Porträt Sidney Cline-Thomas
Sidney Cline-Thomas (Quelle: Robert C. Spies)

Standorte & Märkte 21. April 2023 "Es wird Preiskorrekturen geben müssen"

Drei Fragen zum Hamburger Wohnungsmarkt an Sidney Cline-Thomas, Geschäftsführer bei Robert C. Spies.

Herr Cline-Thomas, wie sieht es mit der Vermarktungsdauer von Eigentumswohnungen in Hamburg zurzeit aus?

Cline-Thomas: Tendenziell wird sich die Vermarktungsdauer in den finanzierungssensiblen Preissegmenten spürbar erhöhen, da hier insbesondere die Finanzierungsanforderungen (zum Beispiel in Form der erhöhten Eigenkapitalerfordernisse) die entsprechende Käuferschaft im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten deutlich einschränkt und somit den Weg ins Eigentum entsprechend erschwert. Hiervon werden die weniger nachgefragten Wohnlagen und infrastrukturell nicht optimal angeschlossenen Stadtteile in besonderer Weise betroffen sein.

Die letzten circa zehn Jahre des Immobilienmarktes wurden zinshistorisch geprägt und waren in Hinblick auf Preissteigerungseffekte und Vermarktungsgeschwindigkeiten einmalig. Eine hundertprozentige Verkaufsquote zum Richtfest war so normal wie die trockene Tinte unter dem Kaufvertrag einer Bestandsimmobilie nach einer Vermarktungszeit von gerade einmal fünf Wochen. Die eigentliche „Trägheit“ des Immobilienmarktes, zum Beispiel im Vergleich zu den Aktienmärkten, wich einer noch nie zuvor erlebten hohen Absatzdynamik. Die Party ist jedoch vorbei und die Stühle sind vorerst hochgestellt.

Das Verteilen hat nunmehr ein Ende gefunden, vielmehr kehren wir zurück in die Zeit vor der Nullzinspolitik. Schon damals waren Vermarktungszeiten zwischen vier bis sechs Monaten, je nach Lage, ebenso üblich wie eine Verkaufsquote von 50 Prozent zum Richtfest. Allerdings waren seinerzeit die Kaufpreise auch noch geringer als heute. Wir werden uns wieder an die damaligen Zeiten gewöhnen müssen. Entscheidend wird hierbei sein, dass sich die Zinsen und die Kaufpreise in einem marktfähigen Verhältnis zueinander nivellieren. Hierfür ist es unter anderem jedoch erforderlich, dass die Immobilienverkäufer den verpassten Peak nunmehr akzeptieren und die neue Welt in Bezug auf die Kaufpreisgestaltung annehmen.

Zurzeit beträgt der Quadratmeterpreis für neue Eigentumswohnungen im Durchschnitt rund 9.000 Euro. Welche Entwicklung erwarten Sie hier für das Jahr 2023?

Cline-Thomas: Es wird sich zukünftig nicht mehr primär um die Frage des allgemeinen Durchschnittskaufpreises drehen, sondern vielmehr um die Frage der Finanzierbarkeit.

Hamburg befindet sich in Summe nach wie vor auf einem hohen Kaufpreisniveau. Dennoch wird es Preiskorrekturen geben müssen, um unter anderem das Ungleichgewicht zwischen Zins und Kaufpreis wieder herzustellen. In guten Lagen werden die Korrekturen, wenn überhaupt, geringfügiger ausfallen, da sich diese Lagen nach wie vor von einer sehr hohen Nachfragesituation erfreuen und sich historisch (traditionell) gesehen als besonders werthaltig und krisenresistent erwiesen haben.

Anders sieht es in wiederum in den Lagen aus, die als Appendix oder Trittbrettfahrer von der allgemeinen Preisentwicklung der letzten Jahre profitiert haben. Die zukünftigen Kaufreise in solchen Lagen werden sehr deutlich nach unten korrigiert werden müssen. Etwaige Preiskorrekturen bis zu 30 Prozent sind nach jetzigem Stand aus unserer Sicht denkbar.

Und wie gestalten sich die Miethöhen im Neubau?

Cline-Thomas: Die Nachfrage nach Mietwohnungen in guten und sehr guten Lagen ist ungebrochen hoch. So sind derzeit Nettokaltmieten im Neubau in Höhe von 25 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit mehr und werden von den Mietern meist anstandslos akzeptiert.

Dieser Druck entsteht zu einem großen Teil aus einer Zielgruppe heraus, die sehr bonitätsstark, jedoch noch nicht in der Lage dazu ist, das äquivalente Eigentum zu erwerben. Die Mietwohnung ist somit lediglich als temporäres Substitut zu sehen. Sobald sich die Zinslandschaft auf einem verlässlichen Niveau eingestellt hat und zudem das angesparte Eigenkapital es zulässt, wird die vorgenannte Mieterschaft vermutlich sukzessive in das Eigentum abwandern.

Daher wird sich zwangsläufig die Frage stellen müssen, ob die vorgenannte Miete die tatsächlich nachhaltig zu erzielende Miete darstellt. In Anbetracht der äußeren Rahmenbedingungen kann man heute jedoch keine planbare Aussage darüber treffen, wann sich der skizzierte Abwanderungseffekt einstellen wird.

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zuletzt editiert am 21.04.2023