Porträt Jana Mrowetz
Jana Mrowetz ist CEO von Urban Cell.  (Quelle: Urban Cell)

Projekte 2024-08-02T07:37:21.088Z Die vergessene Mittelschicht beim Wohnungsbau

Beim Wohnungsbau wird oft nur das Premiumsegment oder der soziale Wohnungsbau berücksichtigt – die Mittelschicht wird vernachlässigt, mahnt Jana Mrowetz in ihrem Kommentar.

Wenn heute noch Wohnungsneubau realisiert wird, dann meist entweder im Premiumsegment oder im Bereich des preisgebundenen Wohnens. Die Motivation dafür ist einleuchtend, denn angesichts der allzu bekannten Marktherausforderungen müssen Entwickler und Investoren einen Weg finden, weiterhin gewinnbringend zu wirtschaften. Das geht entweder mithilfe von staatlichen Fördermitteln oder aber, indem die Akteure wohlhabende Käufer- und Mietergruppen fokussieren.

Für ersteres gibt es eine klare Nachfrage: In Deutschland fehlen laut Pestel-Institut 912.000 Sozialwohnungen. Im Markt für Premium-Immobilien zeigen sich inzwischen Sättigungstendenzen, was für zahlreiche Projekte zu Herausforderungen führt. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass das Marktsegment dazwischen wenig Beachtung findet: Die Mittelschicht wird mehr oder weniger vergessen.

Das kommt nicht von ungefähr. Es ist kaum noch möglich, auf konventionellem Weg neuen, erschwinglichen Wohnraum zu realisieren. Dies gilt sowohl für Wohneigentum als auch für den mittelpreisigen Mietwohnungsbau. Das deutsche Median-Einkommen liegt bei rund 3.645 Euro brutto im Monat – und die Inflation hat für stark steigende Lebenshaltungskosten gesorgt. Wer vor diesem Hintergrund gewinnbringend entwickeln und gleichzeitig in diesem Kostenrahmen bleiben möchte, muss zwangsläufig Abstriche entweder bei der Qualität oder bei der Rendite machen. Oder etwa nicht?

Kleinere Wohneinheiten und Gemeinschaftsflächen

Ein Lösungsansatz ist, dass sich die Branche von dem starren Konzept der „Miete je Quadratmeter“ löst und stattdessen – wie in den USA und vielen anderen Ländern inzwischen üblich – vom monatlichen Gesamtbudget für Wohnen ausgeht. Dies schließt nicht nur die eigentliche Wohnfläche, sondern die gesamte nutzbare Fläche ein. Heißt im Klartext: kleinere Wohneinheiten, flexiblere Konzepte und mehr gemeinsam genutzte Bereiche.

Es geht hier nicht um „Amenities“, das beliebte Marketing Buzzword des vergangenen Jahrzehnts. Amenities als ‚add-ons‘ funktionieren nicht, was wir an den vielen muffigen Clubräumen und tristen Sonnenterrassen gesehen haben. Vielmehr geht es bedarfsorientierte, intelligent geplante Gebäude und Quartiere, bei denen Gemeinschaftsflächen einen essenziellen Teil des Konzeptes bilden. Also Communities statt Amenities. Unter Einbeziehung von anderen Lösungsansätzen, wie beispielsweise dem modularen Bauen, rechnet sich das dann auch.

Dass wir handeln müssen, ist keine rein ökonomische, sondern auch eine soziale Realität: 42 Prozent der deutschen Haushalte gehören der Mittelschicht beziehungsweise oberen Mittelschicht an. Rund 50 Prozent der Wohnungen in den Städten sind von Singles bewohnt, die Anschluss suchen. Eine Vielzahl der Beschäftigten arbeitet teilweise im Homeoffice – und hat weder Arbeitszimmer noch Zugang zu Coworking-Spaces. All das prägt das Wohnen im mittelpreisigen Segment. Dieser Markt ist viel zu umfangreich, als dass wir ihn ignorieren könnten. Die Herausforderungen sind groß – aber das Potenzial ist noch viel größer.

Ein Beitrag von Jana Mrowetz, CEO von Urban Cell.

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zuletzt editiert am 02. August 2024