Bau-Turbo, serielle Bauweise, Milliardenförderung: Bundesbauministerin Verena Hubertz im Gespräch mit immobilienmanager über neue Hebel für mehr Tempo – und wie der Bund Vertrauen in seine Wohnbaupolitik zurückgewinnen will. Von Thorsten Schnug
Frau Hubertz, wenn selbst Bundesministerinnen mittlerweile zur „Brechstange“ greifen müssen – ist das dann nicht ein Eingeständnis dafür, dass der Staat seine eigene Bau- und Planungspolitik jahrzehntelang selbst blockiert hat?
Verena Hubertz: Nicht ich greife zur Brechstange, sondern ich gebe sie an die Kommunen. Bauen in Deutschland ist zu bürokratisch, dauert viel zu lange und ist zu teuer. Wir brauchen deshalb Tempo, Technologie und Toleranz, um beim Bauen wieder voranzukommen. Deshalb haben wir den Bau-Turbo für schnelles Bauen gezündet. Dort, wo ich vorher fünf Jahre gebraucht habe, um einen Bebauungsplan aufzustellen, kann dies künftig nach zwei Monaten geschehen. Ein riesiger Fortschritt. Das gilt im Übrigen nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für Kitas und Schulen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass die geplanten Gesetzesänderungen zur Beschleunigung des Wohnungsbaus nicht zu Lasten der kommunalen Planungshoheit, Bürgerbeteiligung und Naturschutz gehen?
Verena Hubertz: Der Bau-Turbo kann und soll wie ein starker Hebel wirken, der nach klaren Spielregeln eingesetzt werden kann: Jedes Bauprojekt braucht die Zustimmung der Gemeinde, ohne geht es nicht. Sie kann bei der Entscheidung zudem auch ihre Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot holen, wenn es für die Unterstützung des Bauprojektes sinnvoll erscheint. Und schließlich schreiben wir einen ganz wichtigen Punkt ebenfalls fest: Umweltaspekte müssen immer beachtet werden – es findet also eine überschlägige Prüfung der Auswirkungen statt.
„Mehr Digitalisierung für effizientere Planungs- und Bauprozesse“
Sie nennen Technologie als Stellschraube zur Senkung von Baukosten. Welche konkreten technologischen Ansätze sollen künftig stärker gefördert werden?
Verena Hubertz: Erlaubt ist, was nachweislich eine Wirkung beim Bauen, beim Klima und bei den Kosten entfaltet. Bauen ist regional sehr unterschiedlich - und Innovation braucht Raum zur Entfaltung. Wir stehen für Technologieoffenheit. Ich sehe verschiedene Stellschrauben bei der Technologie, die wir drehen können. Zum Beispiel mehr Digitalisierung für effizientere Planungs- und Bauprozesse. Aber auch den Einsatz nachwachsender, biobasierter Rohstoffe, etwa Holz, in Kombination mit innovativen Bauweisen. Ein Beispiel dafür ist das Holzbau-Cluster in Trier, das wir gezielt unterstützen. Und ganz wichtig ist das serielle, modulare und systemische Bauen. Durch Vorfertigung kann Material, Zeit und Personal eingespart werden. Dadurch kann deutlich schneller und vor allem günstiger gebaut werden. So schaffen wir zügig mehr bezahlbaren Wohnraum.
Der Rückgang bei Mehrfamilienhäusern trifft vor allem institutionelle Investoren. Welche Maßnahmen planen Sie, um deren Engagement in einem schwierigen Zins- und Kostenumfeld wieder zu aktivieren?
Verena Hubertz: Es gibt mehrere Ansätze, um den Wohnungsbau wieder attraktiver zu machen. Ich hatte ja bereits von steuerlichen Anreizen gesprochen. Wir haben uns im Koalitionsvertrag zum Beispiel auf die zeitlich befristete Förderfähigkeit des EH55-Standards verständigt, um den immensen Bauüberhang von über 700.000 genehmigten, aber nicht fertig gebauten Wohnungen zu aktivieren.
„Der soziale Wohnungsbau hat sich bereits in den vergangenen Jahren als Stabilitätsanker der Bau- und Immobilienbranche erwiesen und ist auch für private Investoren sehr interessant.“
Viele Projektentwickler kämpfen mit Projektstopps und Finanzierungslücken. Plant das Ministerium konkrete Förderprogramme oder steuerliche Anreize, um das Neubaugeschäft wieder in Schwung zu bringen?
Verena Hubertz: Nach dem Bau-Turbo stellen wir nun genug Geld bereit. Mit Rekordmitteln für den sozialen Wohnungsbau schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass die Trendumkehr gelingt und wir den Bestand an Sozialwohnungen endlich wieder erhöhen. Von 2025 bis 2029 stellt der Bund den Ländern die Rekordsumme von insgesamt 23,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Der soziale Wohnungsbau hat sich bereits in den vergangenen Jahren als Stabilitätsanker der Bau- und Immobilienbranche erwiesen und ist auch für private Investoren sehr interessant. Das spiegeln uns im Übrigen auch die Länder – die Anträge der Investoren übersteigen vielfach die verfügbaren Fördermöglichkeiten. Deshalb legen wir nun diese deutliche finanzielle Schippe oben drauf.
Darüber hinaus gibt es bereits eine Reihe von Förderprogrammen für klimafreundlichen Neubau und Sanierung. Der Haushaltsbeschluss der Bundesregierung sieht vor, dass wir aus dem neuen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität in dieser Legislatur über elf Milliarden Euro für den Wohnungsbau ausgeben. Diese fließen in unsere verschiedenen Förderprogramme, die wir perspektivisch zu zwei Programmen zusammenführen wollen: Eins für Neubau, eins für Sanierung. Das Signal ist klar: Der Bund investiert massiv in den Wohnungsbereich.
Wir haben via Linkedin Leserfragen gesammelt und zwei davon mit ins Gespräch genommen, hier die erste, von Reiner Nittka, ehemaliger CEO der GBI Group: Wie möchte die Ministerin sicherstellen, dass die Zinsen für ein neues Förderprogramm über einen fixen Zeitraum gesichert werden? Bei Ihrer Vorgängerin schwankten diese massiv.
Verena Hubertz: Die Zinsen im Rahmen unserer Förderprogramme unterliegen natürlichen Schwankungen, die wir nicht alle beeinflussen können. Das ist eine Folge der Entwicklungen am Kapitalmarkt, die aufgrund der aktuellen weltpolitischen Lage in den letzten Monaten spürbar dynamischer geworden ist. Die Variabilität des Zinssatzes bedeutet aber auch, dass auch eine günstige Entwicklung sehr schnell weitergegeben werden kann. Wir stehen eng mit der Förderbank KfW im Austausch, um Förderungen so attraktiv wie möglich zu gestalten.
Inwiefern planen Sie, gemeinnützigen Wohnungsbau verstärkt zu fördern? Gibt es Überlegungen, die Rahmenbedingungen für Investoren in diesem Segment attraktiver zu gestalten?
Verena Hubertz: Wir wollen die Wohngemeinnützigkeit als dritte Säule für bezahlbares Wohnen fest etablieren, neben dem frei finanzierten Wohnungsmarkt und dem sozialen Wohnungsbau. Um ihre Attraktivität zu erhöhen, soll es Investitionszuschüsse geben. Das erleichtert sozialen Unternehmen, Kirchen oder Stiftungen den Start in die Wohngemeinnützigkeit.
Hier unsere zweite Leserfrage, diesmal von Andre Schmoeller, ABG Real Estate Group: Öffentlich geförderter (mietpreisgebundener) Wohnungsbau ist absolut notwendig. In den meisten Bundesländern wurde die Fehlbelegungsabgabe abgeschafft, so dass dieser Wohnraum eben nicht mehr ausschließlich von einkommensschwachen Mietern bewohnt wird. Da dies Ländersache ist, kann auf Bundesebene gesetzlich ja nicht unmittelbar eingegriffen werden – ist denn geplant, mit den Bundesländern die Rahmenbedingungen der Förderstruktur zu besprechen oder auf Bundesebene das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) anzupassen?
Verena Hubertz: In der Tat ergreifen nur wenige Länder Maßnahmen, um Fehlbelegungen im sozialen Wohnungsbau zu begegnen. Ein Grund dafür ist der in der Regel sehr hohe Verwaltungsaufwand. Da für die Wohnraumförderung und somit auch für die Fehlbelegungsabgabe einzig die Länder zuständig sind, haben wir als Bund hier keine Handhabe. Aber natürlich steht mein Ministerium auch zu diesem Thema im regelmäßigen Austausch mit den Ländern. Denn Ziel des sozialen Wohnungsbaus ist es selbstverständlich, dass diejenigen davon profitieren, die es ansonsten schwer auf dem Wohnungsmarkt haben.
Sie betonen in Hinblick auf Mieter- und Vermieterinteressen, beide Perspektiven zu kennen. Wie wollen Sie verhindern, dass regulierende Eingriffe wie Mietpreisbremsen die Investitionsbereitschaft weiter ausbremsen?
Verena Hubertz: Zunächst einmal bin ich Justizministerin Stefanie Hubig sehr dankbar, dass sie die Verlängerung der Mietpreisbremse so zügig durchs Kabinett gebracht hat. Die Bremse ist richtig, denn sie schützt Mieterinnen und Mieter wirksam vor zu hohen Neuvertragsmieten. Sie ist aber auch ökonomisch sinnvoll, weil sie in den ausgenommenen Bereichen im Neubau die Marktkräfte wirken lässt.
„Wir müssen den Menschen das Vertrauen zurückgeben“

Ihre Vorgängerin ist an den selbstgesteckten Zielen gescheitert. Was motiviert Sie persönlich, es besser zu machen – und wie wollen Sie Vertrauen in die politische Steuerungsfähigkeit zurückgewinnen?
Verena Hubertz: Die Herausforderungen im Wohnungsbau sind immens. Deshalb habe ich auch bewusst keine konkrete Zahl genannt – das bringt nichts. Mein Ziel ist es, dass wir schneller, einfacher und günstiger bauen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wir müssen den Menschen das Vertrauen zurückgeben, dass der Staat mit einer zielgerichteten Politik dafür sorgt, dass jeder eine passende Wohnung finden kann: Der Busfahrer, die junge Familie oder das Rentnerehepaar, das sich im Alter verkleinern möchte.
Sie waren Mitgründerin eines Start-ups. Wie prägen diese Erfahrungen Ihre Sicht auf das Planungs- und Bauwesen in Deutschland?
Verena Hubertz: Beim Start-up gibt es keinen vorgegebenen Weg, es gilt, kreativ zu werden und pragmatische Lösungen zu finden. Ich finde, davon kann das Planungs- und Bauwesen ein bisschen mehr vertragen.
Ein kleiner Sprung in die Zukunft: Was wollen Sie in zwei Jahren als Bauministerin erreicht haben? Und was persönlich?
Verena Hubertz: Vor uns liegen sehr viele Aufgaben, am liebsten will ich alles sofort angehen, so ticke ich einfach. Aber natürlich müssen wir priorisieren. Im Fokus steht erstmal, dass die Bagger wieder rollen, wir also schnell ins Bauen kommen. Mit dem Bau-Turbo machen wir da schon einmal einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger in zwei Jahren auf mich schauen und merken, es bewegt sich etwas und es geht bergauf bei den Bauzahlen, dann ist schon viel gewonnen.
Wenn der Koalitionsvertrag geschafft ist und der Bau-Turbo zündet – wie feiern Sie das?
Verena Hubertz: Das überlege ich mir, wenn es so weit ist. Jetzt fokussiere ich mich erstmal auf die anstehenden Aufgaben.
Viel Erfolg dabei und danke für Ihre Zeit.