Eine Messe, die wieder Substanz zeigt, wobei noch lange nicht alle Unwägbarkeiten überwunden sind. Vor allem bei Bewertungen droht noch Ungemach. Von André Eberhard
Wer in den letzten beiden Jahren die Expo Real besucht hat, konnte sich schon mal fragen, ob das Branchentreffen in München zur Selbsthilfegruppe für Krisengeschädigte mutiert ist. 2025 war das anders. Erstmals seit Langem wurden wieder Geschäfte in Planung gebracht, nicht nur Panels mit wohlklingenden Absichtserklärungen. Die Stimmung? Optimistisch – im Rahmen des Realismus. Keine Partystimmung, aber viele Gespräche auf Augenhöhe. Endlich wieder Fachmesse statt Therapeutencouch. Das reine Zahlenwerk lesen Sie übrigens im Artikel, den Sie am Ende des Beitrags finden.
Kommunen und Politik – Nähe ohne Wirkung
Kommunale Vertreter sind traditionell eine starke Vertretergruppe. Zahlreiche Bürgermeister aus der ganzen Republik geben sich die Klinke in die Hand. Den größten Stand hatte dabei wieder die Business Metropole Ruhr, die in diesem Jahr als „das Ruhrgebiet“ auftrat.

Der Ballungsraum rückt zusammen, Verwaltung und Wirtschaft sprechen verstärkt miteinander – ein Fortschritt, möchte man meinen. Doch bei allem Verständnis füreinander bleibt das Gefühl, dass die Politik erneut das Spiel auf der Ersatzbank verfolgt. Das Bundesbauministerium wirkt wie ein „zahnloser Tiger“, und beim Gebäudetyp E scheint die Debatte im Beton stecken geblieben zu sein.
Und dann ist da noch das sagenumwobene 500-Milliarden-Euro-Paket. Hoffnungsträger? Im Gespräch relativiert sich die Bedeutung schnell. Der Bürgermeister von Bergheim brachte es trocken auf den Punkt: „Davon kommen am Ende 200.000 Euro bei uns an. Damit sanieren wir keine Straße.“ Bleibt also ein Symbol – immerhin eines mit Signalwirkung. Nachzuhören gibt es das ganze Gespräch übrigens mit ihm in unserer #probezeit – Podcast-Messefolge.
Transformation: Der Gemischtwarenladen der Branche
Die Immobilienwirtschaft erfindet sich gerade neu. „Für Geld bauen wir alles“, hieß es sinngemäß bei diversen Gesprächen. Büro, Logistik, Hotel, Datacenter – Hauptsache Cashflow. Die Branche öffnet den Gemischtwarenladen und experimentiert mit neuen Geschäftsmodellen.
Dabei schwingt ein Hauch von Pragmatismus mit: Es geht nicht mehr um Visionen, sondern ums Überleben mit Stil. Wenn die Baukosten hoch und die Eigenkapitalanforderungen noch höher sind, wird jedes Projekt zur Rechenaufgabe mit sozialem Anstrich.
Value-Add ist wieder sexy
Nach Jahren der Schockstarre ist „Value-Add“ wieder im Trend. Marktteilnehmer berichten von Vervielfältigern, die auf dem Niveau von 8 bis 10 liegen – was vor fünf Jahren noch das Drei- bis Vierfache kostete. Der Satz „Manage to green“ bekommt wieder Sinn, weil die Kalkulation endlich wieder stimmt.
Das erinnert ein wenig an die gute alte Zeit, nur dass jetzt jede Sanierung durch ESG-Kriterien, Berichtspflichten und Energieverordnungen zum Abenteuer wird. Trotzdem: Hier liegt die Musik. Wer Mut, Geduld und ein paar Prozentpunkte mehr Eigenkapital mitbringt, kann sich über Renditen freuen.
Nachhaltigkeit: Pflicht, aber kein Publikumsmagnet mehr
Auffällig war, dass Nachhaltigkeit zwar allgegenwärtig blieb, aber niemanden mehr elektrisierte. Panels zum Thema blieben halbleer – nicht aus Desinteresse, sondern weil das Thema endgültig in der Realität angekommen ist, bleibt zumindest zu hoffen.
Man diskutiert nicht mehr ob, sondern wie man nachhaltig baut, saniert und finanziert. Vielleicht ist diese pragmatische Ignoranz sogar ein Fortschritt: Nachhaltigkeit ist keine Mode mehr, sondern ein Teil des Business Case. Dekarbonisierung bleibt Gebot der Stunde, Kernbotschaft des von immobilienmanager-Chefredakteur moderierten Panels mit Gästen von Apleona, Continental, Siemens und Bima.
Sicher ist sicher – Sicherheitsimmobilien auf dem Vormarsch
Was vor wenigen Jahren noch ein Randthema war, hat sich in München als Trend herauskristallisiert: Sicherheitsimmobilien. Ob Rechenzentren, Polizeizentralen oder kritische Infrastruktur – die Nachfrage steigt. München entwickelt sich gar zum Start-up-Hub für diese Nische.
In einer Zeit, in der politische Unsicherheiten und Cyberrisiken zunehmen, ist die Anlageklasse „Safety“ plötzlich die ruhigste im Portfolio.
Digitalisierung & KI: Effizienz statt Euphorie
Natürlich war auch die Digitalisierung wieder ein großes Thema – allerdings ohne die üblichen Heilsversprechen. Künstliche Intelligenz wird nicht als Wachstumsmotor verkauft, sondern als Werkzeug zur Effizienzsteigerung.
Vom Datenmanagement über Predictive Maintenance bis zur Flächenplanung: KI hilft, Prozesse zu verschlanken, Kosten zu sparen und Leerstand besser zu managen. Aber der erhoffte „digitale Wachstumsschub“ bleibt aus – die Branche bleibt analog in der Seele, auch wenn sie jetzt Excel mit ChatGPT füttert.
Finanzierung: 40 Prozent Eigenkapital und ein „Bad Bank“-Déjà-vu
Das liebe Geld bleibt das größte Problem. Mit 40 Prozent Eigenkapitalanforderung ist der Markt längst kein Spielfeld für jedermann mehr. Viele solide Marktteilnehmer kapitulieren schlicht an der Schwelle der Finanzierung.
Alternative Kapitalquellen – vor allem Private Dept – sind gefragter denn je. Banken dagegen bleiben konservativ, was man ihnen angesichts der Regulierung kaum verdenken kann. Erstmals fiel auf der Messe wieder das Unwort „Bad Bank“. Nostalgisch, wenn es nicht so bitter wäre.
Assetklassen im Überblick
Wohnen – Dauerbrenner mit sozialem Sprengstoff
Aus der Gewerbemesse wird langsam eine Wohnmesse. Banken, Investoren, Entwickler – alle lieben das Thema Wohnen. Kein Wunder: Wohnen bleibt Grundbedürfnis und Stabilitätsanker. Laut Bundesbank ist das Volumen der Wohnungsbaukredite im dritten Quartal 2025 um rund 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Doch während sich die Branche in der Nische „bezahlbares Wohnen“ abmüht, wächst der gesellschaftliche Sprengstoff: Vollzeitangestellte, die sich nur noch WGs leisten können, Eigentumsbildung, die zum Luxusgut wird.
Aktuelle Projekte zeigen, dass innovative Quartiersentwicklungen mit gemischten Nutzungen und sozialer Durchmischung die Zukunft sind – wenn die Politik endlich ihre Bürokratie entschlackt.
Büro – der schwierige Patient
Das Bürosegment bleibt ein Sorgenkind. Besonders B-Lagen stehen unter Druck. Laut Colliers sank die Nachfrage nach Büroflächen 2025 um weitere 12 Prozent. Banken meiden das Segment, Projektentwickler suchen nach neuen Konzepten – von Co-Living über Hybrid-Arbeitswelten bis zu Umbauprojekten in Bildungseinrichtungen.
Doch die harte Wahrheit ist: Wir werden Ruinen sehen. Der Markt muss sich von Flächen trennen, die einfach keine Funktion mehr erfüllen. „Manage to convert“ könnte neues Mantra werden.
Einzelhandel – Highstreet ist out, Nahversorgung bleibt sexy
Über Highstreet-Immobilien wurde auf der Expo kaum gesprochen. Dafür erlebt der Lebensmitteleinzelhandel eine Renaissance. Nahversorger gelten weiterhin als krisensicher – gegessen, gestorben und verdaut wird schließlich immer.
Laut JLL verzeichneten Fachmarktzentren 2025 einen Flächenzuwachs von rund 6 Prozent, vor allem in suburbanen Räumen. In Zeiten multipler Krisen sind „Edeka & Co.“ die Felsen in der Brandung.
Logistik – etabliert, aber ungeliebt
Die Logistik bleibt zwar ein Eckpfeiler der Branche, verliert aber an Beliebtheit. Kommunen haben schlicht keine Lust mehr auf „die großen grauen Boxen“. Flächenverbrauch hoch, Arbeitsplatzdichte gering – da ist Wohnen politisch attraktiver.
Zudem drückt die gestiegene Grundstücks- und Energiepreislage die Margen. Dennoch: Projekte wie das „Green Logistics Park“ bei Hannover oder der Ausbau des Amazon-Hubs in Gernsheim zeigen, dass Innovationen in Nachhaltigkeit und Automatisierung die Nische weiter professionalisieren.
Fazit: Zwischen Zähigkeit und Zuversicht
Die Expo Real 2025 hat gezeigt: Die Branche lebt – wenn auch mit angezogener Handbremse. Die Euphorie vergangener Jahre ist einer neuen Ernsthaftigkeit gewichen. Es wird gerechnet, analysiert, und gelegentlich sogar zugehört.
Verlässlich wie Kinderschokolade. Außen hart. Innen weiß man, was zu erwarten ist. Ungewiss wie Popcorn: Jedes Korn eine neue Überraschung. Von perfekt gesüßtem (wer mag schon salziges Popcorn) und nicht gepopptem Korn liegt die emotionale Bandbreite der Branche zwischen zufriedenem Genusslächeln und Zahnschmerzen.
Politik bleibt der Bremsklotz, Kapital der Engpass, aber Pragmatismus ist das neue Leitmotiv. Die Branche hat verstanden, dass sie Transformation nicht erwarten, sondern selbst gestalten muss. Und vielleicht – ganz vielleicht – ist das der Beginn einer neuen Realität: weniger Vision, mehr Immobilie.
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