Die Mipim rief an die Croisette und wesentlich weniger Immobilienplayer als in den Vorjahren dürften am Ende dem Ruf gefolgt sein. Vom 11. bis 14. März traf sich die Immobilienwelt in Cannes, um dieses Mal deutlich weniger Party zu machen und viel mehr über Konkretes zu sprechen. Von André Eberhard
Zugegeben. Ich war nie ein großer Mipim-Fan. Schwierige Logistik, eine Eventlocation, in der sicher der ein oder andere Schauspieler der Filmfestspiele immer noch irgendwo verzweifelt nach einem Ausgang sucht, und eine Atmosphäre, die mir nicht unbedingt liegt. Vor allem in früheren Zeiten, als noch Horden von angelsächsischen Maklern, Investmentmanagern und Maßanzugträgern den Rufen von auf Bierflaschen klimpernden Gastronomen folgten, die dafür sorgten, dass der Alkohol in Strömen mitten auf den Straßen des beschaulichen Cannes floss. Diese Zeiten sind (erstmal) vorbei. Die neue Bescheidenheit kommt mit deutlich weniger Booten (die Hälfte des ansonsten voll belegten Stegs wird saniert) aus, und auch sonst war es auf den Straßen am Abend deutlich ruhiger als sonst.
Einen richtigen Grund zum Feiern gibt es nämlich derzeit nicht. Die Erwartung zur Expo Real 2023, dass man zur Mipim 2024 schon deutlich mehr Erkenntnisse über die Zukunft habe, hat sich nicht wirklich bewahrheitet. Und doch hinterlässt die Mipim ein positives Gefühl, das sich auch nach ein paar Tagen der Rückkehr verstärkt. Die Jammerer sind zu Hause geblieben. Die, die etwas bewegen wollen, waren vor Ort. Was nicht bedeutet, dass alle, die in Deutschland geblieben sind, zu den Jammerern gehören.

Risiken bleiben
Natürlich bleibt der Markt risikobehaftet. Was passiert bei den Banken? Wie geht es bei Abwertungen weiter? Wie sieht die Lage bei offenen Fonds aus und wann springt der Investmentmarkt signifikant an? Die Marktteilnehmer beschäftigt eine Vielzahl von Fragen, die im laufenden Jahr ein Stück weit beantwortet werden. So erwarten einige, dass beispielsweise die Zinsen noch im Juni leicht nach unten gehen könnten. Das löst zwar nicht die Probleme, die vor allem bei Prolongierungen schlummern, sei jedoch ein positives Zeichen für die Märkte. „Das würde schon helfen“, ist sich ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner sicher. Auch Per Erikson, Head of Real Estate bei Swiss Life Asset Managers, rechnet in der zweiten Jahreshälfte wieder mit „normalen“ Verhältnissen. Vor allem wer genügend Eigenkapital mitbringt, könne dann wieder Geschäft machen.
Ansonsten waren die Gespräche im (fast) wie immer strahlenden Sonnenlicht sehr viel konkreter, konstruktiver und lösungsorientierter als noch in den vergangenen Jahren. Wer behauptet, dass bei ihm alles in Ordnung sei, ist derzeit wohl eher unglaubwürdig. So wurde mir beispielsweise auf den Gängen zugeraunt, ob meine Gesprächspartner noch jammern würden oder bereits lügen. Ich hoffe, und mein Gefühl spricht dafür, dass ich beides nicht erlebt habe.
Ausländer handeln antizyklisch
Oft führten die Gespräche zwangsläufig zum Thema Politik und Banken. Wobei die politische Entwicklung, die in den USA droht, als größerer Grund zur Sorge gesehen wurde als das mögliche Ergebnis der Landtagswahlen in Deutschland in diesem Jahr. Auch die Sorge vieler, dass ausländische Investoren Deutschland als nicht mehr verlässliches Investmentziel ansehen könnten, stellte sich in vielen Gesprächen als unbegründet heraus. Gerade ausländische Investoren verstünden es, antizyklisch zu investieren.
Risiken werden vor allem bei Bestandshaltern und Banken erwartet. Die Bandbreite der erwarteten Ausprägungen ist dabei denkbar groß. Von „wir haben die Risiken im Griff“, bis hin zu „da besteht ein erhebliches Potenzial, Work-out-Abteilungen auf- und NPL-Know-how auszubauen“. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Wir hörten von Abwertungen irgendwo zwischen zwei und zehn Prozent.
Dass der Markt weitere Federn lassen wird bei der Anzahl der Marktteilnehmer, steht dabei außer Frage. Dessen ist man sich bewusst. Es hilft nur eben nichts, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken. Die neue Offenheit hat in Gesprächen Einzug gehalten. Lösungsorientiertes agieren würden sogar Banken versuchen, trotz enormen regulatorischen Drucks. Dass das nicht immer klappt, steht außer Frage.
Und beim Investmentmarkt?
Der werde dieses Jahr schon mehr Bewegung sehen, ist man sich sicher. So will beispielsweise die Bayern LB in diesem Jahr vier Milliarden Euro echtes Neugeschäft machen. Immerhin hat man bisher bereits rund 400 Millionen Euro an Krediten rausgegeben, so Alexander Huber, Bereichsleiter Immobilien bei der Bayerischen Landesbank. Opportunistische Investoren, zu denen auch kleinere Family Offices gehören, sondieren den Markt sehr genau, meint Jens Lütjen, Chef von Robert C. Spies. Selbst Value-Add- und Core-Plus-Investments sind wieder denkbar, glaub man Eva Welzenbach, Geschäftsführerin von Advenis Deutschland. Auch in schlechten Lagen und weniger ESG-Konformität – Low Tech sei Dank.
Zudem haben viele konservative Häuser einen gesunden Bestand aufgebaut, von dessen Cashflow sich auch mal eine Phase wie die jetzige überbrücken lässt, meint Jochen Schenk, Chef der Real I.S., der sein Haus in diesem Jahr an Dr. Christine Bernhofer übergeben wird. Dem ZIA bleibt Schenk übrigens erhalten.
Genauso wie Jens Böhnlein nur eben für die RICS, die 2024 wieder aktiver wahrgenommen werden wollen. Böhnlein hatte erst 2023 den Vorsitz der RICS Deutschland von Susanne Eickermann-Riepe übernommen. Er kann dem Abgesang auf Büroimmobilien nur wenig abgewinnen. „Büro muss einfach besser als das Zuhause sein“, so Böhnlein. Konzepte hierfür gebe es genug. So ist für ihn beispielsweise der eindimensionale Blick auf Assetklassen entscheidend. „Die Zukunft der Immobilie liegt nicht mehr im Segment“, sondern vielmehr über verschiedene Nutzungsarten innerhalb einer Immobilie hinweg. Diese Konzepte seien gerade für Bestandsobjekte durchaus rechenbar und würden am Ende mehr Rendite bringen. „Das haben die Investoren allerdings noch nicht verstanden.“
Am Ende gilt: Cannes ist wie München geworden, nur mit mehr Lametta.

Wir haben Ihnen ausgesuchte Zitate aus unseren zahlreichen Gesprächen hier zusammengestellt, damit Sie sich selbst einen kleinen Überblick über die Stimmungslage der Branche verschaffen können:
Thomas Grynia, Inhaber der Personalberatung Grynia Consulting:
„Die Krise ist in der Branche angekommen. Die angekündigte Trendwende, die man zur Expo Real 2023 von der Mipim noch erwartet hatte, ist nicht eingetroffen. Die Überzeugung zur Mipim zu fahren, um mit den Menschen zu sprechen, die wirklich etwas bewegen wollten, hat sich hingegen bewahrheitet. Drei Tage intensiver Austausch bei frühlingshaften Temperaturen lassen viele Marktakteure mit genügend Energie zurückreisen für die Umsetzung der anstehenden Themen.“
Christoph Wittkop, Managing Partner, Sonar Real Estate:
„Das Stimmungsbild am Markt ist uneinheitlich. Auch wenn die Unsicherheit generell nachlässt, ist weiter unklar, wie sich die Märkte entwickeln werden. Das Zinsniveau wird sicherlich sinken. Ob das einen großen Impact auf Preise und Liquidität am Markt hat, bleibt aber abzuwarten. Vor allem für den Bürobereich sind Optimisten rar, leichter hat es das Logistik-Segment. Allen gemeinsam ist: die Suche nach Comparables und Eckpfeilern. Im weiteren Verlauf des Jahres werden wir sicher schlauer sein, aber sicherlich nicht unmittelbar nach der Mipim.“
Peter Axmann, Bereichsleiter Immobilienkunden bei Hamburg Commercial Bank:
„In diesem Jahr sind weniger Teilnehmer auf der Mipim. Diejenigen, die noch mit den Folgen der Zinswende und fallender Objektwerte zu kämpfen haben, sind diesmal nicht in Cannes vertreten. Die Anwesenden haben einen viel realistischeren Blick auf den Markt als im Vorjahr und sehen langsam ein Preisniveau, bei dem es sich lohnt, wieder einzusteigen. Während sich im letzten Jahr die Gespräche meist zwischen Hoffen und Bangen bewegten, geht es diesmal in fast jedem Termin wieder um konkrete Geschäftsansätze.“
Stefan Dölker, Managing Partner, Silverton Group:
„Das Wetter ist ausgezeichnet, die Stimmung dafür nicht ganz so. Es ist deutlich ruhiger und weniger voll. Was ganz deutlich spürbar ist: Es ist wieder mehr Realismus eingekehrt.“
Andreas Stegman, Head of Institutional Clients & Products, FOM Invest:
„Die Mipim ist für uns ein sehr spannendes Format, da wir hier viele internationale Marktteilnehmer in kurzer Zeit treffen können. Die internationale Sicht auf Deutschland ist positiver als die inländische. Deutschland wird weiterhin als attraktiver Markt wahrgenommen, wenn auch differenzierter als zuvor. Mit unserer neuen Schwestergesellschaft FOM Advisory beschäftigen wir uns hier unter anderem mit Lösungen für problembehaftete Projektentwicklungen – und stoßen damit auf breites Interesse.“
Alexander Lackner, Neworld:
„Die diesjährige Mipim war von einem realistischen Blick auf die ja tatsächlich herausfordernde Gesamtlage geprägt. Als Unternehmer sehen wir neben den diversen Herausforderungen aktuell vor allem die Chancen, die sich aus diesen Situationen ergeben können. Unseres Erachtens ergeben sich die veränderten Bedürfnisse der Menschen vielzählige Situationen, wo Immobilien „neu“ gedacht werden müssen. Hier können Nutzungen wie Co-Living, Serviced Apartment, Flex Office und Senior-Living-Möglichkeiten kreieren, diesen Wandel positiv mitzugestalten, genau da wollen wir ansetzen."
Dr. Patrick Adenauer, geschäftsführender Gesellschafter, German American Realty:
„Man spürt, dass die Bodenbildung gekommen ist und zunehmend über neue Transaktionen gesprochen wird. In den USA allerdings deutlich stärker als in Deutschland.“
Marcus-C. Huckfeldt-Weber, geschäftsführender Gesellschafter, Adolf Weber Grundbesitz- und Projektgesellschaft:
„Im Vergleich zum Vorjahr sehen wir erste Anfänge einer Marktstabilisierung. Die nach wie vor hohen Zinsen und branchenübergreifenden Insolvenzen haben den Transaktionsmarkt noch fest im Griff. Es ist jedoch ein positives Zeichen, dass der Markt in Bewegung bleibt und moderne, ESG-konforme Immobilien sich dennoch gut am Markt positionieren lassen. Auf dem deutschen Markt werden voraussichtlich die Ausläufer der angehenden Büroimmobilienkrise in den USA zu spüren sein. Adolf Weber setzt auch in diesem Jahr auf ein gut diversifiziertes Portfolio mit Fokus auf der Entwicklung von Light Industrial und City-Logistik.“
Thomas Kallenbrunnen, Geschäftsführer, Garbe Institutional Management:
„Wir befinden uns in spannenden und zugleich chancenreichen Zeiten - das zeigt auch die Mipim 2024, die sich in diesem Jahr als Arbeitsmesse entpuppte. Und das ist gut so. Ganz klar: Opportunitäten sind da, wenn auch noch vereinzelt. Von zehn Projekten fliegen vielleicht zwei, aber die komplette Lähmung des Marktes scheint vorbei. Für das Investmentmanagement zeigt sich, dass es jetzt den nötigen Pioniergeist braucht, um Assetklassen weiterzuentwickeln. Wer hier klug agiert, kann sich die Markt- und Innovationsführerschaft sichern und wird so zum verlässlichen Partner für Investoren.“
Jan Salzmann, Senior Director Investment Germany bei Greystar:
„Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Messe weniger überlaufen, dafür aber arbeitsfokussierter. Ich habe das Gefühl, dass sich die Geld-Brief-Spanne bald schließt und die Branche vorsichtig, aber optimistisch auf das zweite Halbjahr 2024 blickt. Für die Zusammenarbeit setzt man auf etablierte Partner und bewährte operative Plattformen wie Greystar.“
Mathias Leidgeb, Managing Partner, Palmira Capital Partners:
„Die Teilnehmer der Mipim lassen sich auch in diesem Jahr nicht davon abhalten, hier den Frühling zu begrüßen. Schwierigkeiten in der Immobilienwirtschaft lassen sich offensichtlich besser bei Rosé und Austern besprechen oder aber auch vergessen.“
Alexander Kropf, International Partner/Head of Capital Markets Germany bei Cushman & Wakefield:
„Es gibt weniger Besucher, jedoch sind die Gespräche besser und intensiver. Die Stimmung hellt sich ein wenig auf, was allerdings auch an dem schönen Wetter liegen kann. Klar ist aber, es ist viel Kapital für Wohnen, Logistik und bei Büros vor allem für das Value-Add-Segment verfügbar, während man sich bei Core-Büroimmobilien noch eher abwartend verhält. Aber grundsätzlich ist Optimismus zu spüren und die Leute wollen wieder Transaktionen realisieren. Der Blick ist klar nach vorne gerichtet, die Aktivitäten nehmen zu.“