Energieversorgung, Regulatorik und Flächenmangel sind bei der Entwicklung neuer Rechenzentren weiterhin große Herausforderungen. Ein aktuelles Projekt von Beos und Cyrus One entsteht derzeit im Frankfurter Westside.
Der deutsche Markt für Rechenzentren erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Getrieben von der rapiden Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI) und stetig wachsenden Datenmengen steigt die Nachfrage nach Speicher- und Rechenkapazitäten und passenden Immobilien kontinuierlich. Auch als Anlageprodukt gewinnen Rechenzentren an Bedeutung. Wie aus dem JLL-Marktüberblick „Rechenzentren in Deutschland“ hervorgeht, stellen jedoch neue Regularien Investoren wie auch Eigentümer vor Herausforderungen.
Der europäische Markt wird dabei von den sogenannten „FLAP-D“-Märkten (Frankfurt am Main, London, Amsterdam, Paris und Dublin) geprägt. Mit einer Gesamt-IT-Kapazität von 949 MW liegt London weiterhin an der Spitze, gefolgt von Frankfurt mit 724 MW. Allein im Jahr 2024 soll die IT-Last in der Mainmetropole um weitere 205 MW steigen. Auf den weiteren Plätzen folgen Amsterdam (500 MW), Paris (379 MW) und Dublin (232 MW).
Sechstgrößter Markt Europas und damit kein Teil der FLAP-D-Märkte ist Berlin mit einer Leistung von etwa 99 MW. Weitere Entwicklungen dürften die IT-Last der Bundeshauptstadt bis 2027 auf bis zu 700 MW katapultieren. Die Ansiedlung eines Hyperscalers eines großen Tech-Konzerns, also eines Rechenzentrums mit sehr großen Ressourcen und Kapazitäten, rief dort zuletzt Colocation-Anbieter, also Vermieter von Rechenleistung, auf den Plan. „Berlin und Frankfurt sind aufgrund unterschiedlicher Faktoren gefragt“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. „Frankfurt profitiert neben der zentralen Lage und der internationalen finanzpolitischen Bedeutung der Stadt besonders vom DE-CIX, dem weltweit größten Internetknoten, der Datenverkehr mit kurzer Latenz in internationale Netze ermöglicht. In Berlin hingegen sorgen die digitalaffine Wirtschaft, der Internetknoten BCIX, der Bezug von Windenergie aus Brandenburg sowie die vergleichsweise günstigen Flächenpreise für Nachfrage.“
Innerhalb Deutschlands wird das Rheinische Revier voraussichtlich Anfang 2026 mit der Eröffnung zweier Rechenzentren von Microsoft auf den dritten Platz steigen. Die beiden Objekte mit einer Gesamtleistung von 200 bis 400 MW will das Technologieunternehmen für die eigene Cloud-Infrastruktur und KI-Anwendungen nutzen. Generell zeigt sich, dass Neuentwicklungen immer größer werden: Während die meisten vor zehn Jahren errichteten Rechenzentren etwa zehn MW boten, sind heutzutage Entwicklungen von 100 MW nichts Ungewöhnliches mehr.
Auch wenn das Angebot zunimmt, mit der Nachfrage kann es nicht mithalten. Nicht nur wegen der beschleunigten Alltagsdigitalisierung während der Pandemie, sondern auch wegen der attraktiven Renditen zeigen insbesondere institutionelle Investoren vermehrt Interesse an Rechenzentren als Anlageobjekt. Um Zukunftstechnologien und niedrige Latenzen garantieren zu können, bedarf es weiterer Rechenleistung vor Ort – für die sich europäische Betreiber ohnehin bevorzugt entscheiden, um die anspruchsvollen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu erfüllen. „Rechenzentren sind für Privatpersonen wie auch für die Wirtschaft existenziell geworden“, bilanziert Björn Wagenknecht, Senior Director Project & Development Services JLL Germany. „Damit wird sich auch die Suche nach geeigneten Flächen noch einmal deutlich verstärken, zumal Standorte aufgrund der steigenden Rechenleistungen durch Hochleistungschips und höhere Rack-Dichten eine ausreichende Stromverfügbarkeit gewährleisten müssen.“ Aus dem Grund sehen sich Entwickler mittlerweile auch außerhalb der Cluster Frankfurt und Berlin um und ziehen Brownfields mit vorhandener Infrastruktur in Betracht.
Zugleich steigen die Anforderungen an Bestand und Neubau: Bereits heute müssen Rechenzentren den Stromverbrauch zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien decken, für neu errichtete Objekte gilt ab 2027 gar ein hundertprozentig klimaneutraler Betrieb. Regularien wie das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) setzen verstärkt auf Pflichten, aber auch auf Anreize für nachhaltige Rechenzentren. Bestimmendes Thema ist dabei die Weiterverwertung der im Betrieb produzierten Abwärme, nicht zuletzt, da die Wärmeentwicklung mit höherer Rechenleistung ebenfalls zunimmt. Mit der Abwärmenutzung geht eine Zusammenarbeit vieler einzelner Akteure einher, letztendlich stellt sie aber auch einen Beitrag zum Erreichen der ESG-Ziele von Investoren, Entwicklern, Betreibern und Kommunen dar und kann so die politische und gesellschaftliche Akzeptanz solcher Immobilien steigern.
Beispiel Frankfurt Westside
Cyrus One wird zum Beispiel seine Rechenzentren im Quartier Frankfurt Westside so planen und errichten, dass die Abwärme für die Beheizung des restlichen Quartiers zur Verfügung gestellt werden kann. Ein gemeinsamer Netzanschluss stellt die Stromversorgung sowohl für die Rechenzentren als auch für das rund 73 Hektar große Quartier sicher. Beos und Swiss Life Asset Managers werden sowohl das entsprechende Wärmeverteilnetz innerhalb der Frankfurt Westside aufbauen als auch die insgesamt 63.000 Quadratmeter umfassende Grundstücksfläche für die Rechenzentren von Cyrus One mit allen relevanten Infrastrukturen erschließen. Dies umfasst unter anderem alle Wassergewerke, eine dreifach redundante Glasfaseranbindung sowie die Herstellung der Verkehrswege und Oberflächen. Die Übergabe des ersten Baufelds folgte am vergangenen Mittwoch (17. April 2024) wenige Monate nach der initialen Bekanntgabe der Projektierung eines ersten hochmodernen 81 MW-Rechenzentrums innerhalb der Frankfurt Westside durch Cyrus One.
Die Bereitstellung von rückgewonnener Abwärme durch die FRA7-Rechenzentren von Cyrus One ist ein zentraler energetischer Aspekt der Frankfurt Westside. Die Rechenzentren sind durch innovative Methoden zur Wiederverwendung von Abwärme in der Lage, bei voller Auslastung 40 MW in das Campus-Verteilnetz einzuspeisen. Der Prozess sieht vor, dass die Wärmeenergie der Server in den Datenhallen auf ein geschlossenes Wassersystem übertragen wird, welches wiederum über eine hydraulische Weiche an die von Beos bereitgestellte Netzinfrastruktur gekoppelt ist. Je nach Wärmebedarf wird die Vorlauftemperatur des Wassers in den einzelnen Gebäuden über dezentrale und mit PV-Strom betriebene Wärmepumpen auf das notwendige Niveau gehoben. Auf diese Weise können die im Quartier ansässigen Unternehmen als Nutzer eines „Abfallprodukts“ profitieren.
Die Beos AG und Cyrus One konnten am Standort in einem sehr wettbewerbsintensiven Markt Stromkapazitäten von rund 150 MVA sichern, die über einen redundanten 110 kV-Anschluss in die Frankfurt Westside geliefert werden. Beide Parteien werden darüber hinaus gemeinschaftlich in den Bau eines eigenen Umspannwerks investieren, welches sowohl den Rechenzentren als auch dem restlichen Quartier dienen soll. Durch die spezielle Architektur der Rechenzentren soll eine effiziente Stromverteilung ermöglicht werden, um sicherzustellen, dass jedes Gebäude des Projekts in der Lage ist, die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu maximieren und sich an den Energieeffizienzzielen der deutschen Gesetzgebung zu orientieren. Die Rechenzentren sind außerdem so ausgelegt, dass sie über Photovoltaik-Zellen auf dem Dach verfügen, um Strom für die Büroflächen und andere Nebenräume zu erzeugen.

 
                     
                     
                    