Die drastischen Veränderungen der Rahmenbedingungen haben auch dem Hamburger Investmentmarkt zugesetzt. Die Umsätze sind gesunken, die Renditen gestiegen. Aber es gibt auch Optimisten. Von Matthias Autenrieth
Die Stimmung zu Jahresbeginn war gedämpft. „Der Investmentmarkt Hamburg ist verhalten in das Jahr gestartet“, sagt Christian Verg, Director Investment bei Robert C. Spies in Hamburg. Bis Ende Februar seien nur wenige Transaktionen im Markt zu verzeichnen gewesen, mit dem Vernehmen nach überschaubar positivem Feedback. „Einige weitere Objekte sind angekündigt, vom Startzeitpunkt her aber noch ungewiss.“
Damit knüpfte der Markt an das Jahr 2022 an, wobei hier die Gesamt-Ergebnisse auf den ersten Blick sehr respektabel ausgefallen waren. So kam BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) auf ein Transaktionsvolumen von 4,9 Milliarden Euro, was ein Plus von gut 56 Prozent gegenüber 2021 bedeutete und rund 15 Prozent über dem Zehn-Jahres-Durchschnitt lag. Die von JLL mit Berücksichtigung von Living ermittelten 6,3 Milliarden Euro übertrafen den entsprechenden Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre um 23 Prozent.
Alstria-Übernahme sorgt für Umsatz
Allerdings war für all diese Ergebnisse zu einem erheblichen Teil ein Sondereffekt verantwortlich: die Übernahme von Alstria durch Brookfield zu Jahresbeginn, die in Hamburg für einen Umsatz in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gesorgt hatte. Ohne diese Transaktion hätte die Statistik merklich anders ausgesehen, wie auch der Blick auf die folgenden Quartale zeigt. So blieb der Umsatz in den letzten drei Monaten 2022 laut BNPPRE erstmals seit 2015 wieder deutlich unter der Marke von einer Milliarde Euro.
Die Ursachen für die Abkühlung waren in Hamburg die gleichen wie überall in Deutschland. Ulrich Höller, geschäftsführender Gesellschafter der ABG Real Estate Group, benennt hier vier zentrale Entwicklungen: „Die Zinswende, die deutlich steigende Finanzierungskosten mit sich brachte. Die höchste Inflation seit Jahrzehnten mit Energiepreisen und teilweise auch Materialkosten auf hohem Niveau, die die Baukosten signifikant erhöhten. Und ein eklatanter Fachkräftemangel sowie die neue Zurückhaltung vieler Investoren, für die Deutschland an Attraktivität vorübergehend eingebüßt hat.“
„Faktoren um das 30-Fache werden wir wohl mittelfristig nicht mehr sehen.“
Christian Verg, Robert C. Spies
Bedingt durch die Zinswende hätten sich die Preisvorstellungen der Investoren verschoben, sagt Michael Mikulicz, City Lead und Head of Investment Hamburg bei CBRE. „Vor allem seit Mitte 2022 wurde das Transaktionsvolumen durch den notwendigen Preisfindungsprozess gebremst. Käufer wollten nicht zu teuer kaufen, Verkäufer nicht zu günstig verkaufen – und niemand wusste genau, wohin die Reise geht.“ Auch ein halbes Jahr später gebe es eine spürbare Differenz bei den Preisvorstellungen, die jedoch weniger stark ausgeprägt sei als noch vor einigen Monaten. „Das liegt insbesondere daran, dass sich bei den Zinsen so langsam das Bild verfestigt“, so Mikulicz. Christian Verg meint allerdings: „Wir werden wohl noch etwas Geduld aufbringen müssen, bis die Preismechanismen wieder funktionieren.“
Aus den realisierten Transaktionen des vergangenen Jahres lässt sich dabei eine preisliche Veränderung deutlich ablesen. Die Renditen sind auch in Hamburg nach Jahren der Rückgänge wieder gestiegen. So zog die Spitzenrendite für Top-Büroobjekte laut BNPPRE auf 3,3 Prozent Ende 2022 an, ein Plus von 75 Basispunkten gegenüber dem Vorjahr. Die Spitzenrendite für Logistikimmobilien legte im gleichen Zeitraum um 85 Basispunkte auf 3,85 Prozent zu, die für Geschäftshäuser um immerhin 15 Basispunkte auf 3,15 Prozent. Ob sich diese Entwicklung in ähnlicher Geschwindigkeit fortsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Sinkende Renditen ab 2024
„Einerseits lässt die Zinsentwicklung keine andere Schlussfolgerung zu, als dass die Preise weiter sinken müssen – Faktoren um das 30-Fache oder darüber werden wir wohl mittelfristig nicht mehr sehen“, sagt Verg. Andererseits kämen die derzeitigen Verkäufer von anderen Preis- und Finanzierungsniveaus als nach der Krise Anfang der 2010er-Jahre. Mikulicz stellt fest: „Wir sehen derzeit eine deutliche Abschwächung des Aufwärtstrends bei den Renditen und gehen von einer Plateaubildung im Jahresverlauf aus.“ Somit würden die Kapitalwerte, trotz weiter steigender Mieten, zunächst noch unter Druck bleiben. „Wir gehen aktuell jedoch davon aus, dass 2024 die Renditen wieder nach unten tendieren werden“, so Mikulicz weiter.
Die veränderten Finanzierungsbedingungen sind derzeit zwar sicherlich der wichtigste Faktor bei den Preisveränderungen, allerdings nicht der einzige. Einen weiteren benennt Christian Verg: „Bei jeder Bestandsimmobilie gilt ein ganz neuer Fragenkatalog mit Preisschildern in Bezug auf die ESG- und Nachhaltigkeitsthematiken.“ Ulrich Höller weist darauf hin, dass ESG-Tauglichkeit aktuell noch mit geringeren Renditen einhergehe – „und es muss sich unter den wegen der aktuellen Lage verschärften Rahmenbedingungen erst zeigen, wer bereit ist, das noch mitzugehen.“
Ein Thema, das im vergangenen Jahr etwas in den Hintergrund getreten ist, ist der in den Vorjahren regelmäßig beklagte Produktmangel. Lediglich bei Logistikimmobilien spielte das geringe Angebot eine nennenswerte Rolle. Allerdings sagt Mikulicz, Produktmangel werde sicher auch in Zukunft ein limitierender Aspekt für den Hamburger Markt bleiben. „Insbesondere weil sich die Gesamtnachfrage noch stärker auf die CBD-Lagen fokussiert und der Markt allein dadurch schon eingeschränkt wird.“ Denn auf die gesamte Bandbreite aller Risikoklassen treffe zu: Bei der Lage werden keine Kompromisse gemacht. Hinzu kommt eine absehbare Reduktion des Angebots. „Die Rahmenbedingungen für neue Projektentwicklungen verschlechtern sich, zumindest vorübergehend“, sagt Höller.
Mehr Off-Market-Transaktionen erwartet
Beim Ausblick auf die weitere Entwicklung 2023 herrscht vorsichtiger Optimismus. „Trotz weiterhin hoher Zinsen und des unsicheren makroökonomischen Umfelds erwarten wir im Jahresverlauf eine allgemeine Belebung am Investmentmarkt“, sagt Mikulicz. Die Hamburger Wirtschaft sei weiterhin gut aufgestellt, und die Leerstände seien gering. „Von daher sprechen die Fundamentaldaten insbesondere auch für Hamburg, wenn die Investitionstätigkeit wieder anzieht“, so der CBRE-Fachmann. Höller prognostiziert eine Marktbelebung und verstärkte Engagements von Immobilieninvestoren im zweiten Quartal dieses Jahres: „Dann gerät Deutschland als Investitionsstandort wieder in den Fokus der Investoren, weniger als ‚Safe Haven‘, sondern weil das gesunkene Einstiegsniveau und der starke Dollar attraktive Renditechancen bieten.“
Chancen anderer Art erkennt Verg in der aktuellen Krise: „Wir sehen wieder die Möglichkeit, echte Transaktionen zu realisieren abseits von den zeit- und kostenintensiven strukturierten Prozessen.“ Verkäufer würden sich über Off-Market-Transaktionen von Assets trennen, ohne sich dabei im Markt zu exponieren. „Das mindert Risiken, schützt vor falschen Wahrnehmungen und führt zu Sicherheit, die der Markt sehr dringend benötigt“, sagt Verg.