Eine moderne Lagerhalle mit einem geparkten LKW im Hintergrund. Die Halle ist gut beleuchtet und zeigt industrielle Architektur.
Wachsende ESG-Anforderungen lenken den Blick auf die Nachhaltigkeit von Logistikimmobilien – Zertifikate gewinnen dabei an Bedeutung. (Quelle: Pixabay)

Nachhaltigkeit & ESG 2025-05-26T12:03:33.461Z Zertifizierte Logistik: Zwischen Marketing und Pflicht

Sind Gebäudezertifikate mehr als nur ein Marketing-Trend? Eine aktuelle Studie untersucht die Relevanz von Zertifizierungen im Logistiksektor. Von Prof. Dr. Anne Sanftenberg und Aiko Furch

Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten bleiben Nachhaltigkeitsaspekte entlang des Lebenszykluses von Immobilien ein wichtiges Thema. Während Büro- und Wohnimmobilien bereits im Fokus gesellschaftlicher Erwartungen stehen, stand die Nachhaltigkeit im Logistik- und Produktionssektor bisher nicht im Fokus. Logistikimmobilien gehören zu den am schnellsten wachsenden Assetklassen. Ihr hoher Flächenverbrauch, die oft großen Gebäudevolumina und energieintensiven Nutzungen haben erhebliche ökologische Auswirkungen. Folglich rücken mit steigenden ESG-Vorgaben, wachsendem Interesse institutioneller Investoren und konkreten Anforderungen aus der Lieferkette Logistik- und Unternehmensimmobilien stärker in den Mittelpunkt. Investoren nutzen dabei zunehmend Gebäudezertifikate wie DGNB, BREEAM und LEED als Instrumente, um Nachhaltigkeit systematisch nachzuweisen. Unklar ist jedoch, welche tatsächliche Relevanz sie in diesem Segment einnehmen.

Auswertungen zeigen, dass bestehende Umfragen vor allem allgemeine Nachhaltigkeitsaspekte in der Bau- und Immobilienwirtschaft oder Gebäudezertifizierungen thematisieren, jedoch keinen spezifischen Fokus auf die Assetklasse Logistik legen. Da bislang keine wissenschaftlichen Studien zur Bedeutung von Gebäudezertifikaten für Logistik- und Unternehmensimmobilien in Deutschland vorliegen, wurde diese Forschungslücke im Rahmen unserer empirischen Untersuchung erstmals systematisch aufgegriffen.

Porträt Prof. Dr. Anne Sanftenberg
Gastautorin Prof. Dr. Anne Sanftenberg (Quelle: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin)

Eine explorative Umfrage unter 78 Investoren mit Fokus auf Logistik- und Unternehmensimmobilien aus allen Risikoklassen von Core bis Opportunistic verfolgte daher das Ziel, die Relevanz der Gebäudezertifikate zu erfassen.  Die Auswertung, basierend auf einer Rücklaufquote von 25,6  Prozent, erfolgte entlang der vier Dimensionen allgemeine, quantitative, qualitative und wirtschaftliche Relevanz.

Allgemeine Relevanz - Wahrnehmung und Entwicklung

Zur allgemeinen Relevanz zählt die grundlegende Einschätzung der Marktteilnehmer bezüglich der Bedeutung von Gebäudezertifikaten. 55 Prozent der Befragten stuften deren derzeitige Bedeutung als hoch oder sehr hoch ein, während 45 Prozent die aktuelle Relevanz als gering bis neutral einschätzten. Damit ähnelt das Meinungsbild dem des Bürosektors aus einer Umfrage von JLL aus dem Jahr 2021. Während die Marktteilnehmer die aktuelle Einschätzung gemischt bewerten, zeigt sich für die nächsten fünf bis zehn Jahre, dass alle 20 Teilnehmenden von einer verstärkenden Relevanz ausgehen.

Quantitative Relevanz - Faktische Verbreitung

Ein Balkendiagramm zeigt die Verteilung der Antworten pro Grund, sortiert nach Durchschnittswerten. Die Kategorien umfassen regulatorische Vorgaben, Finanzierungsmöglichkeiten, Marketing/Image, Vermietungsvorteile, geringere Betriebskosten und Förderung/Steuervorteile.
Regulatorische Vorgaben sind laut Umfrage der Hauptgrund für den Einsatz von Gebäudezertifikaten – vor Finanzierung und Marketing. (Quelle: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin)

Die Untersuchung evaluierte auch die quantitative Relevanz, indem sie die Zahl zertifizierter Gebäude ermittelte. Als Informationsgrundlage dienten die Websiteangaben der jeweiligen Zertifizierungssysteme. DGNB und BREEAM haben mit circa 900 beziehungsweise 200 Projekten die höchste quantitative Relevanz. Mit weniger als 20 Zertifizierungen hat LEED eine geringe Relevanz für die Assetklasse. Zusätzlich zeigt sich eine klare Differenzierung zwischen Neubau- und Bestandsobjekten. 99  Prozent der DGNB-Zertifizierungen entfallen auf Neubauten, während 94 Prozent der BREEAM-Zertifizierungen Bestandsgebäude betreffen.

Porträt Aiko Furch
Co-Autor Aiko Furch (Quelle: Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin)

Qualitative Relevanz – Die wichtigsten Gründe

Die Untersuchung der qualitativen Relevanz zielt darauf ab, die wesentlichen Beweggründe für Gebäudezertifikate zu identifizieren. Die Umfrageergebnisse zeigten, dass regulatorische Vorgaben der wichtigste Grund für Gebäudezertifikate darstellen, knapp gefolgt von Finanzierungsvorteilen und Marketingvorteilen. Eine vertiefte Untersuchung der regulatorischen Vorgaben und Finanzierungsvorteile zeigte, dass 80 Prozent der Befragten die EU-Taxonomie-Konformität als wichtig für ihre Investitionsentscheidungen einstufen. Im Bereich Finanzierung waren vor allem der Zugang zu grünen Finanzierungsprodukten (70 Prozent) und niedrigere Zinssätze (60 Prozent) von Bedeutung. Eine internationale und assetklassen-übergreifende Studie des World Green Building Council zeigte, dass vor allem Umwelt- und Leistungsaspekte im Vordergrund standen, während im Vergleich mit der eigenen Umfrage regulatorische Vorgaben dominierten. Beide Studien betrachteten Marketingvorteile als signifikant.

Wirtschaftliche Relevanz – Wahrgenommene Preisaufschläge

Die wirtschaftliche Relevanz misst den wahrgenommenen Preisaufschlag für zertifizierte Gebäude gegenüber nicht-zertifizierten Gebäuden. Die Umfrageergebnisse zeigten, dass mit 85 Prozent die Mehrheit der Befragten einen positiven Preisaufschlag für zertifizierte Logistik- und Unternehmensimmobilien wahrnahm. Allerdings zeigt die starke Varianz der Ergebnisse, dass keine Einigkeit über die Höhe des Aufschlags vorherrscht.

Ein Kreisdiagramm, das die Verteilung von Preisaufschlägen in verschiedenen Kategorien zeigt.
85  Prozent der Befragten sehen einen Preisaufschlag für zertifizierte Logistikimmobilien – über die Höhe herrscht jedoch Uneinigkeit. (Quelle: Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin)

Während 50 Prozent der Befragten einen geringeren Aufschlag zwischen ein bis fünf Prozent angaben, nahm ein Anteil von 30 Prozent der Teilnehmer dabei einen Aufschlag von zehn Prozent oder mehr wahr. Trotz dieser Varianz bestätigt das Umfrageergebnis grundsätzlich einen wahrgenommenen Preisaufschlag für zertifizierte Gebäude, was die Marktakzeptanz von Zertifikaten unterstreicht.

Fazit: Zertifizierung als Spiegel wachsender Systemanforderungen

Das Thema der Gebäudezertifikate im Kontext der Nachhaltigkeit für Logistik- und Unternehmensimmobilien spiegelt den aktuellen Transformationsprozess wider, den die Immobilienwirtschaft durchläuft. Neben der Wirtschaftlichkeit ist zu erwarten, dass Nachhaltigkeit zu einer wichtigen Säule in der Anlagestrategie der Immobilieninvestoren wird. Dabei nutzen Investoren Gebäudezertifikate vor allem als Marketinginstrument und für die Erfüllung regulatorischer Vorgaben. Obwohl die Bedeutung von Zertifikaten für die Assetklasse derzeit zum Teil noch uneinheitlich eingeschätzt wird, lässt sich eine zunehmende Relevanz in der Zukunft prognostizieren, wie es von den Marktteilnehmern beobachtet wird.

Autoren: Aiko Furch – Bachelor of Arts Immobilienwirtschaft an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin – und Prof. Dr. Anne Sanftenberg, MRICS – Professur für Immobilienwirtschaft, Studiengangsleitung MBA Real Estate Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

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zuletzt editiert am 26. Mai 2025