Mit gemischten Gefühlen blickt die Branche auf die diesjährige Expo Real in München.
Da hat sich die Messe erst im letzten Jahr wieder berappelt und konnte nach einem Jahr pandemiebedingter Pause wieder stattfinden, da trudelt gleich die nächste Krise um die Ecke. Die Erwartungen vieler Messeteilnehmer sind daher auch deutlich gedämpfter.
Erinnern Sie sich noch an die Expo Real 2019? Rückblickend dürfte es wohl die Messe mit der besten Partystimmung gewesen sein. Über 46.000 Besucherinnen und Besucher kamen in die Münchener Messehallen, um sich und die Branche zu feiern. Das Gefühl, das könne doch nicht ewig so weiter gehen, hatte sich aber schon viel früher eingestellt. Bereits 2017 mahnten vor allem ältere Messebesucher vor dunklen Wolken. Damals konnte sich noch niemand erklären, was Auslöser für einen Marktumschwung sein könnte. Heute sind wir schlauer.
Nach einem Jahr Pause zählte die Messe im vergangenen Jahr 19.200 Teilnehmer. Deutlich weniger – und doch war die Stimmung gut. Das dürfte in diesem Jahr anders sein. Laut Veranstalter haben schon rund 800 Aussteller mehr als 2021 ihr Kommen zugesagt. Nach zuletzt fünf Hallen werden in diesem Jahr wieder sieben Hallen geöffnet sein. Dennoch ist die Party vorbei. Jetzt wird wieder handfestes Immobiliengeschäft gemacht und gesucht.
„Es braucht auf der Messe schon eine gehörige Portion Optimismus, um auf Opportunities zu hoffen“, ordnet Professor Dr. Thomas Beyerle von Catella die Situation im Vorfeld ein. „Die Ereignisse der zurückliegenden Monate haben viel verändert, auch für die Immobilienbranche. Vor allem in den Bereichen Büro, Logistik, Hotel und Wohnen, Asset-Klassen, in denen wir besonders engagiert sind, sind Veränderungen deutlich spürbar“, so Goor Rosenberg, CEO der Inspiration Group.
„Eine der spannendsten Messen der letzten zehn Jahre“
„Mithin dürfte es eine der spannendsten Messen der letzten zehn Jahre werden, auf der möglicherweise der Ton für die kommenden Jahre gesetzt wird“, erwartet Sascha Becker, Country Head Germany bei Barings. „Die Expo Real wird dieses Jahr sicherlich von der sich verändernden gesamtwirtschaftlichen Situation geprägt sein. Die spannende Frage wird daher sein, ob es tatsächlich eine Rezession geben wird oder der Immobilientransaktionsmarkt doch noch alles bis zum Jahresende aufholen kann“, fasst Rüdiger Hornung, Partner und Geschäftsführer von Wüest Partner Deutschland, die Erwartungen zusammen.
Wie immer wird es bei der Messe auch um Möglichkeiten gehen. Welche Assetklassen sind an welchen Standorten gefragt? Für wen ergeben sich Chancen? Wer hat mit Risiken zu kämpfen? Welche Antworten haben Städte, Gemeinden und deren Wirtschaftsförderungen auf das aktuelle Marktumfeld? Dr. Manfred Janssen, Geschäftsführer der Köln Business Wirtschaftsförderung, sieht die rheinische Metropole dabei gut aufgestellt. „Angesichts unsicherer wirtschaftlicher Zeiten ist Stabilität gefragt. Dafür steht Köln. Der breite Branchenmix ist ein enormer Vorteil, um ökonomische Schockwellen besser abzufedern. Trotz Krisen arbeiten wir in Köln weiter an Zukunftsprojekten. Das beweisen wir an unserem Stand gemeinsam mit unseren Partnern und auf unserer Panel-Diskussion am zweiten Messetag. Dort zeigen wir, wie wir in Köln die Zukunft der Innenstadt gemeinsam mit der Immobilienwirtschaft anpacken."
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Gerade in unsicheren Zeiten, sei für eine Wirtschaftsförderung die Expo Real umso wichtiger, ist sich Professor Dr. Julia Frohne, Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr, sicher. „Mit steigenden Kosten für Bau und Energie sowie Zinsen und Rezessionsängsten wird die Expo 2022 eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Diese Themen werden die erhoffte Post-Corona-Aufholjagd auch im Herbst behindern. Trotzdem glauben wir, dass die Messe für einen aufstrebenden Standort wie der Metropole Ruhr gerade in dieser Zeit richtig und wichtig ist: Investoren und Entwickler sollen unsere Region der Möglichkeiten für die Zeit nach der Unsicherheit auf dem Schirm haben.“
Büro, Logistik und was noch?
Besonders gefragt sein werden vor allem Büro- und Logistikinvestments, prognostizieren Marktakteure wie Alexander Hoff von Palmira Capital Partners. „Das Investoreninteresse an Logistikimmobilien ist ungebrochen. Gleichzeitig hat das Thema Nachhaltigkeit noch einmal an Bedeutung gewonnen. So weit, so gut. Jetzt kommt es aus meiner Sicht darauf an, deutlich zu machen, dass Nachhaltigkeit und Renditen kein Widerspruch sein müssen.“
Kuno Neumeier, CEO von Logivest, ist etwas skeptischer: „Wir befinden uns in einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation – Energiepreise explodieren, Baukosten steigen exorbitant und Zinsen ziehen immer stärker an. Auch wenn sich die Neubauentwicklungen mit rund 2,6 Millionen Quadratmetern im ersten Halbjahr 2022 noch stabil zeigen, sind bereits erste Auswirkungen auf dem Logistikimmobilienmarkt zu spüren. Für mich stellt sich die Frage, wie viel der Nutzer noch ver- beziehungsweise ertragen kann und wie sich die Inflation und die Preisspirale auf eine realistische Bewertung der Immobilienbestände auswirken werden.“
Nischeninvestments und Mezzanine-Finanzierungen
Davon gehen einige Marktakteure offenbar aus. „Die Markt- und Rahmenbedingungen für die Immobilienwirtschaft haben sich zum Teil signifikant geändert. Ich bin davon überzeugt, dass auch deshalb Gesundheitsimmobilien in Zukunft eine noch größere Relevanz erfahren werden als bisher – sowohl als Investitionsobjekte als auch als gesellschaftlich prägende und relevante Immobilienform – und dies nicht nur ausschließlich demographisch bedingt“, meint Berthold Becker, Geschäftsführer bei TSC Real Estate.
Schwieriger wird es für Projektentwickler. Marcus Kraft, CEO der Recon AG: „Für Projektentwickler ist es derzeit keine einfache Zeit. Eine gestiegene Inflation, hohe Rohstoffpreise und Baukosten in Kombination mit deutlich angewachsenen Zinsen stellen sie vor nicht zu ignorierende Herausforderungen. Daraus ergeben sich auch für die Recon AG als Spezialistin für Mezzanine-Finanzierung neue Aufgaben.“ Und weiter: „Ich erwarte wegen der aktuellen Entwicklungen, denen sich die Immobilienwirtschaft stellen muss, eine arbeitsorientierte und aufgeschlossene Atmosphäre an den Messetagen.“
ESG nicht vergessen
Auch der Megatrend ESG wird sicher eine Rolle spielen. „Innovative und smarte Lösungen im Kampf gegen den Klimawandel – das steht für uns auf der diesjährigen Expo Real im Vordergrund. An Energieeffizienz und CO2-Neutralität in Bau und Bewirtschaftung wird bereits seit geraumer Zeit gearbeitet, gleichzeitig rücken weitere wichtige Umweltaspekte wie Wasserspeicherung oder Artenvielfalt in den Fokus“, resümiert Jan Schewe, CEO von Schewe Immobilien.
Die Expo Real wird ein guter Gradmesser für die Stimmung am Markt sein. „Näher dran sein ist in der Phase der vielfältigen Umbrüche entscheidend. Die Expo Real werden wir daher neben der Kontaktpflege mit unseren europäischen Geschäftspartnern vor allem dazu nutzen, das Sentiment der Marktteilnehmer aufzunehmen. Wo liegen neue Risiken für unser Geschäft, wo ergeben sich Opportunitäten und wo können sich gemeinsame Entwicklungspfade ergeben?“, fasst Union Investment-CIO und Mitglied der Geschäftsführung Martin J. Brühl die Stimmungslage im Vorfeld zusammen.
„Wir werden die Messe dazu nutzen, das Sentiment der Marktteilnehmer aufzunehmen.“
Martin J. Brühl, Union Investment Real Estate
„Ich erwarte, dass die Expo Real dieses Jahr unter dem Einfluss einer sich stark veränderten gesamtwirtschaftlichen Situation steht“, so Marius Schöner, Country Manager Germany bei CBRE Investment Management. „Viele Marktteilnehmer werden die Messe zur Orientierung nutzen – selten war die Unsicherheit zur zukünftigen Preisentwicklung so hoch wie vor dieser Expo. Meines Erachtens wird sich der Markt auch längerfristig mit höheren Zinsen arrangieren müssen. Viele Akteure befürchten eine Preiskorrektur und halten sich gegenwärtig mit Investments zurück."
Finanzierer in besonderer Situation
Berlin-Hyp-Vorstandsvorsitzender Sascha Klaus ist besonders der Austausch in so „herausfordernden Zeiten“ besonders wichtig. „Inflation, Zinsanstieg, Lieferengpässe, steigende Baukosten, anziehende Finanzierungskosten und der Ukraine-Krieg wirken massiv auf unsere Immobilienmärkte. Gemeinsam müssen wir nach Lösungen und Chancen suchen, die diese Herausforderungen mit sich bringen. Wie können wir geglaubte Zielkonflikte auflösen? Wie können wir den immer komplexer werdenden Dynamiken begegnen und gut durch diese Phase kommen?“ Bernd Mayer, Bereichsleiter Immobilien der Bayern LB, ergänzt zum Thema ESG: „Banken kommt besondere Verantwortung zu, als Kapitalverteiler proaktiv zur Erreichung der Klimaziele beizutragen. Die Bayern LB plant deshalb, den Anteil nachhaltiger Finanzierungen von 31 Prozent auf circa 51 Prozent bis Ende 2024 zu steigern.“
Auch Hanno Kowalski, Managing Partner von FAP Invest, ist überzeugt: „Spätestens auf der Expo Real wird sich zeigen, ob die derzeitige Zurückhaltung bei der Vergabe von gewerblichen Immobilienkrediten wieder abnimmt. Denn in einem Punkt sind wir uns alle einig: Gar nicht zu finanzieren, ist auch keine Lösung.“
„Besonders spannend wird es in diesem Jahr sein zu erfahren, wie andere Marktteilnehmer die aktuelle Situation einschätzen und sich bezüglich Investments und Pricing im aktuellen Umfeld positionieren“, meint Christoph Wittkop, Geschäftsführer von Sonar Real Estate.
Doch wann wird sich der Markt normalisiert haben? Während einige davon ausgehen, dass wir bereits im vierten Quartal wieder vermehrte Investmentaktivitäten sehen werden, glauben andere, wie Dr. Tim Schomberg, Managing Partner der Kingstone Real Estate: „Wir rechnen auch bis in den Winter hinein mit einer Unsicherheit im Markt. Investoren werden in diesem Umfeld ihre Risiken neu bewerten. Die Qualität und ESG-Konformität der Assets rücken dabei ebenso in den Fokus wie die internationale Diversifikation der Anlagestrategie.
Alle suchen Personal
Wo nahezu eine ganze Branche zusammenkommt, dreht sich auch das Personalkarussell immer etwas schneller. Angesichts des Personalmangels in der Branche dürfte es sich in diesem Jahr sogar besonders heftig drehen. „Egal ob Kunden, Kandidaten, Kandidatinnen oder IREBS-Kommilitoninnen und -Kommilitonen, das Gesprächsthema Expo Real hat bereits volle Fahrt aufgenommen, und gefühlt planen alle zu kommen“, ist sich Saskia Roden, Senior Beraterin bei Bernd Heuer Karriere sicher. Von pandemiebedingter Unsicherheit wie noch im Vorjahr sei in diesem Jahr nichts zu spüren, ergänzt Alexander Dahmen, Geschäftsführer Bernd Heuer Karriere.

„Während uns die nach wie vor ungehemmte Nachfrage nach qualifizierten Führungskräften persönlich sehr positiv stimmt und unser Beratungsgeschäft weiter wachsen lässt, so spüren wir bei unseren Kunden, Kundinnen, Kandidatinnen und Kandidaten jedoch eine gewisse Unsicherheit darüber, wie sich der Ukraine-Krieg und weitere Marktentwicklungen wie steigende Zinsen und Baukosten oder die unterbrochenen Lieferketten mittelfristig auf das eigene Kerngeschäft und die Branche auswirken werden“, berichtet Thomas Flohr, geschäftsführender Gesellschafter von Bernd Heuer Karriere. „Uns als Personalberatungsgesellschaft wird derzeit seitens unserer Mandanten regelmäßig die Frage gestellt, wie es bei anderen Marktteilnehmern aussehe und wie wir die Entwicklung der Märkte sowie die Auswirkungen der aktuellen Situation einschätzen. Diese Unsicherheit wird daher neben dem komplexen Themenfeld ESG sicherlich eines der Hauptthemen der diesjährigen Expo Real sein.“
Stärker in Szenarien denken
Die Messe wird wohl so spannend wie selten zuvor. Schließlich verspricht die Marktlage, die möglicherweise nicht nur temporär sein könnte, dass das Immobiliengeschäft noch komplexer werden könnte. „Zu den Langzeitthemen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Pandemie sind nun noch Zinswende, Inflation und Krieg in Europa hinzugekommen. In solch einer Marktlage gibt es keine einfachen Wahrheiten, aber viele Optionen – wir müssen nur stärker in Szenarien denken und mehr Faktoren wie Inflation und Indexierung in die Kalkulationen einbinden. Ich erhoffe mir deshalb, dass die Expo Real wieder für mehr Orientierung, Klarheit und damit für Optimismus sorgt“, resümiert Konstantin Kortmann, Deutschlandchef bei JLL.
