Ex-Geheimdienstchef Prof. Hansjörg Geiger über Russland, China und die Rolle der Immobilienwirtschaft.
Professor Dr. Hansjörg Geiger bezeichnet sich selbst als Zweckpessimisten. „Ich sehe die kritischen Entwicklungen, denke aber darüber nach, wie wir darauf reagieren können, damit die Krise nicht eintrifft.“ Mit Krisen kennt sich Geiger aus. Mitte der 90-er Jahre war er Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und anschließend Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Seine Meinung zur Sicherheitspolitik hat Gewicht, auch im Zusammenhang mit der Immobilienwirtschaft.
Herr Geiger, bereitet Ihnen die aktuelle Entwicklung Sorgen?
Hansjörg Geiger: Unsere Situation macht mir durchaus Sorgen. Unser Wirtschaftssystem ist die Grundlage für Frieden und Wohlstand, und all das ist erheblich unter Druck.
Befinden wir uns bereits in einem Krieg mit Russland?
Geiger: Wir erleben schon jetzt zahlreiche klandestine Aktionen von Russland. Aber auch China zeigt sich zunehmend aggressiv. Chi Jin Ping will die Nummer eins werden, und daher verstärkt er seine Ausrichtung gegen den Westen. Er hat sich zum Ziel gesetzt, unser System deutlich zu schwächen.
Nicht zu vergessen Trump in den USA.
Geiger: Trump baut die Demokratie ab, und ich erlebe keinen Widerstand im Kongress. Er verfolgt eine von Rache getriebene Politik. Er beschädigt massiv den Westen mit Worten und Taten, und der Nutznießer wird China sein.
Wie können wir darauf angemessen reagieren?
Geiger: Wir dürfen nicht den Kopf einziehen, nicht reagieren, sondern agieren. Der Koalitionsvertrag bietet gute Ansätze dazu. Die Frage ist allerdings, ob wir die nötigen Reformen durchsetzen können. Deutschland und die anderen europäischen Staaten sind eine saturierte Gesellschaft geworden. Ich erkenne einen teilweise extremen Individualismus, sogar einen Egoismus.
Welche Konsequenzen hat das Ihrer Ansicht nach auf die Immobilienmärkte?
Geiger: Wir brauchen eine Zeitenwende auch im Rechtssystem, damit Einzelne nicht allzu leicht mit Klagen Projekte über Jahre blockieren oder verhindern können. Sonst haben Investitionswillige keine Chance. Übrigens müssen wir zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit zügig und kostengünstig Kasernen bauen, denn viele Unterkünfte sind verkauft worden. In Kempten im Allgäu zum Beispiel gab es früher drei Kasernen. Davon existiert keine mehr. Wäre ich Manager bei einem Immobilienunternehmen, würde ich darüber nachdenken, wie ich mich einbringen kann, wie und wo ich Vorratsflächen für Kasernen sichern könnte.
Wie kann eine neue Kaserne kostengünstig gebaut werden?
Geiger: Bereits jetzt gibt es die Möglichkeit, mit industriellen Bauteilen zügig und günstig zu bauen. Das geschieht im Wohnungsbau schon regelmäßig. Die bestehenden Kasernen für die aktuell 180.000 Soldaten müssen zudem umfassend saniert werden, denn die befinden sich in keinem guten Zustand.
Ist die Immobilienwirtschaft auf die Zeitenwende und alles, was damit zusammenhängt, vorbereitet?
Geiger: Ich fürchte, nicht alle Firmen haben die Zeichen der Zeit erkannt, und damit meine ich die gesamte Wirtschaft. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Rheinmetall seinen neuen Produktionsstandort öffentlich bekanntgibt. Oder warum in München ein neues digitales Stellwerk für die S-Bahn den Medien im Detail präsentiert wird. Das macht es Putin und anderen Aggressoren doch total einfach, gezielt Raketen darauf abzufeuern. Ich finde diese Naivität erschreckend.
Würde Putin das nicht sowieso mitkriegen?
Geiger: Er müsste zunächst Spione engagieren. Leute, die das für ihn auskundschaften. Früher lagen Munitionsdepots nur wenige Kilometer von Ortschaften entfernt, und trotzdem war das niemandem bekannt.
Welche zusätzlichen Risiken bedrohen uns in Immobilien?
Geiger: Cyber-Angriffe stellen ein grundsätzliches Risiko dar, auch in Immobilien. Hacker können Büros, Krankenhäuser und Smart Homes komplett lahmlegen. Dazu reicht es, die Energiezufuhr abzuschalten. Ohne Elektrizität funktioniert nichts mehr, nicht einmal die Toilettenspülung, denn auch die Wasserpumpe benötigt Strom. Und sollte Russland eine Atombombe in der Atmosphäre zünden, wären die Immobilien nicht zerstört, aber das gesamte Netz. Hätten wir dann ausschließlich digitale Grundbücher, wüsste niemand, wem welche Immobilien gehören.
