Gerd Hansen
Gerd Hansen, Dipl.-Ing. Architekt, geschäftsführender Gesellschafter von Archy Nova Projektentwicklung. (Quelle: Gerd Hansen)

Unternehmen & Köpfe 2025-09-08T06:47:47.423Z Ein Tag im Leben von: Gerd Hansen

Neue Serie: Einmal über den Tellerrand schauen und sehen, wie der Alltag anderer Menschen in der Immobilienbranche aussieht. Teil 2 mit Gerd Hansen.

Morgens zwischen Mails und Milchkaffee

Mein Tag beginnt leiser, als man denkt. Kein Baustellenlärm, keine Helme – erstmal Kaffee. Und Frühstück. Auf dem Sofa geht es weiter, die E-Mails laufen sich im Postfach schon warm. Es ist eine Unart, aber ich komme nicht drumherum, noch im Liegen die ersten Telefonate zu tätigen und E-Mails zu beantworten. Anfragen von Bauherren, Abstimmung zur Konstruktion der Holzaußenwand in Hamburg. Bevor ich richtig aufstehe, bin ich schon mittendrin.

Gerd Hansen
Am Tag stehen etliche Besprecheungen an. (Quelle: Gerd Hansen)

Im Büro steht dann nach der achten Gesprächsrunde mit Ämtern und Feuerwehr fest: Die Brandschutzauflagen für unser Holzhybridgebäude sprengen mal wieder den Rahmen. An der Nordfassade wird eine automatische Feuerlöschanlage gefordert, weil dort zusätzlich Begrünung vorgesehen ist, beziehungsweise war. Denn jetzt müssen wir diese klimatisch wünschenswerte Maßnahme weglassen. Früher haben Architekten und Ingenieure verantwortet, was sie bauten.

Heute gibt es selbst für den Prüfer noch einen Prüfer – und dann noch den Feuerwehrhauptmann. Es ist nicht die Regulierung allein, die das Bauen so komplex und teuer gemacht hat, sondern auch der Umgang mit Ansprüchen und Verantwortung. Wir meinen von allem stets das Beste und absolut sicherste erhalten zu müssen und werden dabei unpragmatischer und weniger entscheidungsfreudig, in jeder Hinsicht mehr als noch vor 30 Jahren.

Auf der Baustelle: Detail statt Drama

Vom Schreibtisch in unserem Hamburger Büro kann ich quasi mit der Tür in unsere Baugrube fallen. Unser Neubauprojekt am Baakenhafen wächst, aber ich bin nicht da, um Bauleitung zu machen – dafür gibt es Profis. Meine Rolle ist das Zwischen. Zwischen Generalunternehmer und Architekt, zwischen den späteren Bewohnern und dem Budget. Dennoch diskutieren wir heute mit dem Generalunternehmer über die Wandkonstruktion: Wie wird die wertvolle Vollholzaußenwand beim Bau gegen die Witterung und beim Betonieren der Geschossdecken geschützt? Auch mit 40 Jahren Holzbauerfahrung ist das eine kleine Herausforderung, die meinen Arbeitsalltag „spicy“ macht.

Und es geht so oft um die kleinen Ideen, die dann den großen Sprung ermöglichen. Heute klingelt mein Telefon wegen eines Tiefgaragentors, das angeblich zwei Meter zu nahe an der Straße geplant ist. Blickachsen, Fluchtwege, Sichtbarkeit. Es gibt Spielräume – aber man muss sie kennen. Und verteidigen. Ich schlage einen Spiegel und die Verlegung eines störenden Pfostens vor, sodass die Sichtbarkeit gewährleistet ist. Mein Faible für die Optimierung von Tiefgaragen hat uns zwar schon viel Geld gespart, aber unseren Architekten und Planern viele Nerven gekostet.

Mittagspause mit Gastronomiecrashkurs

Zum Mittag geht es ins Table Dot. Meist gibt es Gemüselastiges, das finde ich gerade zwischen der Arbeit bekömmlicher als Fleisch. Aber Fisch mit Bratkartoffeln muss es in Hamburg dann doch regelmäßig sein. Betreiber Koral coacht mich nebenbei in Sachen geplantes Restaurant im Baakenhafen. Er hat mich vor dem teuren Fehler bewahrt, den Lagerraum zu klein zu planen, und hilft mir bei der Betreibersuche. Ich brauche einen Gastronomen mit „Gesicht“ sagt er. Denn Menschen kaufen nicht nur Essen – sie kaufen Vertrauen. Ein Prinzip, das ich auch von Wohnungen gut kenne. Macht die Suche nur nicht einfacher.

Nachmittags: Käufer treffen, Pläne festzurren

Nach dem Essen geht es zurück zur Baustelle: Ein Treffen mit einer dreiköpfigen Familie steht an, vor dem Beitritt zu unserer Baugemeinschaft wollen sie sich einen besseren Eindruck machen. Ihre Fragen sind sehr konkret: Wie sparen Sie die Grunderwerbsteuer und die Notarkosten ein? Das Modell ist erklärungsbedürftig, aber die Einsparungen bei den Kaufnebenkosten von beinahe 80.000 Euro sind ein Argument. Wie groß wird der Dachwald, eigentlich genau und was wächst da? Ich bin Projektentwickler, aber auch Übersetzer, zwischen der Zeichnung und dem Lebensgefühl, das sich in den Plänen versteckt. Ein gutes Gespräch ist für mich immer von größter Offenheit geprägt, der Kunde soll seine Ideen gerne einbringen – soweit es nicht die baulichen Möglichkeiten sprengt. 

Gerd Hansen
„Ich bin Projektentwickler, aber auch Übersetzer, zwischen der Zeichnung und dem Lebensgefühl, das sich in den Plänen versteckt.“ (Quelle: Gerd Hansen)

Das Telefon klingelt wieder, diesmal ist es die Versicherung. Die Police für unser Vorhaben wird tatsächlich günstiger ausfallen, denn unser Konzept zur Vermeidung von Wasserschäden wurde verstanden und für gut befunden. Die Nachricht freut und motiviert mich, unser minimalistisches Bausystem weiterzuentwickeln. Kosten müssen für Bauträger sowieso runter, sonst springt der Wohnungsbau nicht so schnell wieder an – einiges davon hat man selbst in der Hand.

Am späten Nachmittag treffe ich mich noch mit der Arbeitsgruppe „Gemeinschaftsräume“ unserer zukünftigen Bewohner und Kommanditisten. Ob Farbe, Einrichtung oder Nutzungsregeln, alles soll gemeinsam diskutiert und festgelegt werden. Die nicht ganz so triviale Frage, ob man seine Geburtstage im großen Gemeinschaftsraum feiern darf, erregt die Gemüter. Bei über 50 Wohnungen würden zwei bis drei Geburtstage die Woche die Bewohner ganz schön strapazieren. Ich versuche zu schlichten: In der Praxis werden das ja eher nur die Kindergeburtstage und Jubiläen sein.

Abends geht es aus

Wenn ich vor die Tür trete und der Tag endet, beginnt der Norden zu wirken. Ich komme aus Husum, lebe in Stuttgart. Hamburg ist Heimat auf Zeit – und doch: Die Stadt ist in den letzten Jahrzehnten wunderbar geworden. Als ich zum Studieren wegging, hing mein Herz nicht an der Nordsee. Heute aber ist Hamburg für mich die beeindruckendste Großstadt Deutschlands.

Aus dem ruhigen Airbnb, in dem ich schlafe, geht es noch zum Abendessen mit einem unserer künftigen Bewohner. Neue Küchen ausprobieren, neue Impulse sammeln – für das eigene Projekt, aber auch fürs Leben und verstehen, was das für Leute sind, die zu unseren Gesellschaftern, zu unseren Chefs werden. Denn Projektentwicklung sehe ich nicht nur als Planen und Bauen. Es bedeutet auch, das weitere Zusammenleben mitzugestalten. Vielleicht sogar überhaupt erst möglich zu machen.

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zuletzt editiert am 08. September 2025