stuttgart. Institutionelle Investoren dominieren, das Produktangebot bleibt selektiv. Die Spitzenrenditen sind stabil (Büro: 4,25 Prozent, Retail: 3,70 Prozent, Logistik: 4,15 Prozent).

Fazit: Potenzial für entschlossene Akteure

Stuttgarts Stadtentwicklung steht 2025 exemplarisch für die Zielkonflikte vieler deutscher Metropolen: Stadt und Projektentwickler müssen zunehmend resilient agieren – mit Blick auf Genehmigungsprozesse, Finanzierungsmodelle und der Beteiligung aller Akteure.

Stuttgart bietet auch 2025 Chancen für vorausschauende Projektentwickler, Investoren und Stadtgestalter – trotz aller Widrigkeiten. Die IBA’27 liefert wichtige Impulse, wie urbane Räume unter veränderten Bedingungen nachhaltig und sozialverträglich transformiert werden können. Doch ohne politische Klarheit, regulatorische Effizienz und gesellschaftliche Akzeptanz bleiben selbst gute Konzepte in der Warteschleife. Wer sich engagiert, muss also nicht nur gestalten – sondern auch Konflikte aushalten.

Auch interessant:

zuletzt editiert am 08. Juli 2025