Mit dem „Bau-Turbo“ will die Bundesregierung Genehmigungsverfahren drastisch beschleunigen. Die Branchenverbände zeigen sich verhalten optimistisch. Von Thorsten Schnug
Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus beschlossen. Kernstück ist der neu eingeführte § 246e im Baugesetzbuch, der es Kommunen ermöglichen soll, in einem stark vereinfachten Verfahren Wohnungsbauprojekte auch ohne klassischen Bebauungsplan zu genehmigen. Ziel ist es, die Planungszeit von mehreren Jahren auf wenige Monate zu verkürzen. Weitere Änderungen betreffen unter anderem Nachverdichtung, Umnutzung und die behutsame Öffnung des Außenbereichs.
Bauministerin Verena Hubertz spricht vom „Bau-Turbo“, der nun gezündet werde: „Aufstocken, Nachverdichten und Neubau, der Bau-Turbo beschleunigt und ermächtigt die Gemeinden vor Ort. Wenn alle wollen, geht es sehr schnell. So werden aus durchschnittlich fünf Jahren zwei Monate Planungszeit. Das schafft Wohnraum, wo er gebraucht wird – weil jedes Zuhause zählt. Wir verlängern gleichzeitig den Umwandlungsschutz und stärken damit die Rechte von Mieterinnen und Mietern. Der Bau-Turbo ist der erste Schritt meines Hauses für mehr Tempo im Wohnungsbau und mehr bezahlbaren Wohnraum. Jetzt ist das Parlament gefordert.“
Zustimmung mit Vorbehalten: Was die Branche sagt
Die Reaktionen aus der Immobilien- und Wohnungswirtschaft fallen differenziert aus. Zwar wird der Wille zur Beschleunigung begrüßt, doch viele Akteure fordern weitergehende Maßnahmen.

Axel Gedaschko, Präsident des GDW, lobt den Impuls, mahnt aber vor neuer Bürokratie: „Was wir brauchen, sind weniger bürokratische Hürden, klare Verfahren und verlässliche Rahmenbedingungen. (...) Der Bau-Turbo ist ein sinnvoller Baustein auf dem Weg zu mehr Tempo im Wohnungsbau – aber eben nur einer.“ Mit Blick auf die kommunale Zustimmungspflicht äußert er Kritik: „Ob und unter welchen Voraussetzungen sie zustimmt, sollte auch weiterhin in der Verantwortung der Kommune selbst liegen. Sonst schaffen wir neue Bürokratie, wo wir eigentlich entschlacken wollen.“
Michael Vogt, Vorsitzender des Bundesverbands Micro-Living, sieht in dem Gesetz eine richtige Weichenstellung: „Die Bundesregierung hat verstanden, dass viele Bauprojekte an zu hohen bürokratischen Hürden scheitern. Es ist sehr begrüßenswert, dass langwierige Genehmigungsprozesse nun beschleunigt werden können.“ Zugleich warnt er vor kontraproduktiven Regulierungen beim möblierten Wohnen: „In Zeiten, in denen Studierende und Fachkräfte händeringend nach Wohnungen suchen, können wir es uns nicht leisten, Investitionen abzuwürgen.“

Iris Schöberl, Präsidentin des ZIA, sieht in dem Gesetz ein Signal, aber noch keine Trendwende: „Die beschlossenen, dringend benötigten Erleichterungen werden der Immobilienwirtschaft wieder mehr Bewegungsspielraum geben. (...) Es gibt allerdings nach wie vor einen erheblichen Spielraum für weitere Entlastungen: Absenkung der Baustandards, Verbesserung der Finanzierungsbedingungen durch Überarbeitung der Programme der KfW und steuerliche Anreizmodelle sowie die Senkung der Grunderwerbssteuer. Dies alles sind zusätzliche, wirksame Instrumente, um den Bau von Wohnungen deutlich zu beschleunigen. Ich fordere daher das Bau-Ministerium auf, bereits jetzt mit den Planungen für einen ‚Bau-Turbo 2‘ zu beginnen.“
Auch der Immobilienverband Deutschland (IVD) äußert deutliche Kritik an der politischen Gesamtstrategie. Präsident Dirk Wohltorf erklärt: „Wer gleichzeitig aufs Gaspedal tritt und auf die Bremse, kommt nicht nur nicht voran, sondern macht das gesamte Getriebe kaputt. (...) Die Politik muss sich entscheiden: Will sie mehr Wohnungen oder mehr Hürden?“
Weiteres bürokratisches Hindernis?
Dirk Salewski, Präsident des BFW, bewertet den Bau-Turbo als wichtiges Signal – warnt jedoch vor zu viel Euphorie: „Der Bau-Turbo ist ein wichtiger Schritt, der aber allein nicht ausreichen wird, um die Lage beim Wohnungsbau fundamental zu verbessern.“ Salewski verweist auf die Rolle der Kommunen: „Wenn eine Kommune nicht bauen will, ändert das kein Bau-Turbo.“ Kritisch sieht er zudem die Zustimmungspflicht der Gemeinden: „Komplexe Vorbedingungen mit zusätzlichen Kosten und zusätzlicher Zeit [könnten] auf den Investor übertragen werden.“ Sein Fazit: „Mehr Bauland, mehr Baustellen, mehr Wohnraum – das führt uns wieder zu bezahlbarem Wohnen. (...) Auf der Baustelle müssen sich aber die Kräne drehen und nicht die Wortspiele.“
Die Baubranche selbst sieht im Kabinettsbeschluss ein „erstes starkes Signal“, wie Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, erklärt: „Es erweitert die Handlungsmöglichkeiten für mehr Wohnraum genau dort, wo der Mangel herrscht: in den Städten und Gemeinden. (...) Der heutige Tag ist eine Starthilfe für den Wohnungsbau.“ Gleichzeitig fordert Müller weitere Schritte zur Kostenreduktion. Die Anforderungen an die Gebäude müssten reduziert und das Vergaberecht flexibilisiert werden.
Für die norddeutsche Wohnungswirtschaft bleibt die Verzahnung mit bestehenden Landesprogrammen entscheidend. Andreas Breitner, Direktor des VNW, betont: „Ich sorge mich jetzt, dass mit dem ‚Bau-Turbo‘ des Bundes ein weiteres bürokratisches Hindernis aufgebaut wird. Das gilt es, unbedingt zu verhindern.“ Mit Blick auf Klimaschutzmaßnahmen warnt er zudem: „Wenn die bereits beschlossenen Maßnahmen jetzt noch weiter verschärft werden, bekommen wir ein erheblich soziales Problem. Wir müssen bereits jetzt erleben, dass von dem Klimageld, das die Ampel-Regierung vor mehr als drei Jahren versprochen hatte, heute keine Rede mehr ist. Mit anderen Worten: die Menschen bleiben am Ende auf den Kosten sitzen.”
Ausblick: Parlament am Zug
Der Gesetzesentwurf ist nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Die Bundesregierung strebt einen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis Herbst 2025 an. Ob sich der „Bau-Turbo“ dann tatsächlich in der Praxis entfaltet, hängt laut Verbänden maßgeblich von der konkreten Umsetzung vor Ort und weiteren politischen Weichenstellungen ab.