Sonne, Strand, Meer, Champagner, Yachten – dafür ist die Mipim bekannt. Die Partymesse ist spätestens in diesem Jahr zur echten Arbeitsmesse geworden. Von André Eberhard
Ehrlich gesagt, hatte ich keine hohen Erwartungen an die MIPIM. Bereits im Vorfeld hatten einige Gesprächspartner signalisiert, nicht nach Cannes zu fahren. Ich wollte mich vor allem überraschen lassen, ob eine Messe, die in der Vergangenheit vor allem als Party-Messe bekannt war, in Zeiten von Nachhaltigkeit, Verringerung des CO-2-Fußabdrucks und Krieg in Europa überhaupt bestand haben kann. Mein Fazit vorab: ja.
Schon am Flughafen begrüsst ein kleines Kind auf einem Plakat, das auf eine grüne Wand voller Pflanzen zeigt die ankommenden Messebesucher. Was aussieht, wie die Werbung für eine Gartenbauaustellung, sollte eigentlich Wegweiser für die Messe in diesem Jahr sein, die den Leitspruch „Driving Urban Change“ hat.
Kleinere Yachten, zufriedenere Aussteller
Knapp 20.000 Menschen sollen wohl die Messehallen, Boote, Hotels und Strandpavillons an der Croisette in Cannes gestürmt haben. Mehr als die Messe erwartet hat und weniger als noch zu den Erfolgszeiten. Damals standen Massen von, vor allem angelsächsischen Anzugträgern auf den Straßen, um den mit Bierflaschen klimpernden Gastronomen ihre alkoholischen Getränke aus den Händen zu reißen. Das habe ich dieses Jahr nur in einem Strandpavillon gesehen. „Es war sicher keine Messe, die den Überschwang zum Inhalt hatte“, so das Fazit von Jens Lütjen, geschäftsführender Gesellschafter der Robert C. Spies Gruppe.
Die Yachten waren deutlich kleiner, die Aussteller zufriedener mit der Qualität der Gespräche. Gefühlt war die Messe deutlich leerer als in den Vorjahren, allerdings fiel das eher positiv auf. Die deutschen Stände waren dabei sehr gut besucht. Ohne Termin ging jedoch nichts. Gesprächspartner waren fast immer auf Geschäftsführer- oder Vorstandsebene, die bei einem Glas Rosé mit Blick aufs Mittelmeer auch gern mal ins Plaudern kamen. Das freut das Journalistenherz.
Gesprächsthema Nummer 1: ESG und Nachhaltigkeit
Die Stimmung trübte vor allem der Krieg in Europa, der niemanden kalt lässt. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist im Bewusstsein das dominierende Thema und lässt Covid damit aktuell in den Hintergrund treten“, resümiert Konstantin Kortmann, der ab Mai neuer Deutschland-Chef von JLL sein wird. Ukrainische Aussteller fehlten. Ihre Projekte waren trotzdem da und sorgten für Gänsehaut. „Unsere Immobilienbranche steht vor der großen Herausforderung der nachhaltigen Transformation. Diese Herkulesaufgabe hat vor den aktuellen geopolitischen Entwicklungen eine besondere Brisanz bekommen“, so Berlin Hyp CEO Sascha Klaus.
Neben einer Demonstrantin, die mit der Aufschrift „Business as usual?“ an die Messeteilnehmer appellierte, fiel auf, dass ich noch nie auf einer Veranstaltung war, die von so schwer bewaffneten Soldaten „verteidigt“ wurde. Aber auch daran gewöhnte man sich schnell.
Mipim Awards 2022
Während der Messe wurden wieder die 13 besten Projektentwicklungen weltweit mit den Mipim Awards ausgezeichnet. Das "BNP Paribas Fortis HQ" in Brüssel räumte den Preis für die beste Büroentwicklung ab - unter Beteiligung von Baumschlager Eberle Architekten. Der Award für die beste Wohnentwicklung ging an das dänische Projekt "Æbeløen" - Eigentümerin ist die Patrizia AG.
Gewöhnt hat man sich auch an das beherrschende Gesprächsthema: ESG und Nachhaltigkeit. Natürlich betraf das jeden Gesprächsteilnehmer – vom Spitzenpolitiker bis zum Dienstleister. „Darüber hinaus gibt es einen breiten Konsens darüber, dass die Branche das Thema Nachhaltigkeit / ESG ernst nehmen muss und ein Anerkennen, dass wir mit den begrenzten Ressourcen anders umgehen müssen. Das ist vielleicht auf den ersten Blick nicht überraschend, aber die persönliche Nachdenklichkeit und Ernsthaftigkeit, mit der dieses Thema betrachtet und nach Lösungen gesucht wird, habe ich so vorher nicht wahrgenommen“, so Kortmann.
"Lieber zwei Mipims im Jahr als eine Expo."
Kai Wolfram, Engel & Völkers
Derzeit entwickle sich eine hohe Dynamik in der notwendigen Lernkurve, argumentiert Lütjen. Er sieht 2022 als Jahr des Lernens in Sachen ESG. Investoren und Bestandshalter würden sich in diesem Jahr besonders mit den Fragestellungen beschäftigen, wie man die bisherigen Kenntnisse in Benchmarks umwandeln und diese in sein Portfolio langfristig integrieren kann.
Mut und gemeinsame Anstrengung erfordert
Problematisch wird für die Branche die massiv gestiegenen Baukosten. Ideen wie man dem gegensteuern kann sind noch nicht zu sehen. Kortmann sieht darüber hinaus auch die steigenden Zinsen als eine der zentralen Herausforderungen an. „Rohstoffe und Energiepreise werden weiter steigen und extremen Einfluss auf Inflationsrate und Zinslandschaft haben. Lieferketten werden weiterhin erheblich gestört bleiben beziehungsweise nicht mehr zur Verfügung stehen und ersetzt werden müssen,“ ergänzt Klaus. Hier brauche es Mut und gemeinsame Anstrengung der Branche.
Bei den Assetklassen bleiben Logistik und Quartiere die Lieblingsobjekte. Sie spiegeln den derzeitigen Trend zum individuellen und hochwertigen Wohnen in der 15-Minuten-Stadt genauso wider, wie der steigende Online-Handel. „Auch das Thema Pflege- und Seniorenimmobilie werde in den nächsten Jahren nochmal deutlich an fahrt aufnehmen und wir hoffen, dass sich auch Hotels wieder stabilisieren werden“, fasst Lütjen zusammen.
Die Mipim hat am Ende doch Spass gemacht. Ein paar Schuhe sind dabei drauf gegangen. Die Messe hat seine Daseinsberechtigung. Ob eine Messe mit 20.000 Besuchern wirklich in einer Stadt mit rund 75.000 Einwohnern stattfinden muss, bleibt dahingestellt. Wir kommen nächstes Jahr gern wieder.
Stimmen zur Mipim 2022
Oliver Platt, Managing Partner, Arcida Advisors: "Die Messe fällt in eine bewegte Zeit. Der Krieg in der Ukraine, die Nachwehen der Corona-Pandemie und die anhaltende Inflation machen sich bei Investoren, Banken und Entwicklern in Form höherer Unsicherheit bemerkbar. Verkäufer und Käufer belauern sich gegenseitig. Erste Zinsaufschläge in der Fremdfinanzierung sind bereits zu spüren und eine mögliche EZB-Zinserhöhung schwebt wie ein Damoklesschwert über optimistisch kalkulierten Objekten. Die große Frage lautet, ob sich die Kaufpreisfaktoren bewegen, damit sich Investitionen na3ch steigenden Margen bei der Fremdfinanzierung für die Käufer noch rechnen."
Sebastian Renn, Vice President Sales DACH, Drooms: "Die Mipim war für uns schon immer eine unersetzliche Plattform, um uns mit unseren internationalen Kunden und Geschäftspartnern über die relevanten Themen in der Immobilienwirtschaft auszutauschen. Die diesjährige Messe fällt in eine bewegte Zeit, dennoch standen insbesondere ESG und Digitalisierung ganz weit oben auf der Agenda. Die Nachhaltigkeitsbewegung erhöht den Digitalisierungsdruck auf die Branche gewaltig. Für uns steht fest: ESG ist ein Datenthema. Ohne zuverlässige Daten funktioniert kein professionelles ESG-Management."
Kai Wolfram, Geschäftsführender Gesellschafter Engel & Völkers Investment Consulting: "Die Mipim ist und bleibt die Netzwerkveranstaltung Nummer 1 unserer Branche. Die Gespräche sind wesentlich intensiver und entspannter als auf der Expo, die Kontakte nachhaltiger. Für mich gilt: Lieber zwei Mipims im Jahr als eine Expo."
Curth-C. Flatow, Managing Partner, FAP Group: "Alle haben sich nach der zweijährigen Pause auf das persönliche Wiedersehen in Cannes gefreut, uns war es vor allem wichtig, unsere internationalen Kontakte wieder zu treffen - so bedrückend und herausfordernd die aktuelle Situation auch ist. Noch spüren wir keine direkten Auswirkungen auf den Finanzierungsmarkt."
Rudi Pistora, Country Manager DACH, Planradar: "Es tat gut, die Branche auf der Mipim 2022 wieder vereint zu sehen. Nachhaltigkeit war eines der zentralen Themen der diesjährigen Messe und ist inzwischen nicht nur für Architekten relevant, sondern steht auch bei Projektentwicklern verstärkt im Fokus. Die Integration von Technologie als wesentlicher Faktor zur Reduzierung der CO2 Emissionen bei Immobilien war daher ein wichtiges Diskussionsthema. Wir sehen in der gesamten Immobilienbranche, dass der schonende Umgang mit Ressourcen auch in den wirtschaftlichen Entscheidungsprozess mit großer Dynamik Einzug findet."