Baustelle in Köln
Außer wie hier in Köln sinken die Wohnprojektflächen in allen A-Städten. (Quelle: Thorsten Schnug)

Projekte 16. May 2023 Wenig in Planung, vieles verzögert

Bei den Projektentwicklern ist die Krise nun deutlich sichtbar angekommen. Eine aktuelle Auswertung von Bulwiengesa zeigt, wie stark das Projektentwicklungsvolumen geschrumpft ist.

Der Projektentwicklermarkt in den deutschen A-Städten leidet unter der aktuellen Krise. Das gesamte Projektentwicklungsvolumen der deutschen Top-7-Städte Frankfurt, Hamburg, München, Düsseldorf, Köln und Stuttgart schrumpft im Vergleich zu 2022 um 5,7 Prozent. Erheblich vom Rückgang betroffen sind Wohnprojektentwicklungen mit -7,4 Prozent oder 1,6 Millionen Quadratmetern. Das Segment Büro hingegen schrumpft „nur“ um 5,3 Prozent gegenüber der Vorjahresauswertung.

Der Rückgang ist vor allem im sogenannten Trading Development zuverzeichnen, also den klassischen Projektentwicklungen zum Verkaufszweck. Mit einem Gesamtminus von 8,8 Prozent ist das der stärkste je gemessene Rückgang. Die Projektentwicklungen für die Eigennutzung oder Bestandshaltung – Investor Developments – wirken derzeit eher stabilisierend für den Markt. Dort beträgt der Rückgang 2,0 Prozent.

Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen Auswertung der Projektentwicklungsaktivitäten in den A-Städten im Analysetool Development Monitor. Damit wird die bereits 17 Jahre lange Zeitreihe fortgesetzt, die von Bulwiengesa mit der Projektentwicklerstudie begonnen und die nun zum Development Monitor weiterentwickelt wurde. Für die aktuelle Analyse wurden fertiggestellte Projekte sowie Projekte in Bau und in Planung zwischen 2020 bis 2027ausgewertet.

23 Prozent aller Flächen werden später fertig

„Der Markt ächzt, und alle Akteure spüren seit längerem den Rückgang, sagt Felix Embacher, Head of Research & Data Science bei Bulwiengesa. „Nun können wir ihn deutlich an den Zahlen ablesen. Die skeptischen Ertragserwartungen der Projektentwickler zeigen sich vor allem am Einbruch der Planungen: Diese gehen insgesamt um 7,8 Prozent gegenüber 2022 zurück. Zumindest dämpft das die Gefahr, dass bei nachlassender Nachfrage zu viel gebaut wird. Außerdem werden so dringend benötigte Ressourcen frei für die unumgängliche Bestandssanierung.“

Auch das derzeit viel diskutierte Thema „Verzögerungen der Projekte“ hat nun eine Zahlenbasis: Die Auswertung der konkreten Projekte im Development Monitor zeigt, dass gut 23 Prozent aller Flächen später fertig werden, als noch zu Ende 2022 geplant. „Die meisten Verzögerungen sehen wir bei Büroprojekten, die wenigsten bei Logistikprojekten“, so Embacher weiter. „Bei Logistikimmobilien gehen die Developer auch künftig von einer hohen Nachfrage aus, bei Büros ist das anscheinend nicht der Fall. Interessant ist die Betrachtung nach Geschäftsmodell: In Berlin beispielsweise verzögern sich nur 16 Prozent der Investor-Development-Projekte, aber 28 Prozent der Trading Developments. Die klassischen Projektentwickler sind stärker von der Marktentwicklung abhängig und tragen ein höheres Risiko.“

Skepsis bei Büro-Neuplanungen

Geht den Trading Developern die Luft aus? Deren Büroprojektvolumen in den A-Städten sinkt um 560.000 Quadratmetern beziehungsweise 7,1 Prozent und liegt nun bei 7,3 Millionen Quadratmetern. Damit ist der Rückgang zwar kleiner als im Wohn-Segment. Aber: Besonders ins Gewicht fällt der enorm hohe Planungsrückgang von -22,3 Prozent.

„Vielen ist derzeit nicht nach großen Büro-Neuplanungen zumute: Homeoffice und nun die schwächelnde Konjunktur sorgen für große Skepsis, die Objekte wirtschaftlich sinnvoll an den Markt zu bringen“, erklärt Bulwiengesa-Vorstand Sven Carstensen.

Der größte absolute (-488.000 Quadratmeter) und mit 20 Prozent auch relative Rückgang wird übrigens in München verzeichnet, auch weil hier einige größere Areale wie das Werksviertel mittlerweile bebaut sind und aus den Betrachtungen ausscheiden.

Wohnen: Bautätigkeit schläft vollends ein

20,4 Millionen Quadratmeter Wohn-Projektfläche in den A-Städten entsprechen einem Rückgang von -1,6 Millionen Quadratmetern im Vergleich zur Vorjahresauswertung (-7,4 Prozent). Aber: Der Rückgang ist kein neues Phänomen, sondern bereits seit einigen Jahren festzustellen. Schon vor Corona und aktueller Krise führten die hohen Grundstückspreise und Baukosten, politische Restriktionen und ein Ausweichen auf kleinere Städte oder das Umland der A-Städtezu einem kontinuierlichen Sinken. Zuletzt im Plus lagen Wohnprojektentwicklungen im Jahr 2019.

Allein in Berlin gehen die Projektflächen um 790.000 Quadratmeter zurück. Auch in Düsseldorf und Hamburg ist der Rückgang im Vergleich zum letzten Analysejahr gewaltig (beide rund -15 %). Außer in Köln (+1 %) sinken die Wohnprojektflächen in allen A-Städten. Den Wohnungsbau am Laufen halten derzeit noch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften, während sich Trader Developer deutlich stärker aus den Metropolen zurückziehen.

„Ausgerechnet in den Metropolen, wo die Wohnungsnot am größten ist, schläft die Bautätigkeit nun vollends ein“, kommentiert Carstensen. „Ohne Beschleunigung der Verfahren und zumindest temporäre finanzielle Förderung von Wohnungsbau werden wir das Problem nicht lösen.“

Hotel rückläufig, Handel stabil

Trotz wieder anziehender Übernachtungszahlen in den Städten hat die Hotellerie noch nicht aus der Krise herausgefunden, die die coronabedingten Lockdowns ausgelöst haben. Erheblich rückläufige Planungsvolumina dominieren die Entwicklung im Hotelsegment. Bereits seit 2020 geht die Kurve bei Fertigstellungen, Planungen und Projekten in Bau kontinuierlich zurück.

Umso erstaunlicher ist, dass sich das Volumen der Handels-Projektentwicklungen stabil zeigt. Zu beachten ist jedoch, dass hier auch die Sanierungen und Umgestaltungen von Handelsflächen mit hineinfallen. Diese Entwicklung ist nicht mit einem Nettoflächenzuwachs an Verkaufsflächen gleichzusetzen. Nimmt man das leicht ansteigende Planungsvolumen als Maßstab für die künftige Geschäftserwartung, kann man den Akteuren verhaltenen Optimismus unterstellen. Allerdings sind beide Segmente auch von Verzögerungenbetroffen: Rund jedes vierte Hotel- und Handels-Projekt wird später fertig als noch Ende 2022 geplant.

Banken geben kein zusätzliches Kapital

Und wie steht es in der aktuellen Marktsituation mit steigenden Zinsen, hoher Inflation und hohen Baukosten bei gleichzeitig zurückgehender Nachfrage um die Projekt-Finanzierung?Francesco Fedele, CEO der BF.direkt AG, kommentiert: „Viele Projektentwickler brauchen derzeit frisches Eigenkapital, da sie in der aktuellen Situation kein zusätzliches Fremdkapital mehr von Banken bekommen. Mögliche Wege der Kapitalbeschaffung sind derzeit die Hereinnahme von sogenanntem Preferred Equity oder eines Joint-Venture-Partners.“ Die Voraussetzung sei aber immer, dass das Objekt eine Chance hat, in der heutigen Marktlage Gewinne zu erwirtschaften.

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zuletzt editiert am 17.05.2023