Ein Gespräch mit Patric Hellermann, Mitgründer und Managing Partner von Foundamental, über Venture Capital, Mut zum Unternehmertum und die Trägheit der deutschen Bau- und Immobilienwirtschaft.
Herr Hellermann, Sie investieren mit Foundamental weltweit in Start-ups aus Bau, Infrastruktur und Renovierung. Warum dieser Fokus auf eine Branche, die bislang als wenig digitalisierungsaffin gilt?
Vielleicht genau deshalb. Wir verstehen Bau und Infrastruktur als Teil einer ‚Projektökonomie‘, also jener Sektoren, in denen Wertschöpfung über Projekte entsteht – sie stehen für rund 22 bis 40 Prozent des BIP und treiben das Wachstum ganzer Volkswirtschaften. Dazu zählen auch Energiewende und Sanierung, aber eben nicht der laufende Betrieb. In diesen Feldern passieren tiefgreifende Umbrüche, die noch nicht durchkapitalisiert sind. Als wir 2018 mit unserem ersten Fonds starteten, lag das Investitionsvolumen von Venture Capital in den Bausektor bei viereinhalb Milliarden US-Dollar. Heute liegt das Volumen bei rund 40 Milliarden – in Kürze werden es 50 sein. Das zeigt, wie stark die Transformation inzwischen Fahrt aufgenommen hat.
Foundamental investiert sehr früh – in der Pre-Seed- und Seed-Phase. Wie finden Sie in dieser Phase die richtigen Gründer?
In der Frühphase ist das Gründerteam entscheidend. Wir haben dafür sieben archetypische Gründer-Personas entwickelt, vom „Rally Champion“ bis zum „Onion Founder“. Das sind Verhaltensmuster, die wir bei Ausreißer-Erfolgen immer wieder beobachten. Mindestens ebenso wichtig ist, ob ein Start-up Kapazität statt Effizienz verkauft. Wir meiden Geschäftsmodelle, die versprechen, „fünf Stunden pro Woche“ einzusparen. Wir suchen Geschäftsmodelle, die mehr Leistung, Output oder Produktionskapazität schaffen – also Hebelwirkung auf den Markt entfalten.
Wie groß ist Ihr Fonds und in welcher Größenordnung engagieren Sie sich?
Wir investieren aktuell aus unserem dritten Fonds. Das Startticket liegt bei 1,5 bis drei Millionen Euro, insgesamt halten wir rund die Hälfte des Fondsvolumens für Folgeinvestitionen bereit. Unser Anlagehorizont liegt bei zehn bis zwölf Jahren – wir investieren langfristig und strategisch, nicht opportunistisch. Trotzdem ist Venture Capital immer auf Exits ausgerichtet, also auf den Verkauf von Beteiligungen innerhalb dieser Laufzeit.
Venture Capital gilt vielen in der Immobilienwirtschaft noch als fremde Welt. Woher kommt diese Distanz?
Vielleicht auch, weil wir in Deutschland sehr viele Sesselfurzer haben. (lacht) Ernsthaft: Unternehmertum bedeutet, Risiken einzugehen und Entscheidungen zu treffen. Beides fällt hierzulande schwer. In Frankreich oder den USA sind Unternehmer viel entscheidungsfreudiger. In Deutschland dagegen wird jedes Risiko zerredet. Viele in der Bau- und Immobilienbranche verwalten lieber, als zu gestalten.
Ihre eigenen Wurzeln sind nicht gerade im Start-up-Umfeld zu finden.
Stimmt. Ich bin gelernter Energieökonom, habe im Corporate Finance begonnen, dann bei E.ON, Thyssenkrupp und Heidelberg Materials gearbeitet. Dort war ich Chief Digital Venture Officer – das war mein Einstieg in die Branche. 2018 haben wir dann Foundamental gegründet. Unternehmerisches Denken habe ich aber von zu Hause mitbekommen: Mein Vater war im Autohandel tätig, meine Mutter Ärztin und Gründerin einer Blutbank. Von ihr habe ich gelernt, dass man sich auch in männerdominierten Märkten durchsetzen kann, wenn man beharrlich auf seine Kunden und sein großes Ziel fokussiert bleibt.
Welche Sektoren sind für Sie derzeit besonders spannend?
An erster Stelle steht Robotik – sowohl auf der Baustelle als auch im Netzbau und bei Instandhaltungsprozessen. Zweitens sehen wir großes Potenzial in der digitalen Infrastruktur, also beim Netzausbau, Stichwort Energie und Datenzentren. Und drittens in Finanzierungs- und Banklösungen für kleine und mittlere Bauunternehmen. Eine unserer Beteiligungen in Frankreich ist eine Art „N26 für Generalunternehmer“. In Deutschland gibt es dafür noch kaum Angebote.
Welche Fehler machen Gründerinnen und Gründer besonders häufig?
Viele entwickeln keine echten Unternehmen, sondern nur „VC-Cases“ – schöne Geschichten für Investoren. Die wirklich guten Gründer denken von Anfang an in Cashflows, nicht in Pitches. Zweiter häufiger Fehler: Informationsfaulheit. Der wichtigste Job eines CEOs ist, Entscheidungen auf Basis bester Informationen zu treffen. Viele delegieren zu früh, statt selbst tief im Geschehen zu bleiben. Ein Gründer-CEO sollte auch in Jahr 10 noch selbst Vertrieb machen.
Wie beurteilen Sie die Qualität der Gründer-Generation von heute?
Ich sehe keinen Qualitätsverfall, aber eine gewisse Sattheit. In Indien oder Italien treffe ich junge Unternehmer mit echtem Hunger, sozialem Aufstiegswillen, Drive. In Deutschland fehlt oft dieses Feuer. Vielleicht liegt es an unserer Wohlstandssättigung. Wir haben als Gesellschaft verlernt, uns hochzuarbeiten – das merkt man auch an der Risikofreude.
Was unterscheidet Foundamental von anderen Fonds?
Wir arbeiten ohne staatliches Geld, vollständig mit privaten Investoren – etwa 50 Prozent Familienvermögen, 50 Prozent strategische Partner. Institutionelle Anleger würden gern einsteigen, aber bei Fondsgrößen von 100 Millionen Euro lohnt sich das für sie oft noch nicht. Unser Ziel ist, Foundamental als Multi-Generationen-Unternehmen aufzubauen. „There is no success without succession“ – das gilt auch für Venture Capital.
Welche drei Megatrends werden Bau und Immobilienwirtschaft in den nächsten zehn Jahren prägen?
Erstens Robotik, zweitens digitale Verwaltung – gerade in Deutschland ein riesiges Defizit –, und drittens Infrastruktur und Netzausbau. Diese drei Themen sind eng miteinander verknüpft: Ohne digitale Prozesse keine Automatisierung, ohne Infrastruktur keine Skalierung.
Was raten Sie klassischen Immobilienunternehmen, die sich digitaler und technologischer aufstellen wollen?
Der beste Nährboden für Technologie ist Prozessstandardisierung. Viele wollen sofort digitalisieren, ohne vorher ihre Prozesse zu ordnen. Das führt zu Insellösungen und Reibungsverlusten. Wer seine Abläufe sauber standardisiert, kann Technologie effizient integrieren – und spricht mit Anbietern endlich dieselbe Sprache.
Wenn eines Tages ein Buch über Foundamental geschrieben wird – was sollte über Sie darin stehen?
(lacht) Ich habe mal gesagt: Der erste Satz sollte sein „Hat keiner geglaubt, dass er das kann“ – und der letzte „Deswegen konnte er es.“ Ich komme nicht aus einer Unternehmerdynastie, ich musste mir vieles erarbeiten. Aber vielleicht ist genau das die Basis, um irgendwann selbst welche zu ermöglichen.
Und was wünschen Sie sich von Politik und Branche?
Entscheidungsfreude, Mut und langfristige Stabilität. Wir brauchen keine neuen Förderprogramme, sondern klare Planungszyklen. Und wir sollten aufhören, anderen Ländern vorzuschreiben, wie sie ihre Wirtschaft oder Gesellschaft organisieren sollen, während wir selbst auf der Stelle treten. Mit mehr Unternehmertum und weniger Bedenkenträgerei könnten wir viel bewegen.
Zur Person: Patric Hellermann ist Mitgründer und Managing Partner von Foundamental, einem international führenden Venture-Capital-Fonds für Bau-, Infrastruktur- und Renovierungstechnologien. Der Fonds investiert weltweit in Frühphasen-Start-ups – von Robotik über digitale Baustoffmarktplätze bis zu Finanzlösungen für das Handwerk. Zuvor war Hellermann unter anderem bei E.ON, Thyssenkrupp und Heidelberg Materials tätig.
