Porträtfoto von Ulrich Schiller
Ulrich Schiller, Howoge (Quelle: Howoge/Schnitger)

Unternehmen & Köpfe 2024-02-14T09:18:47.627Z „Wir suchen nicht nach Schuldigen“

Weniger Fehler machen? Dazu muss man erst einmal Fehler zulassen und dann daraus lernen. Wie das bei der Berliner Wohnungsgesellschaft Howoge funktioniert, berichtet ihr Geschäftsführer Ulrich Schiller.

Können Sie Beispiele von Fehlern nennen, aus denen die Howoge und ihre Mitarbeitenden gelernt haben?

Wir haben zwei klimaneutrale Wohngebäude mit insgesamt 99 Wohnungen errichtet und dafür 2020 den Bundespreis „Umwelt und Bauen“ erhalten. Sie sind mit modernster Gebäudetechnik ausgestattet und erfüllen den Standard KFW 40 Plus. Als wir das Gebäude in Nutzung genommen haben, haben sich allerdings zwei wesentliche Themen gezeigt. Zum einen ist ein hoher Technisierungsgrad teuer und anfällig für Fehler. Zum anderen haben wir festgestellt, dass nicht alle Mieterinnen und Mieter die Gebäude energetisch sinnvoll nutzen. Insofern lag der Energieverbrauch deutlich über unseren Erwartungen.

Welche Schlussfolgerung haben Sie daraus gezogen?

Wir bauen die Gebäude noch einmal mit derselben Kubatur, aber trotzdem anders.  Auch das neue Quartier wird klimaneutral mit einer Mieterstromanlage auf dem Dach errichtet – einen Batteriespeicher verbauen wir aber nicht mehr. Darüber hinaus optimieren wir die Lüftungsanlage und legen die Heizzentralen zusammen. Was das Nutzerverhalten betrifft, starten wir im neuen Projekt wieder einen Testballon und bauen erstmalig in einem Neubauvorhaben Fenster ohne Kippfunktion ein.  

Noch ein Beispiel?

Vor rund zehn Jahren haben wir erste Wärmepumpen auf Bestandsgebäuden installiert. Der Energieertrag war so gering, dass wir das Projekt für gescheitert erklärt haben. Die Pumpen sind nun wieder abgebaut, aber die Erkenntnisse, die wir aus diesem Projekt gezogen haben, bleiben und fließen in neue Konzepte ein.

Sie sagen, dass bei der Howoge eine Fehlerkultur gelebt wird. Was heißt das im Umgang mit den Mitarbeitenden?

Bleiben wir beim Beispiel Energie: Unser Bestand soll bis 2045 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es nicht die eine Lösung. Wir müssen verschiedene individuelle Ansätze finden und umsetzen. Dafür braucht es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Mut haben voranzugehen und Neues zu probieren.  Da sind Fehler fast unausweichlich. Was heißt das für unsere Fehlerkultur? Wir suchen nicht nach Schuldigen, sondern nach einer Lösung für das Problem.  Dann werten wir aus und ziehen unsere Schlussfolgerungen. So banal es klingt: Wer Angst hat Fehler zu machen, wird sich nicht weiterentwickeln. Das heißt aber auch zuzugeben, wenn man falsch liegt. Dafür braucht es den Rückhalt der Kolleginnen und Kollegen und eine offene und vertrauensvolle Unternehmenskultur.

Und werden dann tatsächlich am Ende weniger Fehler gemacht?

Es geht nicht zwingend darum weniger Fehler zu machen. Je mehr Verantwortung wir übernehmen, je öfter wir Neuland betreten und uns weiterentwickeln, desto mehr Fehler werden auch passieren. Wichtig ist aber, wie wir damit umgehen.

Aus Fehler zu lernen ist gut, aber Fehler zu machen ist auch teuer. Wie erklären Sie das Ihrem Eigentümer unter wirtschaftlichen Aspekten?

Fehlerkultur heißt nicht, planlos Geld zu verbrennen, um dann „Schwamm drüber“ zu sagen. Im Gegenteil: Planvolles, verlässliches und transparentes Arbeiten ist die Grundvoraussetzung für eine gute Fehlerkultur. Gerade Pilotprojekte deklinieren wir bis ins Detail durch, bevor sie an den Start gehen. Wir prüfen Eventualitäten, definieren einen festen Rahmen und vor allem setzen wir Grenzen. Denn wirtschaftliches Handeln heißt auch, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen und sich einzugestehen, dass etwas nicht funktioniert.

Wo sehen Sie die Grenzen der Fehlerkultur?

Scheitern ist wichtig und bringt uns weiter, wird derselbe Fehler ein zweites oder gar drittes Mal gemacht, ist das fraglich. Es ist eine Sache Fehler zu machen, weil wir unbekanntes Terrain betreten, um das Unternehmen agil und im hohen Tempo voranzubringen. Wird aber leichtfertig, verantwortungslos oder sogar vorsätzlich falsch gehandelt, ist für mich eine rote Linie überschritten. Deswegen braucht eine gute Fehlerkultur klare und vor allem verlässliche Grenzen, die auch konsequent durchgesetzt werden.

Das Gespräch führte Roswitha Loibl.

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zuletzt editiert am 14. Februar 2024