Immer mehr Einzelhändler verkleinern ihre Flächen oder schließen ganz. Einkaufszentren müssen sich neu erfinden. Mixed-Use-Konzepte helfen dabei, Leerstände zu vermeiden und Immobilien attraktiv zu halten – doch nicht alle neuen Nutzungen lassen sich ohne rechtliche Hürden umsetzen. Von Marc Schwencke
Der Trend zu immer größeren Einzelhandelsflächen in Einkaufszentren ist schon seit einigen Jahren gebrochen. Viele Einzelhändler reduzieren die Flächengröße ihrer Läden, dünnen ihr Filialnetz aus oder verlassen den Markt ganz. In der Folge gelingt es vielen Einkaufszentren nicht mehr, die vorhandenen Flächen an Einzelhändler zu vermieten. Die Entwicklung in der Kaufhausbranche hat dazu geführt, dass die Nutzungskonzepte für ganze Immobilien neu erfunden werden müssen.
Um Leerstände, ein „Trading Down“ zu vermeiden und die Attraktivität großer Einzelhandelsimmobilien zu erhalten, sind alternative Nutzungen gefragt. In den letzten Jahren wurde das Angebotsspektrum zahlreicher Einkaufszentren und Kaufhäuser so nachhaltig verändert, dass man von einer Transformation von einer Einzelhandelsimmobilie zur Mixed-Use-Immobilie sprechen kann.
Planungsrechtliche Herausforderungen
Die Umwandlung von reinen Einzelhandelsimmobilien in neue Nutzungsformen bringt zahlreiche bauplanungsrechtliche Herausforderungen mit sich. Innerstädtische Einkaufszentren und Kaufhäuser liegen häufig in Kerngebieten, in denen typische urbane Nutzungen wie Handel, Büro, Hotel sowie Freizeitnutzungen zulässig sind.
Schwierigkeiten können hier insbesondere Wohnnutzungen bereiten: Wohnungen sind nur zulässig, wenn und soweit der Bebauungsplan Wohnungen ausdrücklich zulässt. Wegen der typischen Immissionskonflikte in verdichteten Innenstadtlagen sind Wohnungen in Kerngebieten häufig nicht zugelassen. Es ist aber damit zu rechnen, dass die Innenstadtzentren zukünftig auch stärker für Wohnnutzungen geöffnet werden sollen.
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zulassung von Wohnnutzungen in Kerngebieten nicht dazu führen darf, dass die Gebietscharakteristik eines Kerngebiets als Gebiet für die Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur verloren geht. Eine übermäßige Wohnnutzung kann unzulässig sein, wenn sie die Hauptfunktion des Kerngebiets beeinträchtigt.
Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich auch besondere Wohnformen wie betreutes Wohnen, Altenwohnheime und Pflegeheime. Hierbei handelt es sich planungsrechtlich um eine Wohnnutzung, solange Bewohner unabhängig von Betreuungs- und Pflegebedarf ein Mindestmaß an selbstbestimmter Lebensführung haben. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, kann es sich um eine Anlage für soziale Zwecke handeln, die in Kerngebieten grundsätzlich zulässig ist.
Einkaufszentren, insbesondere wenn sie nicht in Innenstädten liegen, sind häufig auch als Sondergebiete festgesetzt. In Sondergebieten sind nur die Nutzungen zulässig, die im Bebauungsplan ausdrücklich (gegebenenfalls auch im Wege einer Ausnahme) festgesetzt worden sind. Die typischen Sondergebiete für Einkaufszentren umfassen nicht diejenigen Nutzungen, die heutzutage in einer Mixed-Use-Immobilie angeboten werden sollen. Bestimmte Dienstleistungen sowie Freizeit- und Kulturangebote, die typischerweise im Zusammenhang mit dem Einkauf in Anspruch genommen werden, können noch unter den Begriff des Einkaufszentrums gefasst werden und daher zulässig sein.
Bei Büro- oder Hotelnutzungen, Wohnungen und Pflegeeinrichtungen wird die Grenze regelmäßig überschritten. In diesem Fall ist eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Etwas anderes gilt, wenn die Unwirksamkeit des bestehenden Bebauungsplans nachgewiesen wird (was bei älteren Sondergebieten für Einkaufszentren nicht selten der Fall ist) und die Zulässigkeit der gewünschten Nutzung entweder aus einem älteren Bebauungsplan oder – falls das Baugrundstück im unbeplanten Innenbereich liegt – aus dem Maßstab der näheren Umgebung abgeleitet werden kann. Dieser Rettungsanker ist vor allem dann relevant, wenn der Standort als „Planungssünde“ gilt und die Bereitschaft der Belegenheitskommune zur planungsrechtlichen Aufwertung fehlt.
Beispiele für gelungene Transformationen
Die Handelsfläche des 2014 eröffneten Einkaufszentrums „Das Gerber“ in Stuttgart wurde von 25.000 auf 18.000 Quadratmeter reduziert. Im ersten Obergeschoss wurden rund 6.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche in ein Stadthotel mit etwa 150 Zimmern umgewandelt. Das Hotel bietet zusätzlich etwa 1.700 Quadratmeter Co-Working-Fläche. Wohnungen gab es in dem Gerber-Komplex schon vorher. Die Integration von Hotel, Co-Working-Spaces, Gastronomie, Wohnungen, Büros und Einzelhandel entspricht dem Trend zur „Stadt der kurzen Wege“.

Zahlreiche Umwandlungen sind durch die Krise der großen Kaufhausketten bedingt. Das „Marktquartier“ Recklinghausen wurde nach der Schließung des Karstadt-Kaufhauses im Jahr 2016 zu einem Mixed-Use-Komplex mit Einzelhandelsflächen, Gastronomie, Büroflächen, Hotel, Service-Wohnungen (kombiniert mit Kurzzeit- und Tagespflege), einer Kindertagesstätte mit Dachgarten sowie einem Hotel umgebaut, das im April 2022 eröffnet wurde.
Das ehemalige Einkaufszentrum „MEP“ in Meppen wird in eine „Begegnungsstätte“ umgestaltet. Im Ems-Quartier Meppen sind auf rund 23.000 Quadratmetern Fläche Handel, Gastronomie, Büro, Fitness, ein B&B-Hotel, die Musikschule des Emslandes und eine Tiefgarage geplant.
Ganz aktuell wurde das „Stilwerk“ in Düsseldorf in „Düwell“ umbenannt. Der neue Name verweist auf das historische Wellenbad, das einst an diesem Standort war. Das Konzept verändert sich von einem reinen Einrichtungshaus hin zu einer „Gallery-Mall“ für Co-Working, Büros, Interior-Design-Geschäfte und Kunstgalerien sowie Angebote aus Gastronomie und Gesundheit.
Ein Beitrag von Marc Schwencke, Rechtsanwalt und Partner bei Eversheds Sutherland.
Gut gemischt
Die Gründe für die verstärkte Umsetzung von Mixed-Use-Konzepten sind vielfältig – und gehen weit über den Einfluss des Onlinehandels hinaus. Einkaufszentren mit reinem Retail-Fokus ziehen kaum noch dauerhaftes Publikum an: Kunden suchen nicht nur Produkte, sondern Erlebnisorte mit Gastronomie, Events und kulturellem Angebot. Multifunktionale Orte mit Aufenthaltscharakter haben in der Kundengunst die Nase vorn. Neue Lebensstile und Arbeitsformen – etwa Co-Working, hybride Modelle oder der Wunsch nach individueller Mobilität in Beruf und Freizeit – verändern die Anforderungen an Immobilien. Sowohl Stadtplaner als auch Investoren setzen daher zunehmend auf Mixed-Use-Immobilien, die Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Gastronomie unter einem Dach vereinen. Wandelbare Immobilien und ein breit aufgestellter Mietermix erhöhen die Krisenfestigkeit.
Aufgrund des Fokus auf die Revitalisierung urbaner Räume konzentrieren sich viele Transformationsprojekte auf Innenstadtlagen, aber auch Einkaufs- und Fachmarktzentren außerhalb der Innenstädte sind zunehmend von Umnutzung oder strukturellem Wandel betroffen. Steigende Energiepreise, wachsendes Umweltbewusstsein und Mobilitätswandel schwächen Standorte, die stark vom Autoverkehr abhängen.