Ein Porträt eines lächelnden Mannes in einem grauen Anzug vor einem hellen Hintergrund.
Moritz Kraneis, Geschäftsführer der Deutschen Zinshaus Gruppe (Quelle: Deutschen Zinshaus Gruppe)

Finanzierung 2025-06-16T06:37:22.655Z Wenn Banken den Stecker ziehen: Die Rückkehr der Workout-Abteilungen

Steigende Finanzierungskosten und Projektkrisen bringen Banken dazu, alte Restrukturierungsstrukturen neu zu beleben. Von Moritz Kraneis

Noch vor wenigen Jahren galten die Workout-Abteilungen deutscher Banken als Relikte aus Zeiten der Finanz- und Immobilienkrise. Während der langen Boomphase schien ihre Existenzberechtigung obsolet. Die Zinsen waren niedrig, die Zahlungsfähigkeit stabil, die Abwicklungsfälle selten. Doch die Bedingungen haben sich gewandelt. Gestiegene Finanzierungskosten, rückläufige Kaufpreise und in Schieflage geratene Projektentwicklungen holen die Branche in eine neue Realität zurück. Und mit ihr erwacht das Bedürfnis nach funktionierenden internen Strukturen zur Restrukturierung notleidender Engagements.

Viele Institute haben in den vergangenen Jahren Kompetenzen in diesem Bereich abgebaut. Jetzt, da sich der Markt dreht, zeigt sich, wie entscheidend funktionierende Workout-Abteilungen für die Stabilität des Kreditwesens und das Funktionieren des Immobilienmarktes sein können. Sie sind die Stellen, an denen analysiert, bewertet und darüber entschieden wird, wie mit problembehafteten Objekten oder Engagements weiter umzugehen ist.

Stillstand in der Abwicklung – ein strukturelles Problem

Im Vergleich zum angelsächsischen Raum arbeitet der deutsche Immobilien- und Finanzierungsmarkt traditionell anders. Während in den USA oder Großbritannien bei Zahlungsausfall zügig gehandelt und notfalls auch der „Schlüssel abgegeben“ wird, dominiert in Deutschland das Prinzip Hoffnung: Man wartet ab, verlängert Fristen, sucht nach Lösungen – und hält möglichst lange an Bewertungen fest, die eine vergangenheitsorientierte Sicht fortschreiben.

Dieses Vorgehen verlängert nicht nur den Stillstand einzelner Projekte, sondern blockiert auch den Transaktionsmarkt insgesamt. Denn je länger Banken zögern, desto mehr Kapital ist gebunden, desto länger fehlen belastbare Vergleichswerte auf Grundlage aktueller Transaktionen. Die Praxis zeigt: Gerade bei Projektentwicklungen, die keinen stabilen Cashflow aufweisen, ist ein klarer Schnitt häufig sinnvoller als langes Zögern. Workout-Abteilungen könnten diesen Schnitt vorbereiten – wenn sie denn mit der nötigen Kompetenz und Entscheidungskraft agierten.

Sondersituationen als Investitionschance

Für vorausschauend agierende Investoren ergibt sich in dieser Phase ein Umfeld, das durch gezielte Strategien genutzt werden kann. Wer über solide Kapitalstrukturen und langjährige Erfahrung verfügt, hat die Möglichkeit, in einem Markt aktiv zu werden, der sich neu sortiert. Insbesondere Transaktionen in Sondersituationen – ob durch notleidende Kredite, vorinsolvente Strukturen oder Übertragungen im Rahmen von Sanierungskonzepten – eröffnen Chancen, wenn sie professionell und realistisch angegangen werden.

Entscheidend ist hier die Fähigkeit, die tatsächliche Werthaltigkeit eines Objekts unter heutigen Bedingungen zu erkennen. Alte Preisvorstellungen müssen an neue Realitäten angepasst werden. Es geht nicht darum, auf Notlagen zu spekulieren – vielmehr steht im Vordergrund, verantwortungsbewusst Spielräume zu nutzen, die sich durch die veränderte Marktlage ergeben. Voraussetzung dafür sind Transparenz, Berechenbarkeit und ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten über die Zielsetzung einer Transaktion.

Dabei zeigt sich, dass insbesondere institutionelle oder bankennahe Verkäufer bereit sind, neue Wege zu gehen – etwa in Form strukturierter Verkaufsprozesse, die sowohl die Abwicklungssicherheit als auch die langfristige Entwicklungsperspektive in den Blick nehmen. Solche Prozesse sind komplex und erfordern ein hohes Maß an Fachwissen – sowohl in rechtlicher, steuerlicher als auch in technischer Hinsicht. Doch sie ermöglichen es, aus einer schwierigen Situation heraus Werte zu erhalten, neu zu strukturieren und wieder zukunftsfähig aufzustellen.

Was es jetzt braucht: Klarheit, Tempo, Partner

Der Wandel ist in vollem Gange, aber er braucht Akteure, die ihn konstruktiv begleiten. Workout-Abteilungen allein können den Markt nicht neu ordnen – sie brauchen Partner, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Investoren mit Weitblick können diese Rolle einnehmen, wenn sie nicht auf kurzfristige Erfolge setzen, sondern auf langfristige Stabilisierung. Ihr Beitrag liegt nicht nur im Erwerb von Assets, sondern im aktiven Mitgestalten neuer Marktlösungen.

Gefragt ist ein Mentalitätswechsel: weg vom Abwarten und Aussitzen, hin zu klaren Entscheidungen, die der aktuellen Marktlage entsprechende Lösungen aufzeigen. Der Markt wird sich nicht durch bloßes Hoffen erholen, sondern durch aktives Gestalten. Jede professionell begleitete Transaktion bringt Vergleichswerte zurück, ermöglicht neuen Kreditspielraum und schafft eine realistischere Einschätzung der Lage. Sie ist damit mehr als ein Einzelfall – sie ist Teil einer Gesamtbewegung, die den Immobilienmarkt langfristig wieder in Gang bringen kann.

Die kommenden Monate werden entscheidend sein: für die Stabilisierung notleidender Finanzierungen, für den Umgang mit Risikopositionen und für die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, statt weiteren Stillstand zu verwalten. Workout-Abteilungen sind dafür das richtige Instrument – wenn sie mit Kompetenz, Entschlossenheit und richtiger Haltung agieren. Der Markt braucht keine Symbolpolitik, sondern Substanz. Und genau darin liegt die Chance dieser Übergangsphase: Sie trennt kurzfristige Taktik von langfristiger Strategie.

Ein Beitrag von Moritz Kraneis, Geschäftsführer der Deutschen Zinshaus Gruppe.

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zuletzt editiert am 16. Juni 2025