Visualisierung eines Eckgebäudes mit 4 Etagen
Der Büroteil des Projekts „Vinzent" von Bauwerk ging für mehr als 100 Millionen Euro an die Kommunale Unfallversicherung Bayern. (Quelle: Bauwerk)

Standorte & Märkte 2023-10-09T10:14:22.494Z Warten auf mehr Klarheit

Die veränderten Finanzierungsbedingungen und weitere Unsicherheiten machen sich zunehmend auch am Münchener Investmentmarkt bemerkbar. Mit einer schnellen Veränderung rechnet kaum ein Marktteilnehmer. Von Matthias Autenrieth

Wenn sich die Branche in diesem Jahr in München auf der Expo Real trifft, dürfte die Stimmung gedämpft sein angesichts der derzeitigen Herausforderungen. Ein Blick auf den Investmentmarkt des Veranstaltungsortes verdeutlicht die Lage beispielhaft. War schon das vergangene Jahr weit unterdurchschnittlich gewesen, wenn man auf den Umsatz am Münchener Markt blickt, ging es 2023 nochmals abwärts.

Nach Berechnungen von BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) wurden im ersten Halbjahr rund 719 Millionen Euro umgesetzt, was einen Rückgang gegenüber dem bereits schwachen Vorjahreszeitraum um 54 Prozent bedeutete. Auf das zweite Quartal entfielen dabei lediglich rund 178 Millionen Euro, dies war der geringste Betrag seit dem zweiten Quartal 2009.

„Grund für dieses deutlich unterdurchschnittliche Resultat am Transaktionsmarkt ist weiterhin das makroökonomische Umfeld mit stark restriktiven Finanzierungskonditionen, hoher Inflation und Baukosten, die initial durch hohe Energiepreise getrieben sind“, führt Tobias Döscher, Managing Director der Accumulata Group, aus. Und nachdem in vielen der vergangenen, erfolgreichen Jahre der Mangel an Produkt das Umsatzergebnis limitiert hatte, fehlt nun etwas völlig anderes: Klarheit. „Wir haben aktuell einen sehr intransparenten Markt“, sagt Roderick Rauert, geschäftsführender Gesellschafter von Bauwerk Capital, er sehe eine riesige Verunsicherung bei vielen Marktteilnehmern.

Eine Folge dieser Verunsicherung fehlt unter dem Schlagwort „Preisfindungsphase“ in praktisch keiner aktuellen Beschreibung eines deutschen Top-Immobilienstandorts. „Die deutlichen Unterschiede zwischen Kaufpreiserwartungen auf der Verkaufs- und Ankaufsseite sind natürlich maßgeblich für das geringe Transaktionsvolumen, da unter dem Strich deutlich weniger Verkäufe zustande kommen, wenn Ankaufs- und Verkaufsseite nicht zueinander finden“, sagt Peter Tomas, Head of Investment Munich bei CBRE. Christof Altendorfer, Geschäftsführer und Leiter Investment Management bei CA Immo Deutschland, führt zudem an, dass Kapital den Sektor aufgrund attraktiver alternativer Anlagemöglichkeiten verlasse.

Wir haben aktuell einen sehr intransparenten Markt.

Roderick Rauert, Bauwerk

An eine rasche Änderung glaubt Tobias Döscher nicht. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deuteten darauf hin, dass in der zweiten Jahreshälfte weitere, wenn auch gemäßigte, Zinserhöhungen zu erwarten seien. „Dementsprechend wird sich das Ende der Preisfindungsphase und damit eine breite Belebung des Transaktionsgeschehens vermutlich noch weit in das Jahr 2024 hinauszögern“, prognostiziert er.

Der Büromarkt steckt im Umbruch, und auch das verunsichert Investoren. Zwar waren Prognosen aus der Corona-Zeit, das Büro hätte angesichts von Homeoffice mehr oder weniger ausgedient, stark übertrieben, doch hat diese Zeit die Arbeitswelt spürbar verändert.

Auf dieser Basis ermittelte das McKinsey Global Institute jüngst in einer globalen Studie für München künftig noch 3,5 Anwesenheits-Tage im Büro, was sich auch auf den Platzbedarf auswirken würde. Roderick Rauert zeigt sich von den Ergebnissen aber nicht vollends überzeugt. Zum einen, sagt er, sei die Betrachtung zu eng. Wenn perspektivisch mehr zu Hause gearbeitet würde, nehme zwar der benötigte Büroraum ab, der Platzbedarf entstünde dann aber an anderer Stelle. „Keiner will langfristig am Küchentisch arbeiten“, so Rauert.

Vorgeschmack auf kommende Veränderungen

Eine wesentlich größere Herausforderung sei überhaupt noch nicht berücksichtigt, so Rauert: die Künstliche Intelligenz. Wenn viele Tätigkeiten automatisiert würden, für die aktuell noch zahlreiche Menschen benötigt werden, so dürfte der geringere Platzbedarf durch Homeoffice nur ein kleiner Vorgeschmack sein auf die kommenden Veränderungen. „Mit der Beschäftigung damit fangen wir in der Branche bestenfalls gerade an“, so Rauert. Klar ist aber für ihn, dass der Bedarf an reinem Büroraum sinken wird.

Dass der Anteil von Büro am Umsatz in den ersten sechs Monaten 2023 mit 37,5 Prozent deutlich unter dem der Vorjahre lag, ist auf das insgesamt vergleichsweise geringe Transaktionsvolumen zurückzuführen. Der laut BNPPRE-Zahlen größte Abschluss im ersten Halbjahr, der Erwerb eines Entwicklungsgrundstücks zur Erweiterung des Apple Campus für rund 250 Millionen Euro, fiel stark ins Gewicht. Das hatte zur Folge, dass die Kategorie Sonstiges, die unter anderem Entwicklungsareale umfasst, mit einem Umsatzanteil von rund 43 Prozent die dominierende Klasse war. Zweiter Großabschluss über 100 Millionen war der Büroteil des Projekts „Vinzent“, den die Kommunale Unfallversicherung Bayern von Bauwerk erwarb.

Das Holz-Hybrid-Ensemble Vinzent steht mit seinen angestrebten Zertifizierungen LEED Core & Shell Gold sowie Wired Score und seiner Lage im beliebten Stadtteil Neuhausen für die Art von Objekt, die künftig vor allem gesucht sein dürfte. „Qualitativ hochwertige Objekte mit guter ÖPNV-Anbindung sind strukturelle Gewinner“, sagt Tomas. In diesem Segment sei der Nachfrageüberhang der vergangenen Jahre eher noch stärker ausgeprägt, mit entsprechendem Mietpreiswachstum. Denn trotz der aktuellen Herausforderungen liege die Leerstandsrate innerhalb des mittleren Rings bei lediglich 1,8 Prozent – und auf dem Gesamtmarkt inklusive aller Umland-Teilmärkte bei ebenfalls nur 4,6 Prozent. „Bei geringer Qualität wird es einen substanzielle Nachfrageabfall geben“, ergänzt Altendorfer die andere Seite der Marktpolarisierung, die er prognostiziert.

Erneut gesunken sind die Renditen. Ende Juni 2023 lag die Netto-Spitzenrendite für Büro laut BNPPRE bei 3,70 Prozent, ein Anstieg um 35 Basispunkte gegenüber dem ersten Quartal und um 50 Basispunkte gegenüber Ende 2022. Döscher verweist zwar darauf, dass Investoren weiterhin in einer „Wait-and-See-Haltung“ verharrten, sodass der Preisrückgang bei Core-Büroobjekten nur aus wenigen Transaktionen in 2023 abzuleiten sei. Allerdings rechnet auch er mit weiter steigenden Renditen bis zum Jahresende.

Aber keine Entwicklung ohne Chancen: So sieht Tomas für Investoren mit hohem Eigenkapitaleinsatz oder mit höherer Risikoaffinität im aktuellen Marktumfeld verstärkt neue Opportunitäten, sowohl im Core-Segment als auch im Value-add-Bereich. „Speziell in innerstädtischen Lagen zeigt sich großes Potenzial für Refurbishments und ,Manage to ESG‘-Ansätze, welche zunehmend stark nachgefragt werden.“

zuletzt editiert am 09. Oktober 2023