Artikel-8-Fonds sind für Gesundheitsimmobilien essenziell, doch die energetische Umsetzung ist komplex. Welche Maßnahmen lohnen sich für Investoren? Von Peret Bergmann
Neue Spezialfonds müssen für die Eigenkapitalsammlung mindestens Artikel-8-Fonds sein, um den institutionellen Anforderungen zu entsprechen. Das Produkt Gesundheitsimmobilie bietet sich hierfür aufgrund des Sozialcharakters in besonderem Maße an, die energetischen Maßnahmen sind jedoch weitaus umfangreicher als in anderen Nutzungsarten. Aufgrund der besonderen Begebenheiten des Produkts sind flächendeckende Artikel-9-Fonds im Gesundheitssegment zum aktuellen Zeitpunkt noch Zukunftsträume.

Ohne eine Artikel-8-Klassifizierung sind Immobilienfonds für institutionelle Investoren nicht mehr auflagefähig. Zusätzlich zu den ökologischen Kriterien der Assets, die eine entscheidende Rolle spielen, bieten Gesundheitsimmobilie eine zusätzliche Sozialkomponente. Durch Investments in Regionen mit einem Bedarfsüberschuss und strukturellen Defiziten werden die sozialen Charakteristika zusätzlich unterstrichen. Das Artikel-8-Label ist in diesem Zusammenhang keine Marketing-Maßnahme, sondern Notwendigkeit auf Investoren- und Finanziererseite.
So haben beispielsweise der Bankenverband, der Deutsche Derivate Verband (DDV) und der Fondsverband BVI im August 2022 einen ESG-Mindeststandard definiert, der sich an den Ergänzungen der 2014 veröffentlichten EU-Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) orientiert. Damit geben sie anhand der EU-Taxonomie einen Rahmen für die Bestimmung von Artikel-8-Fonds vor. Alle anderen neuen Produkte ohne entsprechendes Label stehen unter dem Vorbehalt fehlender Finanzierbarkeit.
Wie eine Studie der Kapitalverwaltungsgesellschaft Intreal von April 2023 aufzeigte, honoriert auch der Markt die Nachhaltigkeitsstrategien der Fondsemittenten: Artikel-8-Fonds erreichen im Durchschnitt sieben Wochen vor Artikel-6-Fonds positive Renditen über den internen Zinsfuß. Ein probates Mittel für den Nachweis der Nachhaltigkeit sind Zertifizierungen, die für die einzelnen Fondsobjekte allen voran im Neubau angestrebt werden sollten. Denn die branchenweite Benchmark sind derzeit die Siegel von DGNB & Co., die so lange die maßgebliche Relevanz besitzen, bis die EU-Taxonomie klar definierte Bewertungskriterien entwickelt hat.
Herausforderung Energiebilanz
Die Energieintensität von Gesundheitsimmobilien mit ihren Spezialgeräten und permanenter Energienutzung ist vergleichsweise hoch. Vollstationäre Pflege ist eine 24h-Tätigkeit. Licht, Heizung, Warmwasser und Klimatisierung laufen auch nachts. Der Energieverbrauch jedes Bewohners liegt nach Berechnungen des Steinbeis-Instituts etwa auf dem Niveau einer vier- bis sechsköpfigen Familie.
Insbesondere radiologische Instrumente oder medizinische Kühleinrichtungen sind immense Verbrauchstreiber. Zur Vermeidung von Legionellenbildung ist beispielsweise eine Trinkwassererhitzung auf 80 Grad üblich, wobei häufig die damit verbundenen Systeme eine ebenso unnötig hohe Betriebstemperatur aufweisen. Das Einsparpotenzial wurde bereits 2015 auf bis zu 2,5 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr beziffert. Der bundesweite Bestand der Pflegeimmobilien ist im Durchschnitt 34 Jahre alt – mit den entsprechenden Folgen für die Energieeffizienz.
Bedingungen für Artikel-8-Label
Aus den vorherigen Ausführungen ergibt sich als logische Folge, dass ausschließlich Neubauten oder vollumfänglich modernisierter Bestand für einen nachhaltig etikettierten Healthcare-Fonds infrage kommt. Die energetische Optimierung im Bestand kann durch eine effiziente Haustechnik auf digitaler Basis wie beispielsweise Smart Metering erfolgen. Die Nutzung regenerativer Energiequellen mittels PV-Anlagen oder Regenwasserrückgewinnung ist in der Regel sinnvoll und geboten.
Für eine bereinigte CO2-Bilanz empfiehlt sich darüber hinaus eine Diversifizierung des Bestands durch weniger energieintensive Nutzungen im Gebäude. Pflegeheime oder medizinische Versorgungszentren können dementsprechend durch die zugehörigen Dienstleister wie Apotheken, Gymnastikangebote oder Physiotherapie ergänzt werden.
Es sei betont, dass alle energetischen Maßnahmen im bereits sozialen Produkt Gesundheitsimmobilie keine Erfüllungskriterien für einen Artikel-9-Fonds mit einer nachweislich nachhaltigen Breitenwirkung darstellen. Wie eine PwC-Studie von 2023 ermittelte, gab es im vierten Quartal 2022 über alle Fondsarten hinweg über 300 Abstufungen von Artikel 9 zu Artikel 8. Im Segment der Gesundheitsimmobilien tragen Artikel-9-Fonds zumindest zum jetzigen Zeitpunkt daher den Verdacht des Greenwashing.
Attraktive Anlageperspektiven
Die demographische Entwicklung samt steigender Gesundheitskosten von zuletzt 411 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland geben den Kurs vor: Gesundheitsimmobilien in nachhaltig gestalteten Fonds bleiben ein attraktives Anlageprodukt, das sich nach und nach aus der Nischenposition lösen kann. Laut einer Scope-Studie von Juli 2023 planen bei geschlossenen Spezial-AIF 42 Prozent und bei offenen Spezial-AIF immerhin knapp 30 Prozent der Fondsmanager weitere Ankäufe im Bereich Health Care in den nächsten zwei Jahren. Das Analysehaus für Investmentfonds rechnet gleichzeitig für 2024 mit deutlichen Nettoabflüssen aus offenen Immobilienfonds – Gesundheitsimmobilien stehen also gegen den Trend.
Hier liegt gleichzeitig eine Chance: Die durchschnittlichen Nettoanfangsrenditen von 5,5 Prozent und höher für Health-Care-Fonds liegen deutlich über Staatsanleihen und bleiben weitaus attraktiver als Investments in Gewerbe- oder Wohnimmobilien. Hier lagen die Renditen 2023 im Schnitt lediglich zwischen 1,2 und 1,7 Prozent.