Außenansicht des Marienturm in Frankfurt am Main
Der Verkauf des Marienturms an die DWS war mit Abstand der größte Deal des Jahres 2022 in Frankfurt. Im Auftrag des südkoreanischen Pensionsfonds NPS wurden rund 830 Millionen Euro bezahlt. (Quelle: Pecan Development)

Standorte & Märkte 24. March 2023 Abwarten, sondieren, Preise finden

Das Krisenjahr 2022 hat auch am Frankfurter Investmentmarkt deutliche Spuren hinterlassen. Einiges ist im Wandel, bereits bestehende Trends setzen sich fort. Von Matthias Autenrieth

Krisen gehören zum (Geschäfts-) Leben dazu, nicht unbedingt gewünscht oder nötig, aber kaum zu vermeiden. Und die meisten Menschen hierzulande haben bereits einige erlebt: Corona, Finanzkrise, die etwas Älteren auch das Platzen der Dot.com-Blase sowie die Ölkrise. Ein Jahr wie 2022 hat es in den vergangenen Jahrzehnten aber keines gegeben.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des vergangenen Jahres sind vielfältig. In Zusammenhang mit Frankfurt dürften etliche an Jahresverluste bei den wichtigsten deutschen Aktienindizes zwischen zwölf und 29 Prozent denken. Aber auch der Immobilienmarkt ist gehörig durcheinandergeraten, nicht nur, aber auch in der Börsenstadt. Der Investmentumsatz im Bereich Gewerbeimmobilien blieb 2022 in Frankfurt nach Berechnungen von CBRE mit knapp 4,2 Milliarden Euro etwa 20 Prozent unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt. BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) kommt bei einem errechneten Transaktionsvolumen von gut fünf Milliarden Euro auf einen Rückgang um rund ein Viertel gegenüber 2021 sowie dem Zehn-Jahres-Durchschnitt. Damit sei das Minus ähnlich hoch gewesen wie der Schnitt der deutschen A-Standorte, hinsichtlich des Umsatzes liege Frankfurt trotz des Rückgangs bundesweit auf Platz zwei hinter Berlin.

Jahresendspurt blieb aus

Zu verdanken war dieses – in Anbetracht der Umstände recht respektable – Ergebnis vor allem dem ersten Quartal, in dem laut BNPPRE 2,5 Milliarden Euro umgesetzt worden waren. In den Folgemonaten wurde es merklich ruhiger, vor allem das Schlussquartal fiel verhalten aus. „Ein sonst üblicher Jahresendspurt ist 2022 ausgeblieben, und somit konnte im vierten Quartal lediglich ein Transaktions-Volumen von 380 Millionen Euro bei gewerblichen Immobilientransaktionen erzielt werden“, sagt Peer Neiser, Head of Investment Frankfurt und Citylead Frankfurt bei CBRE. „Das Zinsniveau und die Prognoseunsicherheit beeinflussten den Transaktionsmarkt gerade im Schlussquartal stark“, erläutert Bernhard Visker, Geschäftsführer der B&L Real Estate. Insgesamt befänden sich die Transaktionsmärkte in einer Preisfindungsphase, die bis tief in das Jahr 2023 andauern werde.

 „Aufgrund der aktuell noch deutlich unterschiedlichen Preisvorstellungen der Käufer und Verkäufer kommen viele Transaktionen nicht zustande oder es wurden Entscheidungen getroffen, Objekte vorerst nicht in den Markt zu geben“, so Neiser. Stattdessen würden zunächst mögliche Wertschöpfungspotenziale realisiert, um das Produkt zu einem späteren Zeitpunkt mit besserer Ausgangslage am Markt zu positionieren.

Refurbishment von Hochhäusern

Zunehmend relevanter werden dabei ESG-Kriterien. „Bestandshalter werden ihre Investments zwingend auf die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien überprüfen müssen, um nicht in einem Markt, der qualitativ stärker differenziert, auf ,Stranded Assets‘ zu sitzen“, sagt Visker. Die Bedeutung nachhaltigen Handelns nehme für die Immobilienbranche insgesamt zu. Sowohl Mieter als auch Anleger schauten mittlerweile sehr genau hin, wie die Immobilie im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitskriterien positioniert sei, so der B&L-Real-Estate-Geschäftsführer. Nach Meinung von Stephen von der Brüggen, Geschäftsführer der Art-Invest Real Estate Management, werde gerade die Fortentwicklung und Verbesserung des Bestands eine der großen Aufgaben sein und in den Fokus rücken. Visker sieht hierbei im Refurbishment von Hochhäusern eine besondere Herausforderung für Frankfurt.

Nicht zu verändern, aber in den vergangenen Monaten noch wichtiger geworden ist ein traditionelles Hauptkriterium von Immobilien. „Es hat sich klar herauskristallisiert, dass sich der Fokus der Investoren nochmals deutlich auf die Lage verstärkt hat“, sagt Neiser. Bevorzugt seien der Frankfurter CBD mit dem Westend, der Bankenlage sowie der Frankfurter Innenstadt, aber auch die gut etablierten und zentralen City-Randlagen wie das Frankfurter Ostend oder das Europaviertel.

Unverändert gegenüber den Vorjahren dominierte die Assetklasse Büro, auch wenn sie 2022 „lediglich“ auf einen Umsatzanteil von 65,7 Prozent kam. Dies waren laut BNPPRE gut 18 Prozentpunkte weniger als 2021 und knapp acht Prozentpunkte weniger als der langjährige Schnitt. Gewachsen ist nach Beobachtung von Marktteilnehmern die Attraktivität gemischt genutzter Objekte. Visker erklärt dies unter anderem mit einem grundsätzlichen Wandel. „Der städtebauliche Funktionalismus gehört endgültig der Vergangenheit an.“

Equity-Investoren sichern sich erstklassige Objekte

Ein Wandel ganz anderer Art hat in Frankfurt im vergangenen Jahr bei den Renditen stattgefunden. Nach Jahren des Sinkens ging es 2022 wieder spürbar nach oben. „Die Spitzenrendite bei erstklassigen Büroimmobilien ist im Verlauf des vergangenen Jahres von einem Rekordniveau von 2,70 Prozent auf 3,75 Prozent zum Jahresende gestiegen“, führt Neiser aus. Angesichts der deutlich gestiegenen Finanzierungskosten geht er auch für 2023 von einem weiteren leichten Anstieg der Renditen aus. Aufgrund des starken Kapitalüberhangs und dem Anlagedruck einiger Kapitalquellen sei dennoch mit einer guten Nachfrage nach liquiden und risikoaversen Investments in Top-Lagen von Frankfurt zu rechnen. „Das hier limitierte Angebot wird sich entsprechend positiv auf die zu erzielenden Kaufpreise auswirken, sodass in Ausnahmefällen auch zukünftig Renditen von unter vier Prozent möglich sind“, so Neiser. Je nach Entwicklung und Auswirkungen der Rezession sei davon auszugehen, dass die Preise sich bis 2024 einpendeln würden und von einer Stabilität des Renditeniveaus ausgegangen werden könne.

Und nicht nur in Hinblick auf die Renditen erwartet Neiser eine Überwindung des Krisenjahres 2022: „Sobald es zu einer Beruhigung an den Finanzierungsmärkten kommt, wird die Dynamik am Immobilienmarkt wieder deutlich zunehmen. Der Appetit der Investoren auf Büroinvestments ist weiterhin vorhanden, und es steht ausreichend Kapital für Immobilieninvestitionen zur Verfügung“, sagt er. Auch Visker sieht ein anhaltendes Interesse am Frankfurter Investmentmarkt: „Interessant ist zu beobachten, dass einige Equity-Investoren die Gelegenheit nutzen, um sich erstklassige Assets, für die auch weiterhin hohe Preise gezahlt werden, zu sichern.“

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zuletzt editiert am 24.03.2023