Transformation ist weit mehr als energetische Sanierung. „New-Work-Retro-Fit“ heißt das Schlüsselwort, meint Thomas Ostermann in seinem Kommentar.
Der Transformationsdruck auf Immobilieneigentümer steigt – nicht nur mit Blick auf den Klimaschutz, sondern auch vor dem Hintergrund veränderter Ansprüche von Nutzern und Investoren. Für 40 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland ist allein der Gebäudesektor verantwortlich. Ihm kommt damit eine Schlüsselrolle bei der CO2-Einsparung zu. Herausfordernd ist aber nicht nur die energetische Sanierung an sich. Infolge der Zinserhöhung sowie steigender Energie- und Baukosten wird die Transformation des Gebäudebestands zur Herkulesaufgabe.
Welche Dimension die Aufgabe hat, zeigen die Zahlen der Deutschen Energie-Agentur (dena). In Deutschland stehen laut Gebäudereport 2023 rund 21 Millionen Gebäude – circa 19 Millionen Wohn- und zwei Millionen Nichtwohngebäude. Letztere sind jeweils zu rund einem Drittel bis 1960, von 1961 bis 1994 bzw. von 1995 bis heute gebaut worden. Besonders anspruchsvoll wird es bei älteren und zum Teil denkmalgeschützten Gebäuden. Die erforderlichen umfangreichen Maßnahmen gehen einher mit besonderen Herausforderungen in der Umsetzung, um die energetischen Potenziale ausschöpfen zu können.
Die CO2-Bilanz spricht für Sanierung
Abriss und Neubau sind aus allgemein bekannten Gründen in den seltensten Fällen eine gute Option. Das Stichwort der grauen Energie hat sich in der Diskussion etabliert. Ein zentraler Baustein auf dem Weg zu klimafreundlichen Gebäuden ist vielmehr die Sanierung des Gebäudebestands. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) konstatiert zu Recht: Im Vergleich zur Bestandsertüchtigung ist der Einfluss des Neubaus auf die CO2-Einsparung durch energetische Gebäudestandards schwächer, weniger kosteneffizient und hat auch eine nachteilige Gesamt-Ökobilanz. Unter Berücksichtigung der CO2-Emissionsreduzierung und der Wiederverwertung von Rohstoffen sollte die Sanierung daher dem Neubau stets vorgezogen werden. Denn ökologisch sinnvoller als ein Neubau ist es, auf die bereits verbaute graue Energie durch Sanierung oder Umbau aufzubauen.

Das Gebäudealter ist ohnehin nicht das entscheidende Kriterium. Im Gegenteil: Vergleicht man Alt- und Neubauten, fällt auf, dass die Betriebskosten in älteren Gebäuden pro Quadratmeter knapp 30 Prozent niedriger sind als in neueren Gebäuden. Allerdings ist der Flächenverbrauch pro Mitarbeiter in älteren Gebäuden rund 40 Prozent höher aufgrund großzügigerer Raumstrukturen. Beide Effekte zusammen führen dazu, dass der Kostenvorteil der älteren Gebäude aufgehoben wird und die neueren Gebäude trotz höherer Flächeneffizienz nicht günstiger sind.
Eine optimale Lösung ist daher ein so genannter „New-Work-Retro-Fit“, bei dem ältere Bestandsgebäude für moderne Arbeitswelten angepasst werden. Um den Gebäudebestand zu ertüchtigen, sind dabei zahlreiche Maßnahmen erforderlich. Besonders in denkmalgeschützten Immobilien sollten zudem je nach Gebäude unterschiedliche Ansätze verfolgt werden. Das fängt bei der Effizienz der vorhandenen Energiezentralen an. Messen, Steuern und Regeln heißen hier die Zauberworte. Die Erfahrung zeigt, dass beispielsweise bei den Vorlauftemperaturen ungenutztes Potenzial schlummert. Natürlich muss im Zuge der Energiewende auch in neue Anlagen investiert werden. Das Spektrum reicht dabei von Wärmepumpen, die die Flächen sowohl mit Wärme als auch bei Bedarf mit Kälte versorgen, über Hybrid-Systeme mit einer Kombination aus Wärmepumpe und Fernwärme bis hin zu Abwasserwärmerückgewinnung und neuen Energiekonzepten, bestehend etwa aus Wärmepumpe, Holzpellets und Biogaskessel oder. Diesen Ansatz verfolgen wir beispielsweise in einem unserer Gewerbehöfe. Das Ziel des Pilotprojektes ist es, einen Weg aufzuzeigen, durch den sich Gebäude sukzessive ertüchtigen lassen, so dass am Ende allein Wärmepumpe und Pelletkessel eine CO2-neutrale Versorgung übernehmen.
Nicht nur im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung sind Investitionen notwendig. Auch hierzu ein Beispiel: Oftmals sind in denkmalgelisteten Gewerbeimmobilien bauzeitliche Fenster zu finden. Diese auszutauschen und bei Mieterwechsel die Flächen zeitgemäß zu gestalten, ist ein weiterer Baustein des „New-Work-Retro-Fit“. Aber auch an anderer Stelle schlummern oft ungenutzte Potenziale, beispielsweise bei den Aufzügen. Die Wartung von Aufzügen lässt sich häufig optimieren, womit sich wiederum Kosten im Sinne der Mieter sparen lassen. Ein weiteres Beispiel sind Lastenaufzüge, die in vielen Gewerbehöfen verbaut sind, die heute Büroflächen beherbergen. Ein Wechsel zu einem Personenaufzug wirkt sich positiv auf die Betriebskosten und die Energieeffizienz aus.
„New-Work-Retro-Fit“ ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Transformation des Bestands, der die Energieeffizienz, das bauliche Umfeld sowie die Aufenthaltsqualität der Nutzer in den Fokus nimmt. Die Flächenkonzepte werden dabei bewusst offen und flexibel gehalten, um Platz für unterschiedliche Nutzer und Aufgabenbereiche von Unternehmen zu schaffen. Die Flächeneffizienz gegenüber dem Neubau muss dabei fest im Blick bleiben. Die Weiterentwicklung von Bestandsobjekten ist essenziell. Stärker denn je gilt: Alle Kraft auf den Bestand.
Ein Beitrag von Thomas Ostermann, operativer Geschäftsführer der GSG Berlin.