Porträtfoto Susanne Klaußner
Susanne Klaußner ist seit 2019 geschäftsführende Gesellschafterin der DIR Deutsche Investment Retail GmbH. (Quelle: Deutsche Investment Retail/Mark Mattingly)

Unternehmen & Köpfe 2025-07-02T06:38:02.992Z Innovation braucht Mut – und Resilienz

Susanne Klaußner über Zukunftssicherheit, Veränderungsbereitschaft und die Verantwortung der Immobilienwirtschaft. Von André Eberhard

Frau Klaußner, nie wieder Skifahren oder nie wieder Nürnberger Rostbratwürste?

Susanne Klaußner: Das ist eine harte Entscheidung, aber ich glaube, ich würde im Zweifelsfall lieber auf die Rostbratwürste verzichten.

Susanne Klaußner auf Skiern auf einem verschneiten Berg mit beeindruckendem Bergpanorama im Hintergrund.
Klaußner: „Wir erleben eine Immobilienwirtschaft der zwei Geschwindigkeiten: Die einen sind vorne dabei, die anderen glauben, es ginge auch noch lange so weiter wie früher.“ (Quelle: privat)

Sie sind seit über 40 Jahren in der Immobilienbranche. Wenn Sie heute auf die Branche blicken: In welcher Phase befinden wir uns?

Susanne Klaußner: Wir sind in einer sehr nüchternen, für viele auch ernüchternden Phase. Für diejenigen, die in den vergangenen zehn oder fünfzehn Jahren in die Branche gekommen sind, ist es oft das erste Mal, dass sie eine echte Krise erleben. Die Zinswende hat viele auf dem falschen Fuß erwischt. Wer gerade refinanzieren muss, steht vor echten Herausforderungen. Ich selbst habe mehrere dieser Phasen erlebt – und weiß: Solche Zeiten fordern uns, bringen uns aber auch weiter.

Welche Momente in Ihrer Karriere haben Sie besonders geprägt?

Susanne Klaußner: Das waren schon einige Momente. Wenn ich einen benennen müsste, dann war es sicher die erste Begegnung mit Dr. Gerhard Nießlein damals bei DeTe Immobilien [Red. der Immobilientochter der Deutschen Telekom]. Ich hatte die Aufgabe, die potenziellen Entwicklungsprojekte der Niederlassung auf Wirtschaftlichkeit zu analysieren und fand den Mut, auch unangenehme Wahrheiten offen auszusprechen, da einige Projekte nicht wirtschaftlich waren. Statt mit Gegenwind wurde ich damals mit Vertrauen belohnt. Ab dem Zeitpunkt hatten wir ein sehr gutes Einvernehmen. Nießlein hat mich damals gefördert und so den Grundstein für meine Karriere gelegt. Später habe ich in meiner Zeit bei der GRR Group viel von Klaus-Jürgen Sontowski gelernt, insbesondere wie man Unternehmen führt.

Auch die Projektentwicklung des ehemaligen Fernmeldeamtes in Nürnberg zu einem Kaufhaus hat mich geprägt. Für mich war das als gebürtige Nürnbergerin natürlich überaus reizvoll. Es war eines der ersten Male, dass ich eine Einzelhandelsimmobilie nicht nur aus der Perspektive der Vermietung, sondern als gesamtes Nutzungskonzept entwickeln durfte. Wir haben schon damals – Ende der 1990er Jahre – das Gebäude so geplant, dass es flexibel nutzbar ist.

Sie sprechen häufig über Wandel, Transformation und Resilienz. Fehlt der Branche manchmal der Mut zur Veränderung?

Susanne Klaußner: Ja, definitiv. Viele in der Branche verharren in alten Denkmustern. Es fehlt oft der Mut, Prozesse komplett neu zu denken – gerade jetzt, wo die technologischen Möglichkeiten mit Künstlicher Intelligenz uns enorme Chancen bieten. Stattdessen erleben wir eine Immobilienwirtschaft der zwei Geschwindigkeiten: Die einen sind vorne dabei, die anderen glauben, es ginge auch noch lange so weiter wie früher. Aber das wird nicht funktionieren.

Was heißt das konkret für Ihre Arbeit – auch im eigenen Unternehmen?

Susanne Klaußner: Wir arbeiten intensiv an einem Fahrplan für Transformation. Aber das ist anspruchsvoll. Es reicht eben nicht, analoge Prozesse mit digitalen Tools zu überziehen. Wir denken Prozesse ganz neu. Ich nehme mich da selbst nicht aus – das ist für jeden eine Herausforderung.

„Dort, wo es um kreative Lösungen, um das Verständnis von Kontext und Emotion geht, sind wir unersetzlich.“

Aber: Wenn wir unsere Abläufe konsequent hinterfragen, können wir durch Automatisierung viele Ressourcen freisetzen. KI kann wahnsinnig viel – aber sie braucht unsere Anleitung. Die Innovation liegt in der Kombination aus menschlicher und künstlicher Intelligenz.

Wir erleben fast überall Verunsicherung. Stehen die Geschäftsmodelle der Branche heute eigentlich mehr denn je auf dem Prüfstand?

Susanne Klaußner: Definitiv. Ich glaube zum Beispiel, dass man das kaufmännische Property Management in großen Teilen durch intelligente Systeme organisieren kann – nicht automatisieren im simplen Sinne, sondern maschinell steuern. Auch die Rolle klassischer Makler wird sich verändern. Wenn Plattformen die Angebotsvermittlung übernehmen und standardisierte Verträge per KI generiert werden, braucht es den Menschen vor allem noch dort, wo Verhandlungskompetenz und komplexes Denken gefragt sind. Aber genau das ist unser Vorteil: Dort, wo es um kreative Lösungen, um das Verständnis von Kontext und Emotion geht, sind wir unersetzlich.

Hat die Immobilienbranche aus Krisen gelernt?

Susanne Klaußner: Ich würde sagen: in Teilen, aber sie könnte deutlich lernfähiger sein. Und das gilt nicht nur für unsere Branche – man sieht das in vielen Industrien. Oft fehlt der Mut, Dinge grundlegend zu hinterfragen. Es herrscht eine gewisse Selbstzufriedenheit, solange alles gut läuft.

„Wir können viel vom Einzelhandel lernen: Mut zum Testen, Bereitschaft zum Scheitern – und danach besser machen.“

Wenn der Erfolg über Jahre hinweg scheinbar selbstverständlich kommt, wird man träge. Das zeigt sich nicht nur in der Immobilienbranche. Denken Sie an Volkswagen oder Nokia – Unternehmen, die in ihrer Branche führend waren, aber dann von anderen überholt wurden, weil sie sich zu sicher waren. In unserer Branche fehlt oft der Wille, bestehende Geschäftsmodelle infrage zu stellen und neue Wege zu gehen – obwohl die Herausforderungen klar auf dem Tisch liegen.

Worauf kommt es künftig an bei der Betrachtung von Immobilien?

Susanne Klaußner: Flexibilität. Die Zukunft gehört den Gebäuden, die sich auf unterschiedliche Nutzungen anpassen lassen. Wir müssen heute schon beim Bau überlegen: Was kann ich mit der Immobilie machen, wenn sich das Nutzungsverhalten ändert? Der Markt bleibt nicht, wie er ist. Diese Art zu denken, wird entscheidend sein. Hinzu kommt, dass man meines Erachtens die Immobilie von hinten denken muss. Also was passiert eigentlich am Ende der Nutzungsphase? Es reicht heute nicht mehr, ein Gebäude nur auf einen einzelnen Mieter, einen Mietvertrag oder eine Nutzung auszurichten.

Was heißt das für den viel diskutierten Büromarkt?

Susanne Klaußner: Büroflächen sind nicht obsolet – aber sie müssen anders gedacht werden. Wir brauchen keine Aneinanderreihung von Schreibtischen, sondern Räume, die Kreativität fördern, Austausch ermöglichen.

Die besten Ideen entstehen in der Teeküche, nicht im Besprechungsraum. Natürlich können wir nicht alle ständig vor Ort sein, aber ich will meine Mitarbeitenden regelmäßig live sehen. Persönliche Begegnungen schaffen Vertrauen, sie fördern das Miteinander – das ist durch kein digitales Tool zu ersetzen.

Gibt es diesen Transformationsdruck auch bei Handelsimmobilien?

Susanne Klaußner: Natürlich. Aber der Lebensmitteleinzelhandel ist aus meiner Sicht eine der innovativsten Branchen überhaupt. Dort wird längst mit digitalen Einkaufswagen, KI-gesteuerten Sortimenten, optimierten Logistikprozessen gearbeitet. Und sie trauen sich zu experimentieren. Das ist ein großer Unterschied zur Immobilienbranche, in der man oft erst handelt, wenn es gar nicht mehr anders geht. Wir können viel vom Einzelhandel lernen: Mut zum Testen, Bereitschaft zum Scheitern – und danach besser machen.

Porträt Susanne Klaussner
Klaußner: „Wir müssen als Branche erkennen, dass Sicherheit ein Zukunftsthema ist.“ (Quelle: Deutsche Investment Retail / Mark Mattingly)

Gesellschaftliche Verantwortung scheint Ihnen besonders wichtig. Welche Rolle spielt Sicherheit in Ihrer Arbeit?

Susanne Klaußner: Eine sehr große. Ich halte es für fahrlässig, dass wir beispielsweise bei der Planung von Datacentern oder kritischer Infrastruktur nicht stärker an Schutzräume denken. Ich würde Datacenter unterirdisch bauen. In der Schweiz oder Finnland ist man viel weiter. Die Finnen bauen ihre Schwimmbäder unterirdisch – gleich auch als Schutzraum.

Wir müssen als Branche erkennen, dass Sicherheit ein Zukunftsthema ist. Es geht nicht um Panikmache, sondern um Vorsorge. Unsere Gebäude müssen künftig mehr können, als nur gut auszusehen.

„Die Welt verändert sich rasant – wir sollten es auch tun.“

Was bedeutet all das für den Nachwuchs? Für junge Menschen, die heute in die Branche kommen?

Susanne Klaußner: Ich glaube, wir brauchen vor allem eins: Resilienz. Viele junge Leute sind in einer Zeit groß geworden, in der es wirtschaftlich immer aufwärts ging. Jetzt erleben sie eine Welt voller Krisen – geopolitisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Das verunsichert. Aber es ist unsere Aufgabe als Führungskräfte, Orientierung zu geben. Und: Wir müssen die motivierten jungen Menschen sichtbar machen. Es gibt sie – viele sogar. Sie müssen nicht nur geführt, sondern auch inspiriert werden.

Was wünschen Sie sich von der Politik?

Susanne Klaußner: Pragmatismus. Die Überregulierung ist einer der größten Preistreiber in unserer Branche. Nicht jede Vorschrift macht die Welt sicherer. Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in Sachverstand – und weniger Paragraphenreiterei. Vor allem aber wünsche ich mir, dass sich die Politik wieder stärker für die Realität in Unternehmen interessiert. Wer einmal erlebt hat, was es heißt, ein Projekt durch alle Instanzen zu bringen, versteht, warum viele irgendwann resignieren.

Und von der Branche?

Susanne Klaußner: Mut. Innovationsgeist. Und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Wir dürfen nicht darauf warten, dass jemand anderes uns rettet. Die Welt verändert sich rasant – wir sollten es auch tun. Ich liebe diese Branche. Für mich waren meine Tätigkeiten in der Immobilienwirtschaft immer Traumjobs. Und ich bin überzeugt: Gerade in Krisenzeiten haben wir die Chance, über uns hinauszuwachsen.

Das Interview führte André Eberhard für die immobilienmanager-Ausgabe 3-2025. Interessant? Dann sichern Sie sich doch ein Mini-Abo , um Zugriff auf alle Inhalte zu erhalten.

Vita Susanne Klaußner

Susanne Klaußner MRICS ist eine erfahrene Führungspersönlichkeit der deutschen Immobilienbranche mit über 35 Jahren Berufserfahrung. Nach ihrem BWL-Studium an der Fachhochschule Nürnberg startete sie ihre Karriere im Projektmanagement und Asset-Management, unter anderem bei DeTe Immobilien und Sireo Real Estate, wo sie früh leitende Positionen übernahm. 2006 wechselte sie zur GRR Group, wo sie als Vorstandsvorsitzende den Aufbau eines rund 1,5 Milliarden Euro umfassenden Immobilienportfolios verantwortete.

Seit 2019 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der DIR Deutsche Investment Retail GmbH, die sich auf lebensmittelgeankerte Nahversorgungsimmobilien spezialisiert. Darüber hinaus engagiert sie sich als Beirätin im German Council of Shopping Places und als Dozentin an der Irebs. 2015 wurde sie als „Managerin des Jahres“ in der Immobilienwirtschaft ausgezeichnet.

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zuletzt editiert am 02. Juli 2025