Eine DGNB-Untersuchung von Immobilienprojekten zeigt, dass die Circular Economy längst noch nicht erreicht wird.
Die Immobilienbranche ist auf den Wandel zur Kreislaufwirtschaft nicht vorbereitet. Das zeigt eine Studie, die die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. in den vergangenen Monaten gemeinsam mit europäischen Partnern durchgeführt hat. Darin wurden reale Bauprojekte untersucht, ob sie die Circular-Economy-Kriterien erfüllen, die in der EU-Taxonomie vorgeschlagen werden. Das Ergebnis: Kein Projekt konnte als taxonomiekonform eingestuft werden. Als besonders schwierig erwies sich die Wiederverwendung von Bauteilen und der Einsatz von Rezyklaten. Zudem fehlten Daten und Methoden zum zirkulären Bauen.
Der "Wandel zur Kreislaufwirtschaft" ist eines der Umweltziele, die in der EU-Taxonomie vorgesehen sind. Mehr als die Hälfte aller Neubauten erfüllte weniger als 50 Prozent der Anforderungen. "Das Ergebnis ist überraschend. In Vorträgen, Diskussionen und in den Medien sprechen derzeit alle über das zirkuläre Bauen und es entsteht der Eindruck, das Thema sei in der Branche angekommen", sagt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. "Die Studie zeigt jedoch, dass es in der gebauten Realität in dieser Dimension nicht vorhanden ist."
Kein Projekt erfüllt die Materialquote
Die Studienergebnisse zeigen, dass sich der ressourcenschonende Umgang mit Baumaterialien als besonders herausfordernd erweist. So konnte kein Projekt die Materialquote erfüllen. Sie sieht vor, dass die eingesetzten Baumaterialien zu mindestens 15 Prozent wiederverwendet, zu 15 Prozent recycelt und zu 20 Prozent entweder nachwachsend, wiederverwendet oder recycelt sein müssen. Dies lag zum einem daran, dass entsprechende Materialien fehlen, aber auch nicht genug Informationen und Daten vorhanden sind.
Aus den Ergebnissen leitete das Studienkonsortium konkrete Empfehlungen ab, die bereits im Oktober 2022 an die EU-Kommission übermittelt wurden. Als zentrales Instrument zur Lösung der Informations- und Datenlücke wird die Einführung eines Gebäuderessourcenpasses gesehen, der sämtliche Daten zur Kreislauffähigkeit von Materialien, aber auch Informationen zur Instandhaltung und zukünftigen Rückbaumaßnahmen enthält. Darüber hinaus empfiehlt die Studie eine Harmonisierung mit bestehenden Nachhaltigkeitsbewertungssystemen von Gebäuden; ein Beispiel ist das DGNB Zertifizierungssystem und die darin verankerten Methoden.
Das Klassifizierungssystem der EU umfasst insgesamt sechs Umweltziele. Bisher können Unternehmen zwischen den Umweltzielen "Klimaschutz" und "Klimawandelanpassung" wählen. "Wenn die Kriterien so bleiben wie bisher, wird sich kein Branchenteilnehmer für den Wandel zur Kreislaufwirtschaft entscheiden, da die Klimaziele im Vergleich mit weniger Aufwand und Kosten verbunden sind", erklärt Lemaitre. "Um in dem Ziel einer Circular Economy dennoch ambitioniert zu bleiben, empfehlen wir die Entwicklung und Kommunikation eines Fahrplans, damit der Markt sich auf künftige Anforderungen vorbereiten kann."
Besser Bestand erhalten als Neubauten rückbaubar machen
Grundsätzlich fehlt in den Taxonomie-Kriterien der Anreiz dafür, Bestandsgebäude zu sanieren und sparsam mit Ressourcen umzugehen. "Wenn wir über Kreislaufwirtschaft sprechen, sollte uns als erstes der Erhalt von Bestand in den Sinn kommen und nicht der Bau eines potenziell in vielen Jahren rückbaubaren Neubaus", sagt Lemaitre. "Zudem fördern die Kriterien derzeit unter Umständen ein verschwenderisches Verhalten, wenn für das Erreichen der Materialquote zusätzlich nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden. Stattdessen sollte Suffizienz als positives Gestaltungsprinzip eine zentrale Rolle spielen. Es könnte beispielsweise vorgeschrieben werden, dass vor jedem Neubau erstmal eine Suffizienz-Analyse durchgeführt werden muss."
Durchgeführt wurde die Studie von der DGNB gemeinsam mit dem spanischen und dänischen Green Building Council, der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft, der Climate Positive Europe Alliance, der Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft und dem niederländischen Green Building Council. Unterstützt wurden die Initiatoren zudem vom kroatischen und bulgarischen Green Building Council.
Das Studienteam untersuchte die Marktfähigkeit der Circular Economy-Kriterien anhand von 38 Projekten mit 35 Neubauten und drei Sanierungen. Diese lassen sich insgesamt 29 Unternehmen zuordnen, die sich in 13 Projektentwickler, fünf Bauunternehmen, vier Beratungsfirmen, drei Investoren, zwei Banken und jeweils einen Asset-Manager und einen Konzern mit eigenem Immobilienportfolio unterteilen. Mit 95 Prozent waren fast alle Projekte zertifiziert oder im Prozess einer Nachhaltigkeitszertifizierung für Gebäude.
Die Studie kann unter www.dgnb.de/publikationen kostenfrei als PDF oder Printversion bestellt werden.